Auf den Spuren von Michelangelo und Raffael im Rom und Umbrien der Renaissance


Als Familienkirche der della Rovere gibt es noch eine Verbindung zu Raffael, das Porträt von Julius II. - wohl das berühmtesten Papst-Porträt aller Zeiten.​


... welches einen Papst sitzend darstellt, noch dazu im Halbprofil. Frontale Ansichten von thronenden Herrschern hatten lange Zeit als Sinnbild der Souverinität gedient. Der Betrachter fühlt sich als Besucher einer Privataudienz, natürlich stehend! Die Kopfbedeckung ist nicht die prächtige Tiara, sondern der schlichte Camauro. Der Papst wirkt zwar alt, aber weise, kraftvoll, aristokratisch und nachdenklich. In der Mittellinie befinden sich sowohl der Kopf des Papstes als auch sein Tüchlein. Den Betrachter schreckte wohl die Kombination von Vertrautheit und Zeremonie, gepaart mit Raffaels Kunst, den Papst so lebensnah darzustellen. Die Stuhllehnen enden in zwei überdimensionierten Eicheln aus dem Familienwappen. Von dem Gemälde gibt es mehrere Kopien, da auf dem Londoner Bild goldene Bemalungen der Tapisserie (die Schlüssel des Petrus) grün - also weit weniger wertvoll - übermalt wurden, gilt es allgemein als das Original. Vasari schreibt 1550, also 30 Jahre nach dem Tod Raffaels: "Es sei von solcher Lebensnähe und Wahrhaftigkeit, dass es einem vor dem Bild so unheimlich zumute wird, als sei es der Lebendige selbst". Nach dem Tod des Papstes wurde das Porträt ... in der Kirche Santa Maria del Popolo ausgestellt, allerdings für das gemeine Volk nur an hohen Feiertagen zu sehen.​

Liebe dentaria,
mit Interesse habe ich Deine Ausführungen zum Bildnis "Julius II." von Raffael gelesen. Vor einigen Tagen stand ich vor dem dritten dieser (Orginal-)Porträts und habe in einer sehr interessanten Erklärung dazu u.a. auch das gehört, was Du so gut beschrieben hast. Im Städel (s. auch hier) geht man davon aus, dass es ein Original und keine Kopie ist (es sind noch weitere Untersuchungen in Gange), denn Verschiedenes deutet darauf hin, dass Raffael an dem hiesigen Porträt gemalt hat, z.B. das Gold der Eicheln der Stuhllehnen ist richtig eingearbeitet nicht nur "darauf gemalt", es gibt Unterzeichnungen bei der Handstellung und auch die Mundpartie wurde verändert. Ich fand das alles sehr spannend und freue mich auf die "Vergleichsausstellung" Ende des Jahres.

Die Provenienz vor 1905 und vor allem der Vergleich mit den bislang bekannten Bildnisfassungen in London und Florenz werden vom November 2012 bis Februar 2013 unter dem Titel „Raffael und das Bildnis Julius’ II. Bildpropaganda eines Renaissance-Papstes“ Gegenstand einer eigenen Ausstellung im Städel sein.
Kleine Anekdoten flossen bei der Bilderklärung natürlich auch ein, z.B. dass Julius II. Raffael sehr :)~ mehr als schicklich 8O) zugetan gewesen wäre... oder dass auch der Rahmen des Bildes (der sehr schön ist und prächtig zum Bild passt) ein Original ist: Sansovino (der "Anna Selbdritt" in S. Agostino geschaffen hat) hat ihn zeitgleich mit der Entstehung des Porträts gemacht... Ellermann - aus dessen Sammlung beides kommt - wird in "Fachkreisen" bereits "das Trüffelschwein" :] genannt...

Es ist schon sehr interessant was so alles hinter einem Bild "steckt".
Dir auch noch ein Dankeschön für Deine fundierten Berichte. Und: Du Glückliche, dass Du bald wieder in Rom auf weitere Spurensuche gehen kannst :nod:
Liebe Grüße
Pasquetta
 
.

VIELEN DANK

:thumbup:
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:thumbup:
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:thumbup:

für die Fortsetzung​
 
Liebe Pasquetta,

ganz herzlichen Dank für Deine Anmerkungen. Die Vergleichsausstellung im Städel werde ich mir auf keinen Fall entgehen lasse. :nod:
Über den Rahmen des Londoner Julius habe ich leider keinerlei Informationen gefunden, er gefällt mir aber sehr gut.

Liebe Grüße
dentaria​
 

Als Familienkirche der della Rovere gibt es noch eine Verbindung zu Raffael, das Porträt von Julius II. - wohl das berühmtesten Papst-Porträt aller Zeiten.​


... welches einen Papst sitzend darstellt, noch dazu im Halbprofil. Frontale Ansichten von thronenden Herrschern hatten lange Zeit als Sinnbild der Souverinität gedient. Der Betrachter fühlt sich als Besucher einer Privataudienz, natürlich stehend! Die Kopfbedeckung ist nicht die prächtige Tiara, sondern der schlichte Camauro. Der Papst wirkt zwar alt, aber weise, kraftvoll, aristokratisch und nachdenklich. In der Mittellinie befinden sich sowohl der Kopf des Papstes als auch sein Tüchlein. Den Betrachter schreckte wohl die Kombination von Vertrautheit und Zeremonie, gepaart mit Raffaels Kunst, den Papst so lebensnah darzustellen. Die Stuhllehnen enden in zwei überdimensionierten Eicheln aus dem Familienwappen. Von dem Gemälde gibt es mehrere Kopien, da auf dem Londoner Bild goldene Bemalungen der Tapisserie (die Schlüssel des Petrus) grün - also weit weniger wertvoll - übermalt wurden, gilt es allgemein als das Original. Vasari schreibt 1550, also 30 Jahre nach dem Tod Raffaels: "Es sei von solcher Lebensnähe und Wahrhaftigkeit, dass es einem vor dem Bild so unheimlich zumute wird, als sei es der Lebendige selbst". Nach dem Tod des Papstes wurde das Porträt ... in der Kirche Santa Maria del Popolo ausgestellt, allerdings für das gemeine Volk nur an hohen Feiertagen zu sehen.​

Liebe dentaria,
mit Interesse habe ich Deine Ausführungen zum Bildnis "Julius II." von Raffael gelesen. Vor einigen Tagen stand ich vor dem dritten dieser (Orginal-)Porträts und habe in einer sehr interessanten Erklärung dazu u.a. auch das gehört, was Du so gut beschrieben hast. Im Städel (s. auch hier) geht man davon aus, dass es ein Original und keine Kopie ist (es sind noch weitere Untersuchungen in Gange), denn Verschiedenes deutet darauf hin, dass Raffael an dem hiesigen Porträt gemalt hat, z.B. das Gold der Eicheln der Stuhllehnen ist richtig eingearbeitet nicht nur "darauf gemalt", es gibt Unterzeichnungen bei der Handstellung und auch die Mundpartie wurde verändert. Ich fand das alles sehr spannend und freue mich auf die "Vergleichsausstellung" Ende des Jahres.

Die Provenienz vor 1905 und vor allem der Vergleich mit den bislang bekannten Bildnisfassungen in London und Florenz werden vom November 2012 bis Februar 2013 unter dem Titel „Raffael und das Bildnis Julius’ II. Bildpropaganda eines Renaissance-Papstes“ Gegenstand einer eigenen Ausstellung im Städel sein.
Kleine Anekdoten flossen bei der Bilderklärung natürlich auch ein, z.B. dass Julius II. Raffael sehr :)~ mehr als schicklich 8O) zugetan gewesen wäre... oder dass auch der Rahmen des Bildes (der sehr schön ist und prächtig zum Bild passt) ein Original ist: Sansovino (der "Anna Selbdritt" in S. Agostino geschaffen hat) hat ihn zeitgleich mit der Entstehung des Porträts gemacht... Ellermann - aus dessen Sammlung beides kommt - wird in "Fachkreisen" bereits "das Trüffelschwein" :] genannt...

Es ist schon sehr interessant was so alles hinter einem Bild "steckt".
Dir auch noch ein Dankeschön für Deine fundierten Berichte. Und: Du Glückliche, dass Du bald wieder in Rom auf weitere Spurensuche gehen kannst :nod:
Liebe Grüße
Pasquetta


oder hier, wenn ich darf:
(eins meiner mal gelungenen Aufnahmen aus dem Städel)






 
Liebe Annie, vielen Dank für dieses wirklich gelungene Foto!

Ist des Bilderrahmen nicht etwas zu lieblich für den Papa terribile?
Wie gerne wäre ich nun Expertin und könnte an den Diskussionen teilnehmen!


Der lässt ihn halt etwas weniger schrecklich erscheinen 8)
 
Ist des Bilderrahmen nicht etwas zu lieblich für den Papa terribile?
Wie gerne wäre ich nun Expertin und könnte an den Diskussionen teilnehmen!


Der lässt ihn halt etwas weniger schrecklich erscheinen 8)

Ich würde eher meinen, Raffael hat hier (1511/12) nicht den "Papa terribile" dargestellt, sondern einen müden alten Mann/Kirchenfürsten (gest. 1513), der als
weise, kraftvoll, aristokratisch und nachdenklich
bei der römischen Bevölkerung durch die Schau-Porträts in Erinnerung bleiben wollte.
 
Ist des Bilderrahmen nicht etwas zu lieblich für den "Papa terribile"?
Wie gerne wäre ich nun Expertin und könnte an den Diskussionen teilnehmen!​

Der lässt ihn halt etwas weniger schrecklich erscheinen 8)

Ich würde eher meinen, Raffael hat hier (1511/12) nicht den "Papa terribile" dargestellt, sondern einen müden alten Mann/Kirchenfürsten (gest. 1513), der als
weise, kraftvoll, aristokratisch und nachdenklich
bei der römischen Bevölkerung durch die Schau-Porträts in Erinnerung bleiben wollte.

Da stimme ich Dir voll zu, aber die Blümchen im Rahmen irritieren mich - Eicheln oder Eichenblätter wären logischer in der Zeit der Familienpolitik der Päpste der Renaissance.​
 
Da stimme ich Dir voll zu, aber die Blümchen im Rahmen irritieren mich - Eicheln oder Eichenblätter wären logischer in der Zeit der Familienpolitik der Päpste der Renaissance.​

Der "Ffm;)-Rahmen" ist ja auch nicht für das "della Rovere"-Papst-Familienemblem :roll: gemacht worden, nur eben zeitgleich zur Entstehung des Raffael-Gemäldes entstanden. :)
 
Da stimme ich Dir voll zu, aber die Blümchen im Rahmen irritieren mich - Eicheln oder Eichenblätter wären logischer in der Zeit der Familienpolitik der Päpste der Renaissance.​

Der "Ffm;)-Rahmen" ist ja auch nicht für das "della Rovere"-Papst-Familienemblem :roll: gemacht worden, nur eben zeitgleich zur Entstehung des Raffael-Gemäldes entstanden. :)

Oh, das hatte ich falsch verstanden! :blush:

Dann ergibt es wieder einen Sinn!​
 
Von Santa Maria del Popolo laufe ich über den Pincio und durch die Villa Borghese zur Galleria Borghese.





Raffael in der Galleria Borghese


Anders als bei den anderen großen Kunstsammlungen Roms, wurde dieses Casino von Anfang an nur für die Ausstellung der Kunstwerke gebaut und nicht zu Wohnzwecken. Der Bau wurde von Kardinal Scipione Caffarelli Borghese, dem Neffen Papst Pauls V., in Auftrag gegeben und durch Flamino Ponzio und Giovanni Vasanzio von 1613 bis 1615 errichtet. Zunächst diente das Casino nur der Ausstellung der antiken Skulpturen, später auch der Gemälde und zeitgenössischer Marmorarbeiten, besonders von Gianlorenzo Bernini. Leider mußte die Familie im Jahr 1807 viele Skulpturen auf Druck Napoleons an Frankreich verkaufen. Es waren erst kürzlich viele dieser Skulpturen leihweise für eine Ausstellung in die Galleria Borghese zurückgekehrt. Seit Dezember 1901 ist die Galleria Borghese im Besitz des Staates, der Park dagegen gehört der Stadt Rom. Das Casino mit seinen beiden Türmen, der Porticusanlage und dem großen Eingangssaal erinnert an die suburbanen römischen Villen des 16. Jahrhunderts, besonders an die Villa Farnesina. Die zweirampige Außentreppe scheint Michelangelos Treppe auf dem Kapitol nachempfunden.​

Die Grablegung
Dieses Gemälde habe ich schon weiter vorne erläutert und setze es hier nochmal als Duplikat.



Auftraggeberin dieses 1507 vollendeten Gemäldes war Atalanta Baglioni.
Es sollte an den Tod ihres Sohnes Grifonetto erinnern, der Opfer einer Familienfehde
bei der Bluthochzeit am 14. Juli 1500 wurde. Das beste Motiv um den Schmerz der Mutter dazustellen war die Grablegung.
Aufgestellt wurde das Bild in der Familienkapelle in San Francesco in Prato.
Die aktivste und attrakivste Figur ist der Mann - mit den vom Wind verwehten Haaren - im Zentrum. Die dargestellte Anstrengung des Mannes betont die Körperlichkeit des Leichnams Christi.
Die Jungfrau Maria sinkt schmerzerfüllt in die Arme einer jungen Frau mit kunstvoller Frisur. Diese soll wohl die Schwiegertochter darstellen und hat die gleiche Körperdrehung wie Michelangelos Maria im Tondo Doni. Dies kann durchaus als Hommage an Michelangelo gedeutet werden.
Die Mimik der Figuren wirkt ausdrucksvollaber nicht theatralisch. Die Figuren haben genügend Bewegungsfreiheit und haben dadurch die Starre früherer Zeiten verloren.
Der Leichnam hat eine fahle Farbe, die durch das rosa Lendentuch noch verstärkt wird. Die roten Kleidungsstücke der umgebenden Personen rücken Christus in den Mittelpunkt. Die Figur hinter ihm hat den gleichen Gesichtsausdruck und auch die gleiche Kopf- und Schulterhaltung. Dies bewirkt eine Verdopplung des Schmerzes.


Das Gemälde wurde sehr berühmt und veranlaßte den Kunstsammler und Papstnepoten Scipione Borghese dazu, dieses Gemälde zu entwenden und in seine Sammlung aufzunehmen.

Zu sehen ist es daher heute in der Galleria Borghese.


Im selben Raum befindet sich Raffaels
Dame mit Einhorn 1506


Dieses Gemälde wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts dramatisch verändert: Das Einhorn wurde übermalt und der Dame ein zerbrochenes Rad in die Hand gegeben. So hatte man flugs eine heilige Katharina von Alexandria geschaffen! Erst 1935 wurde von dem großen Kunsthistoriker Roberto Longhi der Originalzustand wieder hergestellt. Das Einhorn war in der Renaissance das Zeichen für die Keuschheit. Die Ähnlichkeit mit Leonardos "Mona Lisa" was Haltung, Bildausschnitt und landschaftlichen Hintergrund betrifft, liegt sicherlich an dem großen Eindruck, den die Werke da Vincis auf den jungen Raffael in Florenz ausübten. Lediglich der ernste und distanzierte Gesichtsausdruck steht im Gegensatz zur "Mona Lisa".​

Kleine Bemerkung am Rande: Der Borghese-Papst Paul V. bekam wegen seines Brunnen auf dem Gianicolo den Namen "Fontefice Massimo".

Edit vom 2.9.2014

Im gleichen Raum befinden sich nun diese Gemälde. die Kopien sind und über den Türen hängen


Ein Portrait von Julius II.

und


La Fornarina​
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke Ute für diese interessante Bildbeschreibung, die ich in großen Teilen nachvollziehen kann. Der kräftige Mann in der Mitte wirkt auf mich als wolle er ein Gegengewicht zu den Männern auf der anderen Seite darstellen. Für mich sieht es etwas nach Tauziehen aus.
Auch lenken mich die roten Farbtupfer eher vom Leichnam ab. Verbindet man gedanklich die Farbtupfer mit einer Linie, so ergibt sich ein spannender Kontrapunkt zum blassen Leichnam.

So weit meine Gedanken zu diesem Meisterwerk.
 
Vielen Dank Ludovico für die ergänzenden Gedanken.​

Der kräftige Mann in der Mitte wirkt auf mich als wolle er ein Gegengewicht zu den Männern auf der anderen Seite darstellen. Für mich sieht es etwas nach Tauziehen aus.

Ja, in weniger kraftvoller Weise hat dies 7 Jahre vorher Michelangelo dargestellt - leider aber nicht vollendet.

 
Über die Via Veneto komme ich zum nächsten Werk Raffaels im​

Palazzo Barberini


Dieser Palast des Hochbarock wurde ab 1625 unter Carlo Maderno begonnen und unter Bernini fertiggestellt. Auch Borromini arbeitete hier, denn, oftmals waren die Konkurrenten am gleichen Projekt tätig. Diesem Thema werde ich mich bei der nächsten Reise widmen. Der einstige Familiensitz der Familie des Barberini-Papstes Urban VIII. ist heute im Besitz des Staates und beherbergt die Galleria Nazionale d’Arte Antica, eine wunderschöne Gemäldesammlung. Aber die Barberini-Binien sind noch stets präsent.​


Das Treppenhaus Borrominis



Das Treppenhaus Berninis



Leider ist die Gartenseite bei weitem nicht so gepflegt wie die Schaufront​




Im Inneren wird man von einem prächtigen Fresko von Pietro da Cortona empfangen und natürlich von Raffaels​

La Fornarina


Dieses Bildnis entstand 1518/19.
Eine junge Frau sitzt in der Dämmerung vor einem Myrtenstrauch.
Die Frau ist halbnackt und bedeckt ihre Blöße mit einem durchsichtigen Schleier, der die Nacktheit mehr betont als kaschiert.
Am linken Arm befindet sichein Band mit dem Schriftzug: "Raphael Urbinas" - mehr Besitzanzeige als Signatur!​

An Details der Farbgebung erkennt man, dass das Gemälde bei seinem Tod noch unvollendet war.
Das leicht gebräunte Gesicht lebt vom Wechsel von hell und dunkel.​

Im 16. Jahrhundert wurde das Gemälde oft kopiert, aber niemandem gelang es, die Sinnlichkeit des Originals nachzuahmen!​
 
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