Barockes Wochenende mit Caravaggio und Borromini

Sant`Andrea delle Fratte

Nun gehe ich die Via di Propaganda entlang und habe schon den Blick auf die Kuppel und die Glockenturmspitze meines nächsten Ziels.

Sant`Andrea delle Fratte


Noch besser ist allerdings der Blick von der Spanischen Treppe.


Sant`Andrea delle Fratte
Die Kirche stand früher außerhalb des Stadtkerns, daher auch der Name: Fratte = Dickicht.
Bereits 1370 stand hier eine Kapelle, die dem heiligen Andreas gewidmet war. Diese erste Kirche wurde 1605 abgerissen und in ihrer heutigen Form neu erbaut.
Seit dem 15. Jahrhundert ist sie die Nationalkirche der Schotten.
In ihr sind die Gräber von Angelika Kauffmann nebst Ehemann, Rudolf Schadow und Friedrich Müller.


Borromini und Sant`Andrea delle Fratte
Ab 1653 war Borromini für den Kirchenbau zuständig. Von ihm ist der bizzare und elegante Glockenturm, die konkav-konvexe Kuppel und die elliptische Apsis.


Bernini und Sant`Andrea delle Fratte
Seit 1826 sind hier die Originale der beiden Engel von Bernini aus den Jahren 1667-1669 aufgestellt.
Auf der Engelsbrücke stehen nur noch die Kopien.


Gegenüber der Kirche ist das Wohnhaus Berninis, in dem er bis zu seinem Tod lebte.


Angelika Kauffmann und Sant`Andrea delle Fratte
Als der zweite Ehemann der Malerin Angelika Kauffmann - der venezianische Maler Antonio Zucchi - verstirbt, läßt sie ihn in Sant`Andrea delle Fratte beisetzen. Sie selbst wird dann auf eigenen Wunsch neben ihrem Gatten bestattet.
In ihrer Grabinschrift beteuert sie, wenig bescheiden, diesen Platz nur wegen der Nähe zu ihrem Mann gewählt zu haben. Eigentlich hätte ihr ja ein Platz im Pantheon zugestanden!
Angelika Kauffmann war bis zu ihrem Tod 1807 Eigentümerin des heute in den VM befindliche Gemäldes "Der Heilige Hieronymus" von Leonardo da Vinci. Danach war das Gemälde einige Zeit verschollen und erst - in 2 Teilen - 1820 von Kardinal Joseph Fesch wieder entdeckt.​
 
Von Sant`Andrea delle Fratte gehe ich zunächst zur
Fontana di Trevi.


Der Trevi-Brunen ist einer der Endpunkte der Aqua Virgo.
Dieser größte und bekannteste Brunnen Roms wurde von 1732 bis 1762 nach Plänen von Nicola Salvi im spätbarocken Stil erbaut.
Bereits 1640 sollte Bernini hier einen neuen Brunnen bauen, der aber aus finanziellen Gründen recht klein ausfiel.

Weiter laufe ich hoch zum Quirinal,


vorbei an den Schlangen der Scuderie,


gehe ich nun zum letzten Werk Borrominis für dieses Wochenende, der Kirche
San Carlo alle Quattro Fontane.

 
San Carlo alle Quattro Fontane

San Carlo alle Quattro Fontane
oder
San Carlino
Der erste Name kommt von den vier Brunnen, welche die Kreuzung zieren, an der die Kirche steht.
Der zweite Name ist quasi ein Kosename der Römer, da diese Kirche angeblich in einen der Vierungs-Pfeiler des Petersdomes passen würde.

Nachdem sich Borromini von Bernini getrennt hatte, bot er seine Dienste zunächst kostenlos an, um überhaupt sein Können zeigen zu dürfen. So erhielt er im Jahre 1634 den Auftrag für San Carlino.

Die Bauherren
Auftraggeber war der Orden der Barfüßigen Trinitarier, oder auch Trinitarii Scalzi del Riscatto di Spagna. Die Gründer waren Jean de Matha und Felix von Valois.
Matha hatte eine Vision, in der er Gott, mit einem farbigen und einem gefesselten weißen Mann sah.
Für Matha war dies die Aufforderung, im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, entführte Christen aus den Händen von dunkelhäutigen Piraten zu befreien.
Die Kirche ist noch heute im Besitz des Ordens, der sich nun der Gefangenenbetreuung verschrieben hat.

1611 ließen sie eine erste Kirche an dem Tiber-Brunnen errichten, die dem heiligen Karl Borromäus widmet wurde.

Der Neubau der Kirche unter Borromini verlief in mehreren Etappen.

1. Dormitorium und Refektorium
Das Refektorium dient heute als Sakristei.


Viele konkave Flächen und kaum rechte Winkel prägen das Bild.
Gegenüber ein Gemälde des Namenspatrons.



2. Kloster mit Kreuzgang
Das Kloster ist ein zweistöckiges Gebäude aus Travertin, welches einen kleinen Kreuzgang umschließt.


Im Erdgeschoß befinden sich 6 hohe Torbögen, die von toskanischen Säulen getragen werden, die stets im 45 Grad Winkel zueinander stehen.
Im ersten Stock befindet sich die gleiche Anzahl an Säulen, jedoch sind diese kürzer und schlanker.
Eine ähnliche optische Täuschung, wie im Palazzo Spada. :idea:​


Die Baluster sind birnenförmig ausgebuchtet, wobei die Bauchung abwechselnd nach oben und nach unten zeigt.
Durch die viele Bewegung in der Architektur achtet der Betrachter nicht mehr auf die Größe des Bauwerks.


Am Bodenbelag sieht man deutlich, daß kein Geld für teure Baumaterialien vorhanden war.
Dies war auch der Grund, weshalb sich der Bau der Kirche über mehr als 40 Jahre hinzog.

3. Kirchengebäude


Im elliptischen Kircheninneren überwiegt weißer Stuck.

Über dem Altar ein Gemälde mit Karl Borromäus und den Ordensgründern.


In der Mitte, direkt unter der elliptischen Kuppel, das ovale Wappen mit dem roten Kreuz der Trinitarier.
Auch hier Säulen, die den Raum rhythmisch gliedern.

Die Kuppel ist mit Sechseck-, Achteck- und Kreuzesformen kassertiert. Die Größe dieser geometrischen Formen nimmt nach oben hin ab und erzeugt auch hier perspektifische Tiefe.


Große Fenster erzeugen zusammen mit der weißen Farbe eine - für eine Barockkirche - ungewohnte Helligkeit.

4. Fassade mit Glockenturm
Die Fassade war beim Tod Borrominis noch unvollendet und wurde von seinem Neffen fertiggestellt.
Auch hier das typische Spiel mit konkaven und konvexen Flächen.


In der Mitte thront der Kirchenpatron unter der Widmungsinschrift:
"Zu Ehren der heiligsten Dreifaltigkeit und des heiligen Karl 1667"
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann wohl davon ausgehen, daß Borromini eine besondere Beziehung zum Kirchenpatron Karl Borromäus hatte.
Er hat in jugendlichem Alter im Mailänder Dom gearbeitet,
in dem sich dessen Grabmal befindet.


Vielleicht hat er sogar den Künstlernamen "Borromini" aus Verehrung angenommen und dafür seinen Geburtsnamen Castelli abgelegt.

Mein Weg führt mich nun zum Höhepunkt dieses Wochenendes, der großen Caravaggio-Ausstellung in der Scuderie del Quirinale.


Da das Fotografieren nicht gestattet war, beschreibe ich nur zwei der Gemälde, die ich - erlaubtermaßen - an ihren regulären Ausstellungsorten abgelichtet habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Amor als Sieger

Amor als Sieger
Der Originaltitel des Bildes ist "Amor vincit Omnia".
Dabei handelt es sich um ein verdrehtes Zitat aus Vergils Eklogen.


Geschichte
Das Gemälde entstand 1602 für Vincenzo Giustiniani.
Dieser sah es als Höhepunkt seiner Sammlung und verbarg es hinter einem Vorhang, was der Präsentation Spannung bescherte.
Das Vergil-Zitat war zu jener Zeit eine populäre Redensart und wurde auch von Annibale Carracci im Palazzo Farnese umgesetzt.
Das Bild war Teil der Sammlung Giustiniani in Rom.
1815 erstand Kaiser Wilhelm III. daraus 157 Gemälde, die später den Grundstock für die Berliner Gemäldegalerie bildeten. Seit 1998 befindet sich der Amor in der Berliner Gemäldegalerie am Kulturforum.

Beschreibung
Auf dem Boden liegen - als Zeichen irdischer Nichtigkeiten - kaputte Musikinstrumente, ein Buch mit Federkiel und Dichterlorbeer, Krone mit Szepter und Rüstungsteile.
Fast verdeckt von Amor ist ein Himmelsglobus, der mit Sternen aus Blattgold verziert ist (sehr selten bei Caravaggio!). Die linke Hand ist hinter dem Körper verborgen.

Deutung
Alles Irdische ist nichtig und dem himmlischen Amor unterworfen.
Das heitere Desinteresse des Amor zeigt die edle Verachtung des Adels für Statussymbole.
Aus der Positionierung von linker Hand und Globus konnte man schließen, daß Amor dort gerade seine Notdurft verrichten würde. Eine damals übliche Form der Schmähung.
Goldene Sterne waren auch Teil des Wappens von Papst Klemens VIII., durch dessen hohe Verschuldung sein Bankier Giustiniani viel Geld verlor.
 
Johannes der Täufer ?


Viele Motive malte Caravaggio in verschiedenen Varianten.
Das am häufigsten von ihm verwande Motiv ist
Johannes der Täufer bzw. Giovanni Battista.

Das obige Gemälde wurde vom Barock-Kenner Denis Mahon in den fünfziger Jahren im Büro des römischen Bürgermeisters wiederentdeckt und kann seither in den Kapitolinischen Museen bewundert werden.
Mahon kann in 2 Wochen seinen 100. Geburtstag feiern! :thumbup:​

Das Gemälde wurde im Auftrag von Ciriaco Mattei gefertigt.
Sein Sohn hieß Giovanni Battista und war von Sternzeichen Widder.

Dies kann natürlich der Grund für die Motiv-Wahl und den Widder sein, das Gemälde ist aber immer noch in der fachlichen Diskussion.

Es gibt auch heute noch offene Fragen:

:arrow: Könnte es auch der errettete Isaak sein?
:arrow:Könnte es ein Hirte sein?

:arrow: Weshalb ist das einzige Johannes-Attribut der rote Mantel?
:arrow: Weshalb der Widder und nicht das Lamm?

:arrow: Ist die Ähnlichkeit mit Michelangelos Ignudi in der Sixtina Ausdruck der Bewunderung oder der Ironie?

Zum Vertiefen der folgende Link:


Neben dem Gemälde befindet sich in den KM ein zweiter Caravaggio

 
Neben dem Gemälde befindet sich in den KM ein zweiter Caravaggio



... mit dem Titel "Die Wahrsagerin", glaube ich zumindest.

Gruß Ludovico

Ja, oder auch:
Handlesende Zigeunerin

Wenn man genau hinsieht, dann erkennt man,
wie sie ihm dabei den Ring vom Finger zieht! :~ :~ :~



Eine Variante des Gemäldes befindet sich im Pariser Louvre.
 
Zum Abschied von Caravaggio einige Buchtipps

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Der Einband des Buches ohne Abbildung scheint extra für mich zu sein

:twisted: :twisted: :twisted:

Der Knick ist nicht von mir!
 
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