Von der Pinakothek laufe ich nun in Richtung der Stanzen des Raffael.
Leider ist der Kunstgenuß durch die Menschenmassen doch stark beeinträchtigt.
Die Stanzen des Raffael
Auch für die Ausmalung dieser Räume vergab Julius II. den Auftrag. Es war ihm zutiefst zuwieder, in den Räumen des von ihm so verhassten Alexander VI. zu residieren. Daher ließ er Bramante Gemächer im 2. Stock wieder herrichten und beauftragte erfahrene Maler mit der Ausschmückung: Sodoma, Lorenzo Lotto, Peruzzi, Perugino, Luca Signorelli und andere. Inhalt der Fresken sollte sein,
den Papst und die Kirche zu feiern und dabei das Beste der antiken Philosophie mit dem christlichen Gedankengut zu verbinden. Julius II. hat als erster Papst der Moderne die Bedeutung der Bildpropaganda erkannt und genutzt. Die Künstler begannen Mitte des Jahres 1508 mit ihrer Arbeit, Ende des Jahres stieß auch noch Raffael dazu, während Michelangelo in der Sixtina tätig war. So begann in den Stanzen ein Wettbewerb, den Julius II. ganz bewußt als solchen geplant hatte, um jeden der Künstler zur Höchstleistung anzuspornen, wobei Raffael derjenige mit der geringsten Erfahrung in der Fresko-Technik war. Und doch war es Raffaels Werk "Disputa", welches mit Abstand den Vorstellung des Papstes am meisten entsprach und so ließ er die Werke der anderen Künstler wieder
zerstören - lediglich Teile der Gewölbe von Sodoma und Perugino blieben erhalten - und gab Raffael den Alleinauftrag für die Ausmalung der Stanzen. Oft ist natürlich der Auftraggeber dargestellt, gut zu erkennen an dem Bart, den er sich als erster Papst wachsen ließ - er wollte sich erst wieder rasieren, wenn die Franzosen den Kirchenstaat verlassen hätten. Nach dem Tod von Julius II. und der Wahl des Medici-Papstes Leo X. verlangte dieser von Raffael, ebenfalls in den Fresken der Stanzen verewigt zu werden.
Sala di Costantino
Dieser größte Raum der Stanzen wurde für Empfänge und offizielle Zeremonien genutzt, hier traf der Papst auf die externe Welt. Die Fresken wurden unter Leo X. und Clemens VII. in Auftrag gegeben
und zeigen den Sieg des Christentums und die Ansiedelung der Kirche in Rom. Raffael erlebte nur noch das erste Jahr der Ausmalungen, dann ging der Auftrag an Giulio Romano und Francesco Penni aus Raffaels Werkstatt über. Das Gewölbe wurde erst deutlich später unter Papst Gregor XIII. ausgeführt.
Die Taufe Konstantins
Das Ereignis wurde ins Baptisterium des Lateran verlegt und der Papst zeigt die Gesichtszüge des amtierenden Medici-Papstes Clemens VII.
Die Schlacht an der Milvischen Brücke
Der Sieg von Konstantin dem Großen über Maxentius.
Die Erscheinung des Kreuzes
Dem Kaiser erscheint das Kreuzeszeichen am Abend vor der großen Schlacht. Daher läßt er das Kreuzeszeichen auf die Schilde malen und gewinnt die Schlacht.
Die Konstantinische Schenkung
Die Darstellung der Schenkung der weltlichen Macht von Konstantin an Papst Silverster. Diese Schenkungurkunde wurde allerdings bereits fast 100 Jahre vorher als Fälschung entlarvt.
Stanza d`Eliodoro
Man nimmt an, dass Raffael mit diesen Fresken Ende 1511 begann und dabei durchaus auch Elemente der Formensprache Michelangelos übernommen hat. Dieser Audienzsaal hat das Thema der Verteidigung der Kirche durch Gott.
Die Begegnung Leos des Großen mit Attila
Dieses Fresko wurde unter Julius II. begonnen, aber unter Leo X. fertiggestellt. Daher ist er doppelt dargestellt, als Papst und als Kardinal. Die Begegnung ist von Mantua nach Rom verlegt worden, was man an den Bauwerken im Hintergrund erkennen kann. Der Legende nach entschloß sich Attila wegen der Vision der bewaffneten Petrus und Paulus zur Umkehr, die schwebend über der Szene dargestellt sind. Parallelen sind hier im Abzug der Franzosen 1512 zu sehen. Fazit ist, die Kirche sorgt für Ordnung, egal ob unter Leo I. oder Leo X.
Die Messe von Bolsena
Dieses Wunder - ein blutende Hostie - ereignete sich 1263 und war der Grund für den Dombau in Orvieto. Auch hier ist natürlich Julius II. als Augenzeuge dabei. Rechts unten sind Soldaten der Schweizer Garde mit stolzen und entschlossenen Mienen dargestellt.
Die Vertreibung des Heliodor aus dem Tempel
Hier hält sich Raffael sehr genau an die Schilderungen im Buch der Makkabäer. Heliodor sollte den Tempelschatz in Jerusalem stehlen, wird aber überrascht und vertrieben. Die Anwesendheit des
Papstes soll eine Warnung an Plünderer des Kirchenstaates verbildlichen. Unterhalb des Freskos befindet sich eine Kritzelei aus der Zeit des Sacco di Roma - eine Antwort auf die Warnung? Das Pferd könnte den Skizzen Leonardos für die Schlacht von Anghiari nachempfunden sein.
Die Befreiung Petri
Der lichtbringende Engel befreit Petrus und führt ihn aus dem Kerker. Dieses Freko wird beherrscht von einer wunderbaren Hell-Dunkel-Ausmalung, die später von Rembradt und Caravaggio perfektioniert
wird.
Stanza della Segnatura
In diesem Raum begann Raffael im Spätsommer 1508 mit den Ausmalungen. Hier war die private Bibliothek von Julius II. geplant, mit Büchern zu den vier Themen, die der Papst für die Fresken vorgab: Theologie, Philosophie, Poesie und Recht. Diese vier Gebiete werden an der Decke als weibliche Personifikationen vorgestellt. Dazu korrespondieren die Fresken an den Wänden, in denen berühmte Menschen dargestellt werden, die im jeweiligen Fachbereich erfolgreich waren. Dieses Programm war Raffael vorgegeben.
Disputa
Dieses Fresko war Raffaels erste Arbeit im Vatikan und soll den Glauben verdeutlichen, der nicht mit Vernunft begreifbar ist, sondern dem Menschen in Gestalt der Hostie erscheint. In der Mitte die
Dreifaltigkeit: Von oben nach unten zunächst Gott, darunter Jesus mit Maria und Johannes dem Täufer dann der Heilige Geist und darunter die Hostie als Hinweis auf die Fleischwerdung Christi. Über
den Wolken die triumphierende Kirche mit Heiligen und Erzvätern (z.B. Adam), darunter die kämpfende Kirche mit den Kirchenlehrern und weiteren Theologen (z.B. Savonarola und Dante).
Im Hintergrund erkannt man eine Baustelle, das ist ein Hinweis auf den neuen Petersdom.
Die Schule von Athen
Die Botschaft des Freskos soll sein, dass Wissen die erste Pflicht des Menschen ist, also die irdische Wahrheit. Die großen Denker der Weltgeschichte sind hier versammelt, teilweise mit den
Gesichtszügen eines zeitgenössischen Malers. An seine Seite stellt Raffael den Maler Sodoma, dessen Fresken die Decke des Raumes zieren. Die Architektur, in der sich die Philosophen aufhalten ist, ist
wiederum eine Mischung aus Antike und den Entwürfen Bramantes für den neuen Petersdom (Julius II. sah sich ja gerne als Nachfolger der Römischen Kaiser). Im Zentrum stehen Platon - er hebt den
Arm nach oben, zum Universum der Ideen - und Aristoteles - er zeigt nach unten, um die Bestätigung der Ideen durch Experimente anzuzeigen. Als einsamer Denker die Figur des Heraklit,
wahrscheinlich mit den Zügen Michelangelos. Diese Figur wurde nachweislich später eingefügt - eine Hommage an den großen Meister der Sixtina?
Auf dem Karton zu dem Fresko fehlt die Figur des Michelangelo noch.
Der Parnaß
Um die Zeit auf Erden zu verbringen braucht der Mensch auch die Pracht, dargestellt durch den Berg Parnass des Apollon. Dieser spielt auf der Lyra, umgeben von den Musen und den großen Dichtern
(z.B. Dante und Homer). Hier soll vermittelt werden, dass die Kunst der Schatten Gottes auf der Erde ist.
Die Gerechtigkeit
Der Mensch benötigt aber auch die Sicherheit der Gesetze, die allerdings von den drei Kardinaltugenden - Tapferkeit, Weisheit, Mäßigung - und den christlichen Tugenden - Glaube, Liebe, Hoffnun
geleitet sein müssen. Erstere werden von schönen Fauen, letztere von Amoretten dargestellt. Die Tapferkeit hält sich an der della-Rovere-Eiche fest, also an Papst Julius II. Darunter die Übergabe von bürgerlichem Recht an Kaiser Justitian und kanonischem Recht an Papst Gregor IX. ( natürlich wieder mit den Gesichtszügen von Julius II.). Ebenfalls dargestellt sind die späteren Päpste Leo X. und Paul III. als Kardinäle.
Stanza dell´Incendio di Borgo
Dieser Raum wurde von Sommer 1514 bis März 1517 ausgemalt und diente unter Leo X. als Eßzimmer und zum Empfang. Davor war er Gerichtsitz, wovon die Deckenfresken von Perugino zeugen. Verherrlicht wird Leo X. durch Szenen aus dem Leben zweier Namensvorgänger: Leo III. und Leo IV. Die Ausführung erfolgte in erste Linie durch Raffaels Werkstatt.
Die Krönung Karls des Großen
Dargestellt ist die Weihnachsnacht im Jahre 800, in der Leo III. (natürlich mit den Gesichtszügen Leos X.) den Kaiser krönt. Die Krönungsdarstellung verweist auf den Friedensschluß zwischen dem Vatikan und Frankreich 1515.
Der Borgobrand
Der Legende nach hat Papst Leo IV. im Jahr 847 einen Brand im Borgo Santo Spirito nur durch das Kreuzeszeichen gelöscht. Er zeigt sich auf der Benediktionsloggia des alten Petersdoms, die zur Zeit der Entstehung des Freskos noch stand. Eingegliedert in das Geschehen ist auch Aeneas, der seinen Vater aus dem brennenden Troja rettet. Vermittelt soll werden, dass Leo X. als Papst die Feuer der Kriege löschen wird.
Die Seeschlacht von Ostia
Im Jahr 849 gelang es den päpstlichen Truppen unter Papst Leo IV. einfallende Sarazenen an der Tibermündung zu besiegen. 1524 sollten die Türken vor Wien stehen, aber dies erlebten weder Leo X.
noch Raffael.
Die Rechtfertigung Leos III.
Nur einen Tag vor der Krönung Karls des Großen legt Leo III. einen Eid ab, um Verleumdungen entgegen zu treten.