Bericht: Prag im Oktober 2011

tacitus

Magnus
Stammrömer
Im Rom-losen Jahr 2011 hatten wir uns (zusammen mit einem befreundeten Nachbarsehepaar) Prag zum Ziel einer kurzen Städtereise erkoren. Da nur ich bereits zweimal in der Goldenen Stadt war (allerdings zu Olims Zeiten Mitte und Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, zum einen als Abschlussfahrt des Abiturjahrgangs, zum anderen mit einer studentischen Historikerexkursion auf den Spuren Karls IV.), beschlossen wir, ein touristisches Standardprogramm mit literarischen und historischen Vertiefungen zu absolvieren. Dieser kurze Bericht überschneidet sich denn auch an vielen Stellen mit den schönen Reiseschilderungen von Asterixinchen (http://www.roma-antiqua.de/forum/rom_52/prag_auch_mal_ziemlich_spontan-13257/) und gengarde (http://www.roma-antiqua.de/forum/rom_52/prag_im_fruehjahr_2011_a-17174/), denen etliche Anregungen zu verdanken sind, setzt aber hier und da etwas andere Akzente.

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17. Oktober 2011

Ein Spaziergang durch die Prager Altstadt

Nach einer sehr schönen, über achtstündigen Bahnfahrt, die in aller Herrgottsfrühe begonnen und uns über Berlin und Dresden, durch das Tal des Elbsandsteingebirges, vorbei an Pirna und Bad Schandau, auf tschechischer Seite vorbei an Ústí nad Labem ins Moldautal und schließlich nach Prag geführt hatte, blieb am Nachmittag bis zur hereinbrechenden Dämmerung Zeit für einen ersten erkundenden Spaziergang durch die Prager Altstadt. Sehr passend und völlig ungeplant kommen wir zuerst an der Vatikanischen Nuntiatur in der Voršilská 3 vorbei (prag - Google Maps). Am Abend unseres letzten Tages können wir auf dem Weg zurück zum Hotel die Vorfahrt von Diplomaten beobachten, die zu einem Empfang geladen waren. Das geöffnete Tor gestattet einen Blick auf das 'Empfangskomitee' der Nuntiatur, bestehend aus drei Nonnen und einer sehr elegant gekleideten Dame (die wir nicht für den Nuntius halten).


Wir überqueren die Národní und laufen auf unser erstes geplantes Ziel zu, die Bethlehemskapelle (Bethlehemskapelle), Wirkungsstätte des auf dem Konzil zu Konstanz 1415 als Ketzer verbrannten Reformators Jan Hus, später dann aber auch Predigtstätte des deutschen Reformationstheologen und Bauernkriegsanführers Thomas Müntzer.



Vom Betlémské nám?stí – Bethlehemsplatz ist es dann nicht weit bis zum Altstädter Ring – Starom?stské nám?stí. Kurz vor dem Altstädter Rathaus fällt ein Haus mit reichem Fassadenschmuck ins Auge, es ist das Minutta-Haus, in dem von 1889 bis 1896 die Familie Kafka wohnte und in dem alle drei Schwestern Franz Kafkas geboren wurden (Franz Kafka & Prag: Haus Minutta). Kafka wird uns bei den Spaziergängen durch Prag noch an vielen Stellen begegnen. Fast hat es den Anschein, als habe er den Ortheiligen Veit und Karl IV. als Hauptwerbeträger der Stadt abgelöst …


Nur ein paar Schritte weiter und wir stehen vor dem Altstädter Rathaus mit der Astronomischen Uhr (Prager Rathausuhr), aus deren Fenstern zu jeder vollen Stunde, nachdem der Sensenmann sein Totenglöcklein geschlagen hat, die zwölf Apostel erscheinen. Dieser Apostelumzug wird durch das Krähen des Hahnes über den Fenstern und durch ein von der Turmspitze erschallendes Trompetensignal beendet.




Der Altstädter Ring wird beherrscht von dem 1915 errichteten Jan-Hus-Denkmal,


überragt von den Türmen der Teynkirche


und umsäumt von mittlerweile fast durchweg sanierten Bürgerhäusern und Palais. Von ihnen ist wahrscheinlich das Palais Kinsky am geschichtsträchtigsten.


In diesem Haus wurde die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 1905, Bertha von Suttner, als Gräfin Kinsky geboren. [Man hat sie ab und an auf den österreichischen 2-Euro-Münzen in der Geldbörse.] Im Erdgeschoss befand sich seit 1912 die Galanteriewarenhandlung von Kafkas Vater. Franz Kafka selbst besuchte von 1893 bis 1901 das K.k. Staatsgymnasium im Obergeschoss. Nach dem sog. Februarumsturz (Februarumsturz) wurde 1948 vom Balkon des Palais Kinsky die Machtübernahme der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei verkündet.

Im Haus „Zum Einhorn“ an der südlichen Seite des Altstädter Rings (zweites Haus von links)


unterhielt Berta Fanta (Berta Fanta) einen literarischen Salon, in dem neben dem Prager Kreis der deutschsprachigen Schriftsteller um Franz Kafka auch Albert Einstein verkehrte, der 1911/1912 für ein Jahr Professor für theoretische Physik an der ältesten deutschen Universität war, der 1348 von Karl IV. gegründeten Karl-Ferdinands-Universität (Karl-Ferdinands-Universität).

Vom Altstädter Ring lohnt ein ganz kurzer Abstecher durch die Gasse Melantrichova zur Ecke Kožná (prag - Google Maps) und man steht vor dem Geburtshaus des ‚rasenden Reporters‘ Egon Erwin Kisch (Egon Erwin Kisch) mit Gedenktafel und einem schönen, original erhaltenen Renaissance-Portal.


Wir laufen zurück zum Altstädter Ring und gehen durch die Zeltnergasse – Celetná in Richtung Pulverturm. Auch hier kommen wir wieder an einem Kafka-Haus vorbei (Zeltnergasse 12), in dem Kafkas Vater von 1906 bis 1912 seine Galanteriewarenhandlung betrieb.


Der Ende des 15. Jahrhunderts begonnene, aber erst im 19. Jahrhundert in seiner heutigen Gestalt fertig gestellte Pulverturm




markiert den Beginn des Prager Königs- oder Krönungsweges, der über die Zeltnergasse, den Altstädter Ring, die Karlsgasse, die Karlsbrücke, den Kleinseitner Ring und die Nerudagasse hinauf zur Prager Burg führte. Auch wir schreiten diesen Weg zum Abschluss unseres ersten Spaziergangs auf der Altstädter Stadtseite Prags ab, kommen wieder zum Altstädter Ring,


stehen am Kafka-Platz – Nám?stí Franze Kafky vor Kafkas Geburtshaus (nur das Portal ist original erhalten)

und erreichen bei beginnender Dämmerung die Karlsbrücke, auf der wir zum ersten Mal das berühmte Stadtpanorama mit dem Hradschin erblicken.



(von links nach rechts: Hl. Anna mit dem Jesus-Kind, Heiliger Ivo, die Heiligen Kyrill und Method)


Langsam, aber sicher merken wir, dass wir schon recht lange auf den Beinen sind. So findet dieser erste Tag in Prag seinen schönen (und bei der doch etwas literaturlastigen Ausrichtung des Spaziergangs) auch passenden Abschluss im Restaurant „Rainer Maria Rilke“ (..:: Restaurant Rainer Maria Rilke ::..) in der Karolíny Sv?tlé 25,


das wir ganz und gar uneingeschränkt empfehlen können.

(wird fortgesetzt)
 
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VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für den Anfang des schön bebilderten Berichtes -> er weckt viele Erinnerungen :!:
 
Auch von mir herzlichen Dank, Tacitus. Eigentlich sollte ja auch unsere diesjährige Städtereise vom 13.-16.10. nach Prag gehen. Durch einen Todesfall in unserer Gruppe bedingt haben wir dann verkürzt und sind nach Bremen gefahren.

Auf Deinen Bericht bin ich deshalb besonders gespannt und werde ihn konzentriert verfolgen.
 
Sieh an, tacitus hat gleich am ersten Tag in Prag noch eine ganze Reihe anderer und schöner Motive zusammen getragen.

Ich freue mich auf weitere Entdeckungen.

Gruß gengarde
 
Der Prag-"Fraktion" des Romforums vielen Dank für die netten Reaktionen!

Ludovico sei gewünscht, dass er die ausgefallene Prag-Reise bald nachholen kann.

Gruß
tacitus
 
18. Oktober 2011

Auf dem Hradschin und kurz auf dem Wenzelsplatz

Der Plan für diesen Tag sieht einen ausführlichen Rundgang über den Prager Burgberg, den Hradschin, vor. Einer Anregung in gengardes Reisebericht folgend (http://www.roma-antiqua.de/forum/posts/149863), wollen wir mit der Seilbahn auf den Pet?ín-Hügel oder Laurenziberg fahren (dpp.cz > Seilbahn auf den Laurenziberg (Pet), um den Hradschin gleichsam antizyklisch zu erkunden: Zuerst soll es vom Aussichtsturm (Aussichtsturm auf dem Petrin-Hügel - Prag*Welcome-Die offizielle*Reise-und*Tourismus-Guide*von*Prag) aus zum Kloster Strahov gehen, dann zum Loretoheiligtum und durch die Straßen der Hradschiner Vorstadt zum Hradschiner Platz und schließlich zur Burg. Über die Königsgärten wollen wir die Burg am späteren Nachmittag verlassen, um mit der Straßenbahn wieder in die Stadt zurückzufahren. Besichtigungspunkte dort wollen wir spontan je nach verbleibender Zeit entscheiden.

Wir verlassen das Hotel, kaufen uns in einer Trafik die nötigen Tageskarten für den ÖPNV (für je 110 CZK) und fahren mit der Straßenbahnlinie 22 ab der Haltestelle Národní t?ída bis zur Haltestelle Újezd. Während der kurzen Fahrt kommt man am Nationaltheater (Národní divadlo) vorbei und überquert die Moldau. Am Fuß des Pet?ín-Hügels stehen wir ganz in der Nähe der Talstation der Seilbahn vor dem 2002 eingeweihten und in Prag nicht ganz unumstrittenen „Denkmal für die Opfer des Kommunismus“ (Denkmal für die Opfer des Kommunismus (Prag)).


An der Seilbahn angekommen, müssen wir feststellen, dass sie just in diesen Tagen nicht fährt, und unsere Pläne also ad hoc ändern. An der Haltestelle Hellichova steigen wir wieder in die Linie 22, fahren durch die Kleinseite, über den Kleinstädter Ring – Malostranské nám?stí bis zur Haltstelle Pražký hrad. Über die Pulverbrücke hinweg gelangen wir zur Burg (Guidepost for visitors - Prague Castle). Schon im Vorfeld haben wir uns entschieden, lediglich die Kleine Besichtigungstour zu unternehmen, in der man (für 250 CZK) in den Veitsdom, den Alten Königspalast, die St. Georgs-Basilika, das Goldene Gässchen und den Daliborka-Turm gelangt. Die Tickets sind im Zweiten Burghof schnell erstanden und wir stehen vor der Westfassade des Veitsdomes mit seiner imposanten Fensterrose.


Man muss sich bewusst halten, dass der Veitsdom eine ähnliche Baugeschichte wie der Kölner Dom aufweist, wurde er doch nach dem Baubeginn 1344 unter Karl IV. erst Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts vollendet. Die gesamte Westfront ist also reinste Neogotik, ja sie steht in einer eigentümlichen Spannung zu der ursprünglichen Konzeption des Dombaumeisters Peter Parler (Peter Parler), die den Dom vom südlichen (und bis heute eigentlich unvollendeten und nur mit einer provisorisch wirkenden Haube bewehrten) Hauptturm und der Goldenen Pforte (mit dem Mosaik zum Jüngsten Gericht) erschließt, durch die die böhmischen Könige am Ende ihres Krönungsweges in den Dom einzogen.


Ende des 19. Jahrhunderts sah der Veitsdom so aus: Veitsdom um 1887 (Wikipedia). Schaut man sich nun die Fensterrose genauer an (wir haben für diesen Zweck ein Opernglas mitgebracht, das dann auch im Inneren des Domes noch gute Dienste leistet), dann erkennt man in der rechten und linken unteren Ecke des Gevierts je zwei Portraitbüsten. Sie stellen die Architekten dar, die den Dom ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollendet haben. Hier Veitsdom: Detail der Westfassade (Wikipedia) ist das Paar in der rechten unteren Ecke deutlicher zu sehen. Es handelt sich um die Architekten Kamil Hilbert (Kamil Hilbert) und Josef Mocker (Josef Mocker).


Vom Inneren des Domes


hat Asterixinchen hier http://www.roma-antiqua.de/forum/posts/126843 schöne Bilder eingestellt. Da muss hier nichts ausführlich wiederholt werden. Eine einzigartige architektur- und kunsthistorischen Besonderheit sind die Portraitbüsten, die Peter Parler in die Nischen des oberen Chorumgangs, dem Triforium (Triforium) platziert hat. Die Galerie umfasst 21 Büsten im Unteren Triforium, auf das man vom Chorinneren her blicken kann, und nochmals zehn Büsten im Oberen Triforium, allesamt datiert auf die Zeit zwischen 1380 und 1385. Hier nur ein Beispiel der vom Boden des Chores naturgemäß schwer zu photographierenden Portraits, das den Baudirektor Wenzel von Rade? darstellt,


der hier Vclav z Rade genauer zu sehen ist. Die Büstengalerie enthält Heiligenportraits, natürlich aber auch Bildnisse der Böhmischen Könige wie Karl IV. (Karel IV.), als Ausweis seines Selbstbewusstseins dann eine Büste von Peter Parler selbst (Petr Parl).

Im Chorumgang fallen der silberne Reliquienaltar des Hl. Johannes Nepomuk (Johannes Nepomuk) aus dem 18. Jahrhundert


und das Grabmal des Feldmarschalls und böhmischen Kanzlers Leopold Anton Joseph Schlick (Leopold Anton Joseph Graf Schlik)


besonders auf. Leider können wir nicht in die Königsgruft hinabsteigen, in der u.a. Karl IV mit seinen vier Frauen, sein Sohn Wenzel IV. und Rudolf II. ruhen; der Zugang ist gesperrt. Nach einem Blick in die Wenzelskapelle


verlassen wir den Dom, blicken empor zu den Strebepfeilern und –bogen des Chores


und gehen ganz an das östliche Ende des Burgkomplexes, zum Goldenen Gässchen. Am Haus Nr. 22 hängt schon seit je ein kleiner Hinweis darauf, dass Franz Kafka hier kurzzeitig wohnte (und zwar vom Sommer 1916 bis zum April 1917, vgl. Franz Kafka & Prag: Das Goldene Gäßchen),


aber statt des Souvenirbüdchens, das man vor 1989 hier fand, hat jetzt passenderweise ein Buchladen eines deutschsprachigen Prager Verlages in dem Zimmerchen sein Domizil aufgeschlagen (Vitalis Verlag).

Von einer kleinen Terrasse am östlichen Ende des Burgbezirkes öffnet sich die Aussicht auf die Kleinseite mit der Kuppel von St. Nikolaus:


Wir setzen unseren Rundgang dann mit der St. Georgs-Basilika (St. George's Basilica and convent - Prague Castle)


und dem alten Königpalast (Old Royal Castle - Prague Castle) fort, stehen dort im gotischen Wladislaw-Saal und blicken von einem Balkon aus auf die Stelle des zweiten Prager Fenstersturzes und das zu Füßen der Burg sich erstreckende Stadtpanorama.


Die Mittagstunde ist längst überschritten. Wir beschließen, für den Lunch die nicht sehr anziehend wirkenden gastronomischen Einrichtungen innerhalb der Burg zu verschmähen, verlassen sie wieder über die Pulverbrücke, von der aus sich die Nordseite des Veistsdomes gut photographieren lässt,


und fahren mit der Straßenbahnlinie 22 ab Haltstelle Pražský hrad zwei Stationen weiter bis zur Haltstelle Poho?elec, die in unmittelbarer Nähe des Klosters Strahov liegt. Mit der dortigen Klostergaststätte (Klostergaststätte Kloster Strahov) haben wir eine eindeutig bessere Wahl getroffen, zumal wir hier auch den Touristenmassen entkommen sind, die sich selbst im Oktober noch über den Hradschin wälzen. Die Prämonstratenser-Abtei Kloster Strahov (Royal Canonry of Premonstratensians at Strahov - Strahovský klá) ist für ihre beiden barocken Bibliothekssäle berühmt.

(Philosophischer und theologischer Saal)

(Strahover Evangeliar)


Von der Klosteranlage aus bieten sich zudem die schönsten Aussichten auf Prag:


Wir verlassen das Kloster und laufen in Richtung Loreto. Auf dem Loretoplatz steht das Denkmal für Edvard Beneš, Staatspräsident der Tschechoslowakei von 1935 bis 1938 und von 1945 bis 1948, in der Zwischenzeit Präsident der in London residierenden tschechoslowakischen Exilregierung. Mit seinem Namen sind die sog. Beneš-Dekrete (Beneš-Dekrete [Wikipedia]) verbunden, die immer noch zu Belastungen des deutsch-tschechischen Verhältnisses führen. Wir werden ihm am nächsten Tag indirekt in einem ganz anderen historischen Zusammenhang wieder begegnen.


Ebenfalls auf dem Loretoplatz steht der monumentale Palais Czernin, der mit seiner 150 Meter langen Frontfassade nicht auf ein Photo zu bannen war, vgl. daher Palais Czernin (Wikipedia). Als sein Architekt gilt der Italiener Francesco Caratti, ein Vorentwurf soll (so ist jedenfalls im Dumont Reisetaschenbuch Prag zu lesen) von Gian Lorenzo Bernini stammen. Im Palais residiert das tschechische Außenministerium. Zwischen 1939 und 1945 war er Dienstsitz des nationalsozialistischen Reichsprotektors für Böhmen und Mähren.

Von der Prager Marienwallfahrtsstätte Loreto (loreta)



hat wiederum Asterixinchen hier http://www.roma-antiqua.de/forum/posts/126828 zahlreiche schöne Bilder eingestellt, auf die einfach verwiesen werden kann.

Unser Weg führt uns durch die Gassen der Hradschiner Vorstadt


auf den Hradschiner Platz, der von eindrucksvollen Palais umstanden ist:

(Palais Toscana, Palais Schwarzenberg, Erzbischöfliches Palais)

Über den ersten Burghof und durch das Matthias-Tor


betreten wir wieder den Burgbezirk. Nach einer Kaffeepause im Hof der Reitschule (Riding School - Prague Castle) gehen wir durch die Königlichen Gärten auf der Nordseite der Burg (Gardens of the Prague Castle - Prague Castle)




("Singender Brunnen" vor dem Belvedere in den Königlichen Gärten)

zur Straßenbahnhaltstelle Královský letohrádek, fahren mit der Linie 22 bis zum Karlsplatz – Karlovo nám?stí (Karlsplatz (Prag)), steigen dort in einen Bus um und sind recht schnell auf dem Wenzelsplatz – Václavské nám?stí (Wenzelsplatz), den man nicht betreten kann, ohne dass sich in den Köpfen die Bilder der Ereignisse bei der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 einstellen.



(Gedenkstätte für Jan Palach, vgl. Jan Palach)


Der Rest des späten Nachmittags wird dort verbummelt.


(Fortsetzung folgt)
 
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VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für die Fortsetzung -> welche wieder Erinnerungen weckt ;)
 
19. Oktober 2011

Gedenkstätten - historisch und literarisch

Wir verlassen gegen 9 Uhr das Hotel und laufen zur nahegelegenen Kirche St.-Kyrill-und-Method – Kostel sv. Cyrila a Metod?je in der Resslova 9a, vgl. Resslova 9a, Prague-Praha 2, ?eská republika - Google Maps. Die Krypta dieser orthodoxen Kirche beherbergt die Gedenkstätte für die tschechischen Fallschirmjäger, die am 27. Mai 1942 das Attentat auf den strategischen Kopf der nationalsozialistischen Judenverfolgung und (formal stellvertretenden, de facto aber die Macht ausübenden) ‚Reichsprotektor in Böhmen und Mähren‘, Reinhard Heydrich, ausgeführt haben. Sein Tod am 3. Juni 1942 an den indirekten Folgen dieses Attentats führte zu zahlreichen Vergeltungsmaßnahmen der deutschen Besatzungsmacht, vor allem zur Vernichtung der Dörfer Lidice (Lidice) und Ležáky (Le) und dem Massaker an der Bevölkerung dieser Ortschaften. Am Ort des Attentats selbst, den Heydrich im offenen Wagen auf dem Weg von seiner Privatwohnung außerhalb von Prag zu seinem Dienstsitz im Palais Czernin am Loretoplatz auf dem Hradschin-Hügel passierte, steht seit dem 27. Mai 2009 ein Denkmal. Besucht man Prag nur kurz, wird man kaum die Zeit finden, dort hinaus zu fahren. Für einen visuellen Eindruck können die Seiten V Holešovi?kách 41, Praha-Praha 8, ?eská republika - Google Maps und Orte der Erinnerung in Europa aufgerufen werden.

Eine siebenköpfige Gruppe der Attentäter konnte sich seit dem 30. Mai 1942 in der Krypta der Kirche St.-Kyrill-und-Method verstecken, versorgt von Angehörigen der tschechischen orthodoxen Kirche und mit Billigung der Kirchenleitung unter Bischof Gorazd (Mat). Sie wurde jedoch von einem Mitglied der Kommandogruppe verraten. Am 18. Juni 1942 stürmten 800 Soldaten, fast die Hälfte davon Angehörige des Prager SS-Wachbataillons, die Kirche. Alle sieben Fallschirmjäger starben bei der Erstürmung; vier von ihnen töteten sich selbst, um nicht in die Hände der deutschen Besatzer zu fallen.


An der Kirchenmauer erinnert eine Gedenktafel an die Attentäter und man erkennt Spuren der Erstürmung der Kirche.


In der Krypta der Kirche kann die „Nationale Gedenkstätte für die Helden der Heydrichiade“ (.::[Národní památník hrdin) besichtigt werden (der Eingang befindet sich in der Seitenstraße Na Zderaze unterhalb des Treppenaufgangs zum Kirchentor, vgl. Resslova 9a, Prague-Praha 2, ?eská republika - Google Maps). Ein Vorraum zeigt eine kleine Ausstellung mit historischen Zeugnissen zur deutschen Besatzung, Dokumente zur Planung und Durchführung des Attentats und Zeugnisse über die Vergeltungsmaßnahmen. Die Krypta selbst ist dem Andenken der Attentäter gewidmet.



(Verschwommene Eindrücke vom Vorraum)






Jan Kubiš und Jozef Gab?ik
, die das Attentat ausführten

Adolf Opálka, Jaroslav Švarc, Josef Val?ik

Josef Bublík, Jan Hrubý

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Wir erfahren, dass das Gedenken an die Attentäter bis Ende 1989 keine öffentliche Angelegenheit der ?SSR gewesen ist. Für den kommunistischen Staat stellte diese Tat des Widerstands ein schwieriges Erbe dar, war sie doch auf anfängliche Initiative der in London ansässigen tschechischen Exilregierung unter Edvard Beneš und mit Unterstützung der britischen Regierung erfolgt. Die tschechischen Fallschirmjäger wurden in der Royal Air Force ausgebildet und von einem englischen Geheimdienst in das besetzte Gebiet eingeschleust (Näheres kann im ersten Kapitel der neu erschienenen Heydrich-Biographie nachgelesen werden.)

***

Für den Rest des nieselregnerischen Tages folgen wir wieder dem touristischen mainstream. Vom Karlsplatz – Karlovo nám?stí aus fahren wir mit der Straßenbahn auf die Kleinseite und besichtigen die St.-Nikolaus Kirche (Psalterium - St. Nikolaus Kirche), die ebenso wie die gleichnamige Kirche am Altstädter Ring von Kilian Ignaz Dientzenhofer (vgl. Kilian Ignaz Dientzenhofer) errichtet wurde, der auch die Entwürfe zum Palais Kinsky geliefert hatte und sich so auf eine Weise im Prager Stadtbild verewigt hat, die nur mit Peter Parler vergleichbar ist.


Viele weitere (und schönere) Aufnahmen von dieser Kirche hat Asterixinchen in ihren Reisebericht http://www.roma-antiqua.de/forum/posts/126860 integriert. Der Obere Kleinseitner Ring wird – ähnlich wie der Graben in Wien – von einer 1650 errichteten Pestsäule dominiert.


Unter Regenschirmen laufen wir die Nerudagasse, auf der wir uns wieder auf dem alten Krönungs- bzw. Königsweg Prags befinden, hinauf, kommen an der italienischen Botschaft vorbei


und suchen nach den Hauszeichen an den Fassaden, die bis ins 18. Jahrhundert hinein der Identifikation der Häuser dienten, bevor prosaische Hausnummern eingeführt wurden.


Nach einer Kaffeepause zieht es uns zu unserem dritten größeren Besichtigungspunkt an diesem Vormittag. Über die Brückengasse – Mostecká ul. mit einem Blick auf den Kleinseitner Brückenturm


ist schnell das Kafka-Museum (FRANZ KAFKA MUSEUM - Úvodní stránka) erreicht. Auch wir stehen ratlos vor der Brunnenskulptur im Vorhof zum Museum, von der Pasquetta ein Bild in gengardes Reisebericht eingesetzt hat (http://www.roma-antiqua.de/forum/posts/153045) und können uns deren Bezug auf Kafka – trotz versammelter Werkkenntnis – nicht erschließen. In dem Museum, über dessen Ausstellungsdesign und Auswahlverfahren sich trefflich streiten ließe, besteht ein striktes Photographierverbot.


Die Ausstellung ist vom Katalanischen Zentrum für zeitgenössische Kultur in Barcelona, wo sie 1999 zuerst gezeigt wurde, nach Prag ‚verpflanzt‘ worden, wo sie jetzt offenbar auf Dauer zu sehen sein soll (vgl. FRANZ KAFKA MUSEUM - Tiskové zprávy [Die Seite kann auf Deutsch umgestellt werden]).

Trotz des Besuches im Kafka-Museum beschließen wir keine ‚Hungerkünstler‘ zu werden und streben über die Karlsbrücke hinweg


(links: Hl. Wenzel, Hl. Norbert, Hl. Sigismund; rechts: Hl. Johannes von Nepomuk)

(rechts Denkmal für Karl IV. auf der Altstädter Seite der Karlsbrücke)

in die Josefsstadt – Josefov, wo wir uns schon ganz in der Nähe des Jüdischen Museums zu einem arg verspäteten Lunch in einem nur von Tschechen besuchten Restaurant niederlassen (nämlich hier Prag - Google Maps).

Zu den neben dem Hradschin und dem Altstädter Markt größten Anziehungspunkten Prags gehört das Jüdische Museum (Jdische Museum In Prag - Informationen fr Besucher), das 1906 von der Jüdischen Gemeinde Prags gegründet wurde, um die von der seit Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführten Assanierung der Prager Judenstadt in ihrer Existenz bedrohten Zeugnisse jüdischen Lebens dauerhaft schützen zu können. Nach der deutschen Besetzung von Böhmen und Mähren wurde das Museum im März 1939 geschlossen, um ab 1942 von der SS als „Jüdisches Zentralmuseum – Museum einer untergegangen Rasse“ pervertiert zu werden (vgl. Museum's History und z.B. DER SPIEGEL*46/1988 - Museum einer untergegangenen Rasse Während die Massentötung der).

Wir besuchen drei der vier zum Jüdischen Museum gehörigen Synagogen, allerdings ohne zu photographieren. Besonders eindrucksvoll ist die Pinkassynagoge als zentraler Gedenkort für den Holocaust an den tschechischen und mährischen Juden gestaltet. Zwischen 1992 und 1996 wurden etwa 80.000 Namen von ermordeten Juden auf die Wände der Synagoge geschrieben. Eine Aufnahme davon findet sich in gengardes Reisebericht (http://www.roma-antiqua.de/forum/posts/149719).


Der andauernde Nieselregen passt zu der Stimmung, die an diesem Ort erzeugt wird, lässt uns aber auch den Vorteil genießen, fast allein über den Alten Jüdischen Friedhof gehen zu können, auf dessen kleinem Areal sich an die 12.000 Grabstein befinden, darunter die Tumba des
Jehuda ben Bezal´el Löw oder Raabi Löw, der mit der Legende des Golem verbunden ist (vgl. Franz Kafka & Prag: Ursprünge der Prager Golem-Sage), die bis in neuere Zeiten hinein vielfältige literarische Bearbeitungen und Gestaltungen erfahren hat (u.a. bei Gustav Meyrink, Stanis?aw Lem oder Issac Bashevis Singer)


Grab des Rabbi Löw

(Altneusynagoge, Zeremoniensaal, Klausensynagoge)

Unseren Rundgang durch das Jüdische Museum schließen wir mit der Spanischen Synagoge ab, deren Inneres an die ungleich größere und prächtigere Synagoge in Budapest erinnert (vgl. Große Synagoge (Budapest)). Vor ihr steht auf einem kleinen Platz das Prager Kafka-Denkmal:


Die Gestaltung des Denkmals (wir bemerken um uns etliche ratlose Gesichter) geht auf ein Motiv in Kafkas nachgelassener Erzählung „Beschreibung eines Kampfes“ zurück:
Kafka: Beschreibung eines Kampfes schrieb:
Schon sprang ich mit ungewohnter Geschicklichkeit meinem Bekannten auf die Schultern und brachte ihn dadurch, daß ich meine Fäuste in seinen Rücken stieß in einen leichten Trab.
Unsere Pläne sahen vor, nach dem Besuch des Jüdischen Museums Kafkas Grab (Kafkas Grab) auf dem Neuen jüdischen Friedhof aufzusuchen, der mit der Metro-Linie A leicht zu erreichen ist, weil er direkt an der Metrostation Zelivského liegt (nämlich hier Prag - Google Maps). Der schon fortgeschrittene Nachmittag (der Friedhof schließt um 17 Uhr) und der Nieselregen lassen uns von diesem Plan Abstand nehmen. So laufen wir über den Altstädter Ring


und lassen die Eindrücke des Tages im kubistischen Kaffeehaus im Haus zur schwarzen Madonna in der Nähe des Pulverturmes Revue passieren. Ein ‚kafkaeskes‘ Bild des Treppenhauses im Haus zur schwarzen Madonna


mag ein passender Abschluss dieses Berichts über einen vielleicht um einen Tag zu kurzen Besuch in Prag sein, denn am nächsten Morgen brachen wir vom Prager Hauptbahnhof, dessen Renovierung übrigens von dem italienischen Bahnunternehmen Grandi stazioni durchgeführt wurde (vgl. GS), wieder nach Hause auf.
 
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