Italien: Präsidentenwahl Ende Januar 2022 - Mattarella wiedergewählt


Es hört sich wie eine Erpressung an. Berlusconi telefoniert in diesen Tagen viel herum, er schenkt möglichen Wählern aus dem Wahlgremium von Senatoren, Abgeordneten und Delegierten aus den Regionen teure Gemälde, bietet wohl wieder Posten und Geld an. Es läuft "Operazione scoiattolo", Operation Eichhörnchen, und die Zeitungen schreiben darüber, als wäre das Kaufen von Stimmen ganz normal. Es ist verrückt, ein gefährliches Manöver, aufgeführt mit dem alten Grinsen - ein freakiger inchino. Es braucht nicht viel, und Italien erleidet wieder eine Havarie.
 
Auf dem Papier zählt der Rechtsblock etwa 450 der 1 008 Stimmen. Berlusconi hofft, zahlreiche freiflottierende Abgeordnete zu gewinnen, vorneweg aus dem Lager der mehr als 100, die seit 2018 aus der Fünf-Sterne-Fraktion austraten oder ausgeschlossen wurden. Ob diese Rechnung allerdings aufgeht, darf bezweifelt werden. Die Abstimmungen erfolgen geheim, und gerade Präsidentschaftswahlen gelten in Italien als Sternstunde der Heckenschützen.
 

Artikel von Dominik Straub am 15.1.2022

Niemand in Rom wagt eine Prognose über den Ausgang der Staatspräsidentenwahl. Fest steht bloß, dass die am Freitag versprochenen Stimmen des Rechtslagers allein nicht ausreichen werden: Um auf das geforderte Quorum von 505 Stimmen zu kommen und sich seinen Traum erfüllen zu können, müsste sich Berlusconi noch mindestens sechzig bis siebzig Stimmen der politischen Mitte, von Mitgliedern der Fünf-Sterne-Protestbewegung oder aus der Linken sichern. Er selbst ist überzeugt, dass ihm dies gelingen wird, sein Adjutant Sgarbi ist da etwas skeptischer und sagt, das werde "ein hartes Unterfangen".

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Artikel von Matthias Rüb am 15.1.2022

Das faktische Duell Berlusconi gegen Draghi um das Präsidentenamt belastet die Zusammenarbeit in der Koalition. Der Umstand, dass die in Draghis Kabinett vereinten Parteien in der wichtigen Personalfrage tief zerstritten sind, bedeutet faktisch das Ende der politischen Zusammenarbeit in der Einheitskoalition. Ob diese als eine Art Regierungsnotgemeinschaft bis 2023 im Amt bleiben könnte, sollte ein dritter Kandidat das Rennen um das höchste Staatsamt machen, ist ungewiss.
 

Nach der Einigung von Italiens Mitte-Rechts-Parteien auf Silvio Berlusconi (85) als Kandidaten für das Amt des Staatsoberhauptes hat Europa-Politiker Manfred Weber dessen Kandidatur befürwortet. "Als Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei unterstütze ich Berlusconi für die Präsidentschaft der Republik, weil er gezeigt hat, dass er das Bewusstsein hat, um das Amt zu bekleiden", sagte der CSU-Politiker der italienischen Zeitung "Corriere della Sera".
 


Die Kampagne des früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi für die Wahl zum Staatsoberhaupt kommt nach Angaben eines Vertrauten nicht voran. Berlusconi solle lieber seine Bewerbung zurückziehen, sagte der Abgeordnete Vittorio Sgarbi, der bei unentschlossenen Parlamentariern um Unterstützung für den 85-jährigen Berlusconi warb. Er selbst habe seine Bemühungen eingestellt, da sie sich als "eine verzweifelte Aufgabe" herausgestellt hätten, sagte Sgarbi. Dem staatlichen Sender RAI sagte er, Berlusconi suche nach einem ehrenvollen Ausweg. Dieser könne darin bestehen, den 80-jährigen Präsidenten Sergio Mattarella um eine weitere Amtszeit zu bitten.
 

„Wir werden in den nächsten Tagen Gespräche mit der Mitte-rechts-Allianz führen und zusammenarbeiten, um Italien einen prestigereichen Präsidenten zu sichern“, sagte Letta nach dem Treffen. Er sprach sich für den Verbleib Mario Draghis als Premier aus. „Die Parteien müssen Draghi schützen, denn er ist eine wesentliche Ressource für das Land“, so der sozialdemokratische Vorsitzende.
Für die ersten beiden Wahlgänge ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Danach genügt eine einfache Mehrheit. Die langwierigste Wahl war bisher jene von Giovanni Leone im Jahr 1971, bei der es 23 Wahlgänge gab.
 
Aus dem verlinkten Artikel:
Auch aus seinem Umfeld gibt es (...) keinen Hinweis, in welche Richtung sich der 74-Jährige bewegt: Will er Präsident werden – oder lieber Premier bleiben?
Wobei ich mir am ehesten vorstellen könnte: Draghi wird das Präsidenten-Amt bevorzugen. U.a. darum, weil es ihm größere Stabilität für seinen Lebensabend bieten dürfte.
Aber nun ja ... wir werden sehen.



Und warum um alles in der Welt bewirbt sich Politurgestein Silvio Berlusconi um das höchste Amt?
Na, warum wohl? Aufgrund chronischer Egomanie, würde ich sagen.
Was m.E. auch die Absicht einbeziehen dürfte, sein Image aufzupolieren. Und mir scheint, speziell dieser Gedanke habe gespukt auch im Hinterkopf des Artikel-Verfassers.
Nämlich als er unter Verzicht auf den Bindestrich (orthographisch nicht erforderlich - jedoch hätte sein Einsatz unfreiwilliger Komik vorgebeugt) die Formulierung "Politurgestein" wählte.
 
Die Erleichterung über diese Nachricht ist mit Sicherheit weit verbreitet, aber das hätte nicht sein müssen:

 

Auf dem höchsten Punkt der Sieben Hügel Roms hat Italiens Staatspräsident seine Residenz. Fast 300 Jahre lang war der Quirinals-Palast Verwaltungssitz der Päpste, bis König Viktor Emanuel II. ihn 1870 nach der Besetzung des Kirchenstaates requirierte. Mit den Lateran-Verträgen und erst recht nach Abschaffung der Monarchie 1946 hat sich das lange gestörte Verhältnis zwischen Italien und Vatikan entspannt. Symbol und Ausdruck der Harmonie ist auch das respektvolle, mitunter herzliche Verhältnis der italienischen Präsidenten mit dem Kirchenoberhaupt.

Sergio Mattarella (80), dessen siebenjähriges Mandat Anfang Februar ausläuft, ist der 12. Präsident Italiens. Mit dem fünf Jahre älteren Franziskus, dem siebten Nachkriegspapst im gerade drei Kilometer Luftlinie entfernten Apostolischen Palast, verbindet den praktizierenden Katholiken ein freundschaftliches Verhältnis. Beim Abschiedsbesuch kurz vor Weihnachten bestätigten beide noch mal die guten Beziehungen zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl.
 
Mit Video:

 
„Draghi und Mattarella sollen bleiben“, sagte Orfini im Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“ (Freitagsausgabe).
Mittlerweile jedoch dürfte er erkannt haben, jedenfalls in Bezug auf Mattarella die Lage unzutreffend eingeschätzt zu haben. Denn nun kann auch er nicht mehr bestreiten, was ich damals schon schrieb:
(...) meiner Ansicht nach wird man da bei Sergio Mattarella auf Granit beißen.
Und das ist m.E. sehr gut so.
 
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