Juden und Jüdisches in Rom

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Zum ersten März 2017 wird das jüdische Kulturzentrum "Circolo ragazzi '48 di Zi Raimondo" in der Via della Reginella 15 im ehemaligen römischen Ghetto seine Türen für immer schließen müssen. Die monatliche Miete von 1000 Euro kann nicht mehr aufgebracht werden.

Artikel dazu sowohl in der La Repubblica, als auch im Il Messaggero:

Roma, chiude «Circolo ragazzi '48»: memoria storica del ghetto

Il Messaggero schrieb:
Il primo marzo chiuderà «il Circolo dei ragazzi del '48» nel cuore del ghetto di Roma e sua memoria storica. Intitolato a Raimondo di Neris, detto Zì Raimondo, sopravvissuto alla shoah e principale artefice della protesta contro Eric Priebke, il circolo è nato nel 2002 ed è un «Moadon», ovvero un centro culturale, dove si discute di politica, dei problemi della Comunità ebraica e si tiene viva la memoria del ghetto.

Roma ebraica, il 1 marzo addio al Circolo Ragazzi del '48 - Repubblica.it

La Repubblica schrieb:
Tra i "ragazzi" di via Reginella circa anche l'idea di staccare le pietre collocate nella strada, fotografate dai tanti visitatori: tra queste la raffigurazione della deportazione del 16 ottobre e il candelabro a otto bracci.

Zusatzartikel des Corriere della Sera: Circolo dei ragazzi di Zi Raimondo. Chiude lo storico locale del Ghetto

Die am Eingang angebrachte Tafel mit dem Namen des Kulturzirkels, die Erinnerungstafel an die Deportation der römischen Juden am 16. Oktober 1943 und andere jüdische Symbole sollen entfernt werden. Das ist schade. Ich habe sie auf dem Weg ins Ghetto immer mit besonderen Gefühlen betrachtet:



Photo aus diesem Beitrag von mir


Photos aus diesem Beitrag von mir​

Pasquetta schrieb dazu:

Kann es sein, dass hier das dargestellt wird, was David Grossman in seinem Buch Stichwort: Liebe beschreibt:
"Anschel, du erinnerst dich bestimmt, welcher Anblick uns vor dem Eingang zum Allerheiligsten, zur kleinen Gaskammer, erwartete?" Wasserman erinnert sich genau: die Deutschen hatten sich den Vorhang des Thora-Schranks einer Synagoge in Warschau geholt und ihn am Eingang zu den Gaskammern aufgehängt. (Das hatten sie übrigens auch am Eingang zu den Gaskammern in Treblinka so gemacht.) "Dies ist das Tor Gottes, die Gerechten werden eintreten" stand darauf geschrieben, ...
Zitat aus "Stichwort: Liebe" unter "nach Stichwörtern enzyklopädisch erfaßt "HUMOR"
 
Wenn diese Tafeln verschwinden, dann verschwindet auch ein ganz wichtiger Teil der Geschichte Roms.
 
Vatikan im Dritten Reich: Archivar legt Zahlen vor - Radio Vatikan

Das belegt der Vortrag des Archivars des vatikanischen Staatssekretariats Johan Ickx bei der Tagung „Refugee Policies from 1933 until Today: Challenges and Responsibilities“ am Freitag in Rom. Fast 5.000 Juden haben in 280 Klöstern Unterkunft gefunden, 3.000 in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo, 1.460 in katholischen Privathäusern, 60 in Gebäuden auf extraterritorialem Grund und 40 im Vatikan. Die Zahlen gingen aus den Akten des vatikanischen Archivs hervor, so der Vortragende. Ein Abkommen von Oktober 1943 mit den Nationalsozialisten sicherte Ickx zufolge den vatikanischen Gebäuden einen neutralen Status zu.

Vgl.: Archivar: Vatikan bot 9.600 Juden Schutz
 
Pius XII. rettete zwei Drittel aller römischen Juden - Radio Vatikan

Historiker und Vatikanmitarbeiter haben aus vor kurzem wiederentdeckten Dokumenten in vatikanischen und römischen Archiven den Einsatz des Pacelli-Papstes während des Zweiten Weltkriegs für die Juden der Stadt Rom neu einschätzen können. Bei einer Konferenz in Rom mit dem Titel: „Pius XII.: Die schwarze Legende geht bald zu Ende“ wurden auch konkrete Zahlen genannt: Etwa zwei Drittel aller Juden Roms wurden dank der Hilfe von Pius XII. vor den Nazi-Schergen gerettet.
 
Schon die Tatsache, dass es noch 70 Jahre später so hartnäckige Bestrebungen gibt, das nicht sehr glückliche Bild dieses Papstes in der Weltgeschichte zu korrigieren, zeigt das Dilemma der Kirche selbst. Eine erstaunliche Agenda zur Seligsprechung mittels nagelneuer Dokumente. Und schuld war Propaganda der Sowjets - ernsthaft??

Dass zahllose kirchliche Einrichtungen Juden und Männer versteckten, ist ja nun wirklich nichts neues. Auch wenn sich die SS beim Thema Kirche&Vatikan etwas zurückhielt - für die faschistische Polizei und die Koch-Bande galt wahrlich nicht, die führten in Klöstern und Kirchen Razzien durch und arbeiteten am Ende des Tages mit der SS zusammen.
 
Am Nachmittag des 15.3.2017 stellte ich erfreut fest, dass sich die jüdischen Symbole und die Erinnerungstafel an die Deportation der Juden aus dem Ghetto 1943 noch an der Fassade des Hauses mit der Nummer 15 in der Via della Reginella befinden. Das dort 15 Jahre lang beheimatete Kulturzentrum musste leider seine Pforten am 1. März schliessen. Siehe: Juden in Rom

Erst zu Hause fiel mir auf, dass ja in der unteren rechten Ecke (auf dem Foto links) ein Name auf der Erinnerungstafel steht. Leider kann ich ihn nicht entziffern. Den Namen des Künstlers hätte ich gerne gekannt.

Edit: Inzwischen konnte diese Frage mit Pasquettas Hilfe geklärt werden. Es handelt sich um Georges de Canino. Siehe: Rom läutet den Frühling ein und drei folgende Beiträge.
 
Heute jährt sich wieder der Beginn der Deportation der römischen Juden. Daran hat mich Pasquetta mit ihrem heutigen Buchtipp Warum Piero Terracina sein Schweigen brach wieder erinnert.

Juden und Christen erinnern in Rom an Deportation 1943 | domradio.de

Mit einem Schweigemarsch und einem Gebetsgedenken haben Juden und Christen in Rom an die antijüdische Razzia durch die deutsche Besatzung am 16. Oktober 1943 erinnert.
Vgl. folgenden Artikel des Corriere von heute: La lezione della storia. Rastrellamento dell’antico Ghetto 16 ottobre, il dovere della memoria

Nel ‘43 i nazisti catturarono 1.259 cittadini romani, di cui 1.023 vennero portati ad Auschwitz. Solo 16 sopravviveranno: l’ultima, Settimia Spizzichino, è morta nel 2000. Il Corsera continua a chiedere che il 16 ottobre sia proclamato lutto cittadino
 
Als ich im Herbst 2017 zur Via della Reginella 15 kam, musste ich leider feststellen, dass das ehemalige jüdische Kulturzentrum tatsächlich durch einen Souvenirladen der billigsten Art abgelöst worden ist. Ich mochte kaum hinsehen.

Was ich befürchtet hatte, aber sehr gut verstehen kann, ist eingetreten - die so berührende Erinnerungstafel an die Deportation der römischen Juden aus dem Ghetto 1943 wurde inzwischen abmontiert! An ihrer Stelle sieht man nur noch die ältere dunkelrote Farbe der Fassade.

Die anderen jüdischen Symbole und die Marmortafel des Circolo i ragazzi del '48 Zi Raimondo befinden sich noch dort.
Nun gehört dieser Anblick der Vergangenheit an:

 
Wenn diese Tafeln verschwinden, dann verschwindet auch ein ganz wichtiger Teil der Geschichte Roms.
Gegen dieses Vergessen gab es jetzt eine Reise nach Treblinka unter Leitung des Historikers Marcello Pezzetti (der Wiki-Link verfügt leider über keine weitere Sprache) und persönlicher Begleitung durch Nicola Zingaretti, Regional-Präsident des Latium: Regione Lazio, l'orrore e il silenzio: 120 scuole romane in viaggio a Treblinka - Repubblica.it.

Entgegen dieser Überschrift sind allerdings nicht "120 Schulen" [das wären ja wohl insgesamt mindestens rd. 48.000 Personen gewesen, schätzungsweise :roll:] mitgereist, sondern 120 Lehrer an Schulen in Rom und der Region Latium (das Photo allerdings zeigt auch einige Jugendliche).
Ora in quel lager della morte c'è un luogo di memoria, un campo di 600 metri di lunghezza per 400 di larghezza dove furono sterminati almeno 850mila ebrei.
"Questo campo non è come Auschwitz o Birkenau, dove tutto è ancora perfettamente conservato. Qui bisogna immaginare, documentarsi e capire" ha spiegato lo storico della Shoah, Marcello Pezzetti, ai 120 docenti di Roma e del Lazio che partecipano con il governatore Nicola Zingaretti al Viaggio della Memoria in Polonia.
Treblinka, so Shoah-Experte Pezzetti, sei anders als Auschwitz oder Birkenau eben kein Ort perfekt erhaltener Lager-Strukturen; sondern man sei darauf angewiesen, sich an dieser Erinnerungs-Stätte das damals Geschehene vorzustellen. Und ebenso sollten die Lehrer ihre Schüler sensibilisieren, aufmerksam zu sein für die wenigen verbliebenen Zeitzeugnisse - die nämlich nicht mal einfach so im Internet abzurufen seien.
"Se vi abbiamo portato a Treblinka - ha proseguito Pezzetti rivolgendosi ai professori - è perché dovete insegnare agli studenti a documentarsi, cercare testimonianze e diventare loro stessi testimoni. Perché in un'epoca in cui tutto è a portata di mano su internet, gli stessi alunni devono pensare, ricostruire e comprendere la storia e i suoi drammi".
 
Andrea Riccardi: "Der kälteste Winter" - Das Schicksal der Juden im besetzten Rom

Der Holocaust erreichte die italienische Hauptstadt im Herbst 1943, die SS begann mit den Deportationen der Juden aus dem Ghetto. Der Autor Andrea Riccardi beschreibt die Ereignisse und ihre Folgen in seinem Buch "Der längste Winter". Dabei geht es im insbesondere um die Rolle des Vatikan.
Vgl. dazu den Buchtipp hier im Forum: Der längste Winter: Die vergessene Geschichte der Juden im besetzten Rom 1943/44
 
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