Meine Reise nach Rom

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In der Dieterich'schen Verlagsbuchhandlung in Mainz ist im Sommer 2014 ein echtes Kleinod erschienen: Mit einem ausführlichen, klugen Nachwort von Hanns-Josef Ortheil legte der Verlag die tagebuchartigen Aufzeichnungen von Emile Zola vor, der im Herbst 1894 für einige Wochen nach Rom kam, um für ein Romanprojekt zu recherchieren. Er begegnete einer Metropole im Wandel: Urbanisierung und Nationalstaatsgründung hatten die Ewige Stadt verändert; die Moderne hielt Einzug. Zola analysiert das zeitgenössische Stadtbild und die Sozialstruktur hellwach, sehr kritisch und ohne verklärenden Blick - wenngleich er bei aller Distanz doch nicht umhin kann, gelegentlich auch die Schönheit Roms zu würdigen. Sein Hauptziel - eine Audienz beim Papst - erreichte Zola nicht: Das Vatikan-Establishment ahnte, dass Zola seine Eindrücke literarisch verwerten wollte ...

Leider ist bei den einschlägigen Buchversendern kein Cover zu finden; hier hilft ein Blick auf die Seiten des Verlags. Das Bändchen ist nicht preiswert (24.- Euro), aber ein wirkliches Schmuckstück: Roter Leineneinband, Prägedruck, Lesebändchen. Das Buchinnere zieren Auszüge aus historischen Stadtplänen und Rom-Fotografien aus der Zeit Zolas.

Die Eindrücke seiner Reise verarbeitete Zola in dem Roman "Rom", Mittelteil eines auf drei Bände angelegten Romanzyklus. Diese kritische Auseinandersetzung mit dem Katholizismus erfreut den Rom-Freund unserer Tage, genau wie das hier angezeigte Tagebuch, mit ausführlichen Beschreibungen. Bereits der Beginn macht großen Spaß: Abbé Froment, die Hauptfigur, kommt am Bahnhof an und fährt in die Stadt. Die Wegstrecke wird genau geschildert; überall sind Vergleiche von damals und heute möglich. Eine Übersetzung des Romans kann übrigens kostenlos und legal im Netz heruntergeladen werden.

Ich fand das Büchlein gestern durch Zufall in einer Münchner Buchhandlung, die viele innovative, aber unbekannte Kleinverlage im Sortiment hat (Lehmkuhl,Schwabing). Aus dem Impressum geht hervor, dass die Ausgabe durch ein Förderprogramm des französischen Außenministeriums ermöglicht wurde.

Vielleicht ein schönes Weihnachtsgeschenk für Rom-Freunde, die schon alles im Regal haben?
 
Vielen Dank für den Tipp! Das hört sich wirklich sehr gut an. Es scheint ja auch ein sehr liebevoll verarbeitetes Buch zu sein - heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich - und damit ein Leckerbissen für Bibliophile.

Merkwürdig: Die Angabe der Seitenzahlen differiert. Auf der Verlagsseite 272 Seiten, bei Amazon nur 190.

Viele Grüße
Claude
 
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Besten Dank für die Info!

Ich werde das dann mal bei der Buchhandlung meines Vertrauen in Germanien bestellen. Es freut mich, auf diese Weise einen kleinen Verlag und eine kleine Buchhandlung unterstützen zu können. Mir liegt nämlich viel daran, dass die Kleinen, die oft mit großem Idealismus und kundenorientiert arbeiten, auch eine Chance haben.

Viele Grüße
Claude
 
@ tacitus: Es ist einfach ein Jammer, dass kleine Traditionsverlage im heutigen Buchhandel kaum präsent sind. Natürlich, man kann die Titel bestellen. Aber im Regal ist mir das DVB-Programm erstmals bei Lehmkuhl in München aufgefallen. Nun werde ich öfter mal auf die DVB-Homepage schauen - vielleicht wird wieder einmal ein Schatz der Rom-Literatur gehoben ...
 
Ich habe mir dieses kleine Buch bestellt und es heute Abend zu Ende gelesen. Der Einband ist schon ein Genuss. Der Inhalt es ist auch. Ich kann es nur weiter empfehlen!
 
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Ein außergewöhnliches Reisejournal - Emile Zola auf Motivsuche für seinen späteren Roman „Rom“ : literaturkritik.de

Im Nachwort „Emile Zola entdeckt Rom“ beleuchtet der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil, der selbst schon Rom bei zahlreichen Aufenthalten erkundet hat, die literarischen Hintergründe dieser Reise genauer. Zolas „Rom-Reisetagebuch“ ist eine interessante und kurzweilige Lektüre, die dazu anregt, das eigentliche Epos „Rom“ zu lesen und Vergleiche anzustellen.
 
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