Venezia als Tagestourist

Nihil

Consul
Stammrömer
Venezia für einen Tag:

So schnell wird man all seinen Vorsätzen untreu! :D
Letztes Jahr hatte ich noch festgestellt, dass ich nie wieder Italien im Sommer besuchen würde, nicht bei diesen Temperaturen.

Und nun war ich doch wieder dort. Allerdings auf einem Wanderurlaub in den Dolomiten. Zwischen 1000 und 3000 Metern sollte es ja einigermassen erträglich sein. Ein Trugschluss, wie sich schnell herausstellte! Auch auf diesen Höhen kann es über 30º Grad werden. Und dann macht das Wandern nicht wirklich Freude. Zudem kommt es dort regelmässig zu gewaltigen Gewittern, weshalb wir kurzentschlossen eine Auszeit in Venedig nahmen.

Ja, ich gestehe, ich reihte mich gemeinsam mit dem 16-jährigen Sohnemann in das verpönte Heer der Tagesausflügler ein, um einen Blick auf und in die Serenissima zu werfen. Natürlich fehlte jegliche Zeit zur Vorbereitung, mein Lesen der hier eingestellten Berichte über die Stadt war immer eher ein Geniessen: ach wie schön..., da möchte ich auch mal hin...., sollte ich vielleicht statt Rom...??? Diese Gedanken blieben aber eigentlich eher auf der Ebene Wunschdenken. Und nun diese völlig spontane Stippvisite bei Wüstentemperaturen! :roll:

Die Stadt war brechend voll mit Touristen, vorallem fielen die vielen Gruppen von Asiaten auf, die gefühlt zu Hundert um einen Führer herumstanden oder ihm hinterliefen.


Auf den befestigten Hauptspuren durch die Stadt war nur ein Schieben oder Geschoben werden, Drängeln, oder Ellbogeneinsatz möglich. Auch auf dem Wasser herrschte Rush-Hour. Wassertaxis rauschten durch die Kanäle, Lastboote lieferten die Waren an,


die Gondeln trugen keine Trauer, sondern jede Menge Touristen.


Also lieber in die Seitengassen abtauchen... was wir auch machten und, da zu dem Zeitpunkt ohne Stadtplan, völlig die Orientierung verloren. Machte aber nichts, denn wir entdeckten schöne, ruhige, fast tourifreie Stadtbereiche. Museen oder Kirchen wollten wir nicht besuchen, sondern nur die Atmosphäre der Stadt aufnehmen.

Ich kann aufgrund dieser wissensfreien Begegung mit der Stadt also keine Hintergrundinformation mitliefern. Da hier aber im Forum die Venedigfraktion ihre Stadt sowieso in- und auswendig kennt und liebt, lasse ich nur ein paar Fotos sprechen.

Wir liessen uns treiben, genossen den Anblick und Ausblick, assen günstig und gut in einer Trattoria im Viertel um die Chiesa di S. Cassiano. Auch der gemeine Tagestourist lässt ein wenig Geld in der Stadt, wenn er nicht gerade der knausrigen All inclusive- Mentalität anhängt..:evil:.

Einige Touri-Hotspots waren unvermeidlich, denn man wird vom Sog der Masse mitgezogen. So quetschten wir uns mehrmals über die Rialtobrücke


und auch über den Marcusplatz. Da löst das Menschengewimmel aber wirklich Fluchttendenzen aus.


Erstaunlich, wie ruhig und entspannt es nur wenige Meter neben den Hauptgassen ist. Wir bummelten die Brücken rauf und runter,


verloren uns in den Gässchen, drehten uns im Kreis, kamen in Sackgassen


und auf kleine Plätze


und längst der Kanäle und Kanälchen


und schliesslich steckten wir vom Herumlatschen und der Hitze ermattet, auf einer Treppe die Füsse in den Kanal. Ich will lieber nicht wissen, was alles an Dreck und Abfall in den Kanälen schwimmt...:uhoh:, aber es gibt auch Leben in Form von Mini- Fischen und kleinen Krabben, die sich die gefluteten Treppenstufen mit meinen Füssen teilten. Es empfiehlt sich übrigens nicht, auf den schleimig-algigen Treppenstufen ohne festen Halt zu stehen oder zu gehen, denn dann landet man unweigerlich im Kanal. :] Das Kanalwasser war übrigens lauwarm, also keine wirkliche Abkühlung.

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Hier leben also tatsächlich noch echte Venetier !!!,


während einige Innenstadtbereiche eher an eine Filmkulisse erinnern.

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Schliesslich kauften wir uns doch einen Stadtplan. Ich glaube, ohne diesen, würde ich wahrscheinlich heute noch in Venedig herumirren.
Wir kamen in das Viertel Dorsoduro, sahen von Ferne die Kirche S. Maria della Salute

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Kamen an einem schiefen Kirchturm vorbei,

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Sahen einer grazilen Stadtkatze beim Balancieren auf einem Tor zu:

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Bewunderten Türklopfer mit maritimen Ornamenten:


Und sahen sogar noch so alt hergebrachte Tätigkeiten wie Netzeflicken:



Die Zeit lief uns leider davon, und so mussten wir doch langsam an den Abschied denken.


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Die wenigen Stunden in dieser Stadt waren jedenfalls genug, um ihrem Zauber zu erliegen...


Irgendwann werden wir zurückkommen, nicht unbedingt im Sommer ;), aber in einer vielleicht eher touri-armen Zeit, wenn es so etwas überhaupt in Venedig gibt.



 
Vielen Dank Nihil für diesen Bericht.

Wir sind im September am Gardasee und ich habe auch vor, wenn es passt, einen Tag als "böser Tagestouri" und "da sola" über die Stadt herzufallen.

Ich werde es genau so wie du machen, einfach mal drauf los gehen.
Da ich schon ein paar Mal in Venedig war, muss ich auch nicht unbedingt die Epizentren des Massentourismus sehen.

Unvergessen übrigens, als ich mich vor einigen Jahren mit einer Venezianerin auf einem Vaporetto (Nr.1) unterhielt und sie mich dann mit nach VENEDIG nahm. Kein Touri weit und breit, Eis und Espresso für einen Euro und jede Menge wirkliches Venedig.

Einen Stadtplan habe ich und eine entsprechende App werde ich mir noch runterladen.

Sonst ergeht es mir wie Töchterlein Nr. 2, die auf Studienfahrt nach Venedig Mamas gut gemeinten Ratschlag doch den Stadtplan mitzunehmen ausschlug. Irgendwann wusste man dann doch nicht mehr wo man war und musste das gut gehütete Guthaben für diverse Telefonate mit dem Lehrer einsetzen :roll:
 
Dein Kurzbericht hat die Vorfreude weiter geschürt. Ich hoffe immer noch, dass wir Anfang Oktober eine weitgehend stressfreie Woche dort verbringen können. Lohnende Ziele gibt es ja genügend. Mit einigen Tipps von erfahrenen Venedig Liebhabern hier im Forum wird es schon klappen.
 
Schön, Dein Tagesbericht!
Auch wir waren umständehalber einmal im August in Rom - das war das erste und letzte Mal. :~
Dentaria berichtete vom letzten Besuch im Januar (oder war es Februar?) vom leeren, fast tourifreien Venedig. Das schwebt auch mir schon lange vor, vielleicht wird es mal was, wenn der BEVA im Ruhestand ist.

Ansonsten habt Ihr es für einen Tagesbesuch genau richtig gemacht: einfach treiben lassen und alles Schöne am Wegesrand mitnehmen.
Schön, dass Ihr auch das verlassene, ruhige Venedig erleben konntet, denn das ist weniger weit entfernt als die meisten glauben.

Dein "schiefer Turm" ist übrigens der von Santa Stefano nahe der Accademiabrücke.

Liebe Grüße

Angela
 
Danke für eure netten Kommentare. Was wirklich schön und entspannend ist: kaum biegt man aus der Touri-Haupttrasse, ist man ohne ( allzuviele) Mittouristen und an einigen Orten beobachtet man das venezianische Alltagsleben ganz alleine. Also für die Fotos musste ich weder über die Tourimassen hinweg noch unten durch fotographieren!:D Allen zukünftigen Venedigreisenden wünsche ich jedenfalls einen schönen Aufenthalt in der Serenissima.
 
Ganz genau! :nod:
Und insgeheim hoffe ich ja (ich gestehe es), dass noch möglichst lange diese Ecken wenige Meter neben den Tourirouten vom Massentourismus unentdeckt bleiben. Interessierte Besucher wie die aus unserem Forum dürfen und sollen das natürlich immer, das Abschweifen und Entdecken verlassener Ecken. ;)
 
Hallo Angela

Ja, die Gefahr besteht natürlich, dass das abseitige " echte" Venedig entdeckt und plötzlich plattgemacht wird. Aber andrerseits, wollen die Massen, die sich in die Stadt ergiessen, oft nur die Glanzpunkte abhaken. Auf diesen schönen Plätzen ballt es sich dann so, dass der eigentliche Charme der Orte nicht mehr spürbar ist.
Und im Wind flatternde Wäsche, ein verrottendes Renaissanceportal, sich nur still hinzusetzen und dem Leben zuzuschauen, ist im üblichen Touriprogramm nicht vorgesehen und vielleicht auch nicht glänzend genug...
 
Eben. Und darum sehe ich diese echte Idylle eigentlich nicht bedroht von denjenigen Touris, die lediglich Abziehbildern der Stadt hinterherjagen.
 
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