Italien: Auf dem Weg zur 70. Nachkriegsregierung

Ein Beitrag von Phoenix mit Hintergrund und Zusammenfassung der Situation in Italien vor der Wahl.

(Der Beitrag ist bis 27.8.2024 abrufbar; bis dahin werden wir dann schon wissen, wie es mit Italien in/und Europa weitergegangen ist.)
 
Sendetermin So., 04.09.22 | 18:30 Uhr - ARD Weltspiegel

(Meistens sind die einzelnen Beiträge nach Ausstrahlung auch in der Mediathek abrufbar.)
 
Vermutlich bin wohl nicht nur ich allein der Ansicht, dass besagter Rechtsruck wohl kaum noch zu verhindern sein dürfte.
 
Weitere Zitate aus dem verlinkten Artikel:
Italien hat sich in den letzten 15 Jahren in heftige Liebschaften gestürzt. Italien hat sich plötzlich in Silvio Berlusconi verliebt, dann in Matteo Renzi, später in Matteo Salvini, und zuletzt in die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S). Alle diese Liebschaften haben nicht funktioniert.
Wobei ja Letta selbst Ministerpräsident war vor seinem "Parteifreund" Renzi - der, damals Bürgermeister von Florenz, ihn aus eigener Machtgier heraus eiskalt attackiert und abserviert hat, nach nur 10 Monaten Amtszeit. Ein mir unvergessener Vorgang ... ungefähr so, als würde heute Peter Tschentscher Olaf Scholz aus dem Kanzleramt kegeln.

Entsprechend steht ja zwischen Lettas Zeilen zu lesen: In ihn war Italien nicht verliebt.


Italien hat eine Krise nach der anderen erlebt. Das italienische Volk erlebte eine Deklassierung, es ging Stufe für Stufe abwärts. Es gab die Eurokrise, die Migrationskrise, die Pandemie, jetzt die Energiekrise, immer ging es abwärts. Für diesen Abstieg haben die Italiener der Politik die Schuld gegeben. Sie erlebten eine Desillusionierung. Und da machte sich die Idee breit: Wir haben alles versucht, dann können wir jetzt auch etwas vollkommen Neues versuchen. (...) Ich will mit der Logik brechen, dass man immer was radikal Neues versuchen muss. Wenn wir das auch dieses Mal tun, knallen wir gegen eine Wand.
Also bevor das geschieht ... dann vielleicht doch eher eine kleine Liebelei mit Enrico Letta versuchen? ;)
 
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demos, die von der Tageszeitung „La Repubblica“ veröffentlicht wurde, liegen die Fratelli d’Italia mit 24,6 Prozent der Stimmen voran. Die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) könnte es laut Umfrage auf 22,4 Prozent der Stimmen schaffen.
 

und

 
Italiens Wahlfavoritin warnt EU: "Der Spaß ist vorbei!"

Beitrag bei Zeit online

Bei einem Auftritt auf dem Domplatz von Mailand sagte die Parteichefin der rechtsextremen Fratelli d'Italia am Sonntagabend: «Es heißt, in Europa sei man ein bisschen besorgt wegen der Meloni. Was wohl mit der geschehen werde? Was passieren wird: Der Spaß ist vorbei! Auch Italien wird anfangen, seine nationalen Interessen zu verteidigen. So wie es die anderen machen auf der Suche nach gemeinsamen Lösungen.»
 

Zur TV-Debatte auch dies:

Der Moderator, "Corriere"-Chefredakteur Luciano Fontana, stellte – möglicherweise durch das zumindest ansatzweise konstruktive Diskussionsklima ermutigt – die Frage, ob es denn nach den Wahlen zu einer großen Koalition kommen könnte. Zur Antwort bekam Fontana das Gelächter Melonis zu hören: "Nein!" Und auch Letta sagte lächelnd: "Ich glaube, auf diese Frage brauchen wir nicht getrennt zu antworten. Nein, das wird nicht möglich sein."

 

Sozialdemokraten-Chef Enrico Letta forderte unmittelbar vor der Wahl am 25. September Transparenz. „In Italien muss es vor der Abstimmung Klarheit geben. Die Italiener sollten, bevor sie zur Wahl gehen, wissen, ob die politischen Parteien in diesem Land von einer Macht finanziert werden, die gegen Europa ist, nämlich von Russland“, so Letta im Interview mit dem TV-Kanal RAI3 gestern Abend.
 
Parlamentswahl in Italien: Die Möchtegernmutter der italienischen Nation

Giorgia Meloni, die Chefin der ultrarechten Fratelli d'Italia, könnte Ministerpräsidentin Italiens werden. Ihre Masche: eine Mischung aus Trump, Salvini und Le Pen.
Abgeguckt hat sich Meloni wohl auch einiges von der französischen Rechten Marine Le Pen, die im französischen Präsidentschaftswahlkampf ihre Rolle als Alleinerziehende in den Vordergrund gerückt hatte: Auf ihre Tochter geht Meloni nicht ein, verbindet aber ihr konservatives Frauenbild gleich mit Höherem. Am Ende ihres Vortrags betont sie, ein Land müsse man leiten, wie eine Mutter ihr Kind erzieht. Mit bedingungsloser Liebe, ohne etwas dafür zu erwarten.
Eine Analyse bei Zeit online von Almut Siefert, Mailand
 

Paolo Berizzi aber nimmt ihr das nicht ab. Seit Jahren erforscht der Reporter der Zeitung La Repubblica - wegen seiner Arbeit unter Polizeischutz - das Phänomen des Neofaschismus in Italien. Die Brüder Italiens seien immer noch von Anhängern des ehemaligen Diktators Mussolini unterwandert, sagt Berizzi. Er hält es für keinen Zufall, dass die trikolore Flamme, die in Italien gemeinhin als neofaschistisches Symbol gilt, zum Parteilogo erwählt wurde. Innerhalb der Partei gebe es "viele Beispiele, darunter führende Parteipersönlichkeiten, die eng mit der faschistischen Vergangenheit verbunden sind." Es gebe Abgeordnete und sogar Leute in Melonis innerem Zirkel, sagt Berizzi, die in sozialen Netzwerken immer wieder faschistische Parolen verwendeten.

und

 
Giuseppe Conte: "Italien könnte innerhalb Europas marginalisiert werden"

Mit mehr als 32 Prozent der Wählerstimmen ist die Fünf-Sterne-Bewegung 2018 als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen. Seitdem ist viel passiert: Der damals noch parteilose Giuseppe Conte wurde Ministerpräsident, hat Regierungen erst mit der Lega von Matteo Salvini und später mit dem sozialdemokratischen Partito Democratico angeführt. Die Bewegung zählte auch zur Regierungskoalition von Mario Draghi – bis Conte, nun Parteichef, diesen zu Fall brachte und damit die Neuwahlen am 25. September provozierte. Über den Aufstieg der rechtsnationalen Fratelli d'Italia und die Popularität ihrer Chefin Giorgia Meloni sei er "sehr besorgt", sagt Conte.

Das Interview bei Zeit online führte Ulrich Ladurner, Rom
 
Die leider mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Rechts-Regierung würde wohl auch auf den Kulturbetrieb durchschlagen:

Dario Franceschini wird voraussichtlich als Kulturminister abgelöst. Sollten die Wahlprognosen zutreffen, heißt die neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. (...) Auch für die italienische Kulturwelt würden dunkle Zeiten anbrechen. (...) Im Wahlprogramm des Parteibündnisses ist ihr nur ein kurzer Abschnitt gewidmet (Abschnitt Nr. 10, nach Infrastrukturen, Justiz, Steuern, Familie und Geburtenrate, Sicherheit und Einwanderung). Er trägt den Titel „Made in Italy, Kultur und Tourismus“ und liest sich, als hätten ihn Berater des Außen- und Wirtschaftsministeriums verfasst: Kultur erscheint darin vor allem als Lockmittel für den Fremdenverkehr, einem der wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes.
 

Artikel von Dominik Straub aus Mailand

und

... e sich am Sonntag der Anteil jener Wahlberechtigten, die nicht das Wahllokal aufsuchen, weiter erhöhen. Für diese „Flucht von der Wahlurne“ werden zwar viele verschiedene Gründe genannt, die für sich allein alle ihre Berechtigung haben, aber bisher wurde wenig unternommen, um dieses Phänomen „wissenschaftlich“ zu erklären.
 
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