Italien: Abgeordnetenkammer und Senat sollen verkleinert werden

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Dominik Straub aus Rom, Artikel vom 8.10.2019

Italien leistet sich eines der größten und teuersten Parlamente Europas: Die Abgeordnetenkammer zählt heute 630 Sitze, der Senat 315. Insgesamt beschäftigt das Land also allein auf nationaler Ebene 945 Berufspolitiker. Diese Zahl soll nun auf 600 reduziert werden: Der Abgeordnetenkammer sollen künftig noch 400 "Onorevoli" ("Ehrenwerte") angehören, dem Senat noch 200 Senatorinnen und Senatoren.
 
Aus dem verlinkten Artikel:
Angesichts der stolzen Löhne, die sich die Parlamentarier genehmigen, werden mit der Parlamentsverkleinerung rund 100 Millionen Euro jährlich an Steuergeldern eingespart.
Nun, das ist m.E. wieder mal eine von diesen Zahlen, die der Öffentlichkeit präsentiert werden und die nachzuvollziehen die allermeisten Menschen ohnehin nicht imstande sind.
Dennoch möchte ich damit die mögliche Wahrheit dieser Behauptung natürlich nicht in Zweifel ziehen - sondern einfach nur darauf hinweisen, dass es auch eine andere Sicht auf diese Berechnung (selbstverständlich für Normalbürger gleichermaßen wenig verifizierbar) gibt: Jeder einzelne Italiener spare dabei gerade mal knapp 1,50 € im Jahr ... und dafür nehme man "weniger Demokratie" in Kauf.


Vgl. im Übrigen zu diesem taglio (= Schnitt; auch im Sinne von "Kürzung"): Polit-Zirkus.
 
Aktueller Zusatz:


Artikel von Oliver Meiler am 9.9.2020

In zehn Tagen stimmen die Italiener in einem Referendum über eine Verfassungsreform ab, die, wenn sie durchkommt, beide Parlamentskammern verkleinern würde: Der Senat hätte nicht mehr 315 Mitglieder, sondern nur noch 200; die Zahl der Abgeordneten würde von 630 auf 400 gekürzt. Befürworter argumentieren, dass der Schnitt die Kosten des teuren italienischen Parlamentsbetriebs senken würde. Das ist unbestritten. Doch die Schätzungen, wie viel sich sparen ließe, gehen weit auseinander, von 57 Millionen bis 100 Millionen Euro im Jahr. Die Gegner der Vorlage halten sich an den unteren Wert: 57 Millionen Euro, sagen sie, das sei nichts, nur 0,007 Prozent der öffentlichen Ausgaben. Oder eben, viel plastischer: ein Espresso pro Kopf. "Wollen wir etwa für den Preis eines caffè unsere Demokratie ausdünnen?" Überall hört man den Satz jetzt, ein ständiger Refrain. Offenbar wirkt der Slogan. (...)
Die Gegner kontern, es drohe viel mehr eine "Oligarchisierung", eine Herrschaft weniger. Viel Kompetenz in den Kommissionen und viel Nähe zu den Wählern gehe da einfach verloren. Für einen caffè.
 
Hier nun auch noch die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Günther Pallaver (was für ein Nachname!) vom 1. September: Vertracktes Verfassungsreferendum - derStandard.de.
Die rechtskonservative Allianz aus Lega, Forza Italia und Fratelli d’Italia hatte die Reduzierung mit den Fünf Sternen beschlossen, als sie noch eine gemeinsame Regierung bildeten. Seitdem sich die Allianz in der Opposition befindet, bleiben Lega und Fratelli d’Italia zwar bei ihrem Ja zur Reform, engagieren sich aber nicht dafür und hoffen auf ein Nein, weil damit die Regierung von Giuseppe Conte mit dem Hauptaktionär Fünf Sterne mit großer Wahrscheinlichkeit am Ende wäre.
Wie wenig das im Interesse Europas wäre, braucht man sicherlich gar nicht erst zu betonen.
 
Zum Ausgang des Referendums gibt es viele Berichte. Ich verlinke mal diese:



Fast 70% der Wahlberechtigten stimmten für die Verkleinerung.
 
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