Römische Novene: Auf den Spuren der Apostel Petrus und Paulus in Rom

Lieber Padre,
die Berichte hier im Forum zeigen Rom nicht nur aus ganz verschiedenen Perspektiven, sie erinnern mich auch immer wieder an eigene Erlebnisse. So erlebten wir das Angelusgebet mit Franziskus konträr zu dir. Wir warteten im strahlenden Sonnenschein. Während des Gebetes zogen Schatten über den Petersplatz und beim Segen fielen einige Tropfen, so als wuerde der Papst mit Weihwasser segnen.

Wir haben gestern begonnen uns unter Leitung eines Kollegen von dir und einer Pfarrerin mit dem Wirken von Paulus zu beschäftigen. So bin ich natürlich besonders gespannt auf deine weiteren Ausführungen.
 
Direkt neben der Galleria Doria Pamphilj steht die Kirche Santa Maria in Via Lata.


Bisher hatte ich dieser Kirche keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt.
Da geht es dir wie mir ... und allen meinen Vorschreibern; also wieder was für meine Datenbank neuer Ziele.

Im Übrigen habe ich mich von jeher schon leicht amüsiert über den früheren Straßennamen "Via lata". Denn dass der Corso eine breite Straße sein solle, das leuchtet ja uns Heutigen so gar nicht ein. :eek: :] Aber dennoch war es so ... nämlich im Vergleich zum damaligen engmaschigen Gewirr kleiner und kleinster verwinkelter Gässchen im Tiberknie.




(...) San Paolo fuori le Mura. Als ich die Kirche betrat, war ich - wie immer - von ihrer Weite fasziniert.


Jedes Mal, wenn ich sie besuche, ergreift sie mich aufs Neue.
Beide Sätze kann ich auch für mich nur voll und ganz unterschreiben. :nod:

Und hierauf bin ich schon sehr gespannt:
Fast könnte man glauben, man schaut auf eine Photographie.



Hingegen melde ich einen gewissen Widerspruch an in diesem Punkt - wiewohl ich selbstverständlich deinen Gefühlen bzgl. des "Geistes der Bauherren" nicht widersprechen kann:
Beim Verlassen der Metrostation EUR Magliana sah ich schon das „Quadratische Kolosseum“ und steuerte darauf zu.


Ich ging weiter durchs Viertel und musste feststellen, dass ich mich nicht sonderlich wohl fühlte. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass der Geist der Bauherren noch immer von den Gebäuden abstrahlt.


Völlig unbestritten natürlich, dass das EUR-Viertel in seiner Planung auf die Mussolini-Zeit zurückgeht. Dennoch verdient m.E. "der Geist der Bauherren" eine etwas differenzierte Betrachtung - womit ich aber, bitte keine Missverständnisse, nun durchaus nicht behaupten möchte, es hätte hier die bekannte damnatio memoriae seitens einiger Architektur-Historiker bzgl. des EUR-Viertels bedient werden sollen.

Sehr überzeugend, ausführlich und ausgewogen dargestellt hat die Geschichte des EUR-Viertels Franz J. Bauer: Rom (...) Konstruktion eines Mythos - ein sehr gutes Buch :thumbup::thumbup:, das ich mehr als nur einmal gelesen habe - auf den Seiten 273 ff. Darin gibt er den Kritikern u.a. zu bedenken, dass während der Mussolini-Ära fertiggestellt wurden von insgesamt 40 geplanten Gebäuden nur wenig mehr als eben dieses: das Colosseo quadrato ... sowie weitestgehend SS. Pietro e Paolo. Fast alle anderen Gebäude wurden erst ab 1951 weitergeführt ... wenn überhaupt; weil man nämlich teilweise neu plante und etliches Unvollendete abriss. Zwar trifft es zu, dass auch an dieser Fortführung wiederum maßgeblich bzw. leitend mitwirkte "Mussolinis Staats-Architekt" Marcello Piacentini, welcher jedoch zwischenzeitlich rehabiliert worden war - und sich zudem auch schon deutlich vor der Mussolini-Zeit einen Namen gemacht hatte. Wie Bauer nachweist (S. 295 f.), sollte man sein Schaffen nicht etwa auf eine Stufe stellen dem von mit Hitlers Architekten Albert Speer. Zitiert sei hier nur dieser Passus:
So zeichnen sich die EUR-Bauten (mit der wesentlichen Ausnahme des erwähnten Kolosses des Museo della Civiltà Romana) in der Tat bei aller solennen Monumentalität aus durch eine gemessene, helle, alle einschüchternde Düsterkeit vermeidende, mediterran luzide Klassizität. Sie dem Speer-Stil zurechnen kann nur, wer das international vorherrschende Architekturschaffen jener Epoche nicht kennt oder nicht zur Kenntnis nehmen will. Wenn Piacentinis EUR „speerig” sein soll, dann müsste dies in gleicher Weise etwa vom Neubau der University of London oder von der Sheffield Memorial Hall gelten wie vom Gebäude des finnischen Reichstages in Helsinki, von den Bauten für die National Archives, den Federal Reserve Board oder den Supreme Court in Washington; in Paris für das Palais Chaillot am Trocadero, das Musée des Traveaux Publics und selbst für das wunderbare Ensemble des Palais de Tokyo (Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris). Sie alle sind in dem Jahrzehnt zwischen 1930 und 1940 entstanden, sie alle basieren auf einer axialsymmetrischen Ordnung und bedienen sich des klassizistischen Formenkanons mit mächtig aufstrebenden Steinfassaden oder reichlicher Verwendung majestätischer Säulenformen; und sie unterscheiden sich in ihrem Ausdrucksgestus in nichts von den großen Bauwerken für die E42.

Öffentliches Bauen erfolgt in den 30er Jahren des 20. Jh. rund um die Welt (...) im Stil des Klassizismus, weil dieser Stil ganz offensichtlich dem gemeinsamen Ausdrucksbedürfnis der Epoche entspricht.
Und siehe, in genau diesem klassizistischen Sinne scheint dich SS. Pietro e Paolo (ebenfalls weitestgehend fertiggestellt vor 1942) ja durchaus überzeugt zu haben ;):
Dann weiter zu der Kirche Santi Pietro e Paolo. Sie passt ganz gut ins Viertel hinein: klare Formen, sehr sachlich und gewaltig.


Ebenso wie Ludovico konnte auch ich sie schon einmal von innen sehen (habe allerdings auf Innenraum-Photos verzichtet), nämlich während und nach der Messfeier dort an einem Sonntag im August 2013: http://www.roma-antiqua.de/forum/rom_88/ss_pietro_e_paolo_eur-27355/. Und auch mir gefällt sie durchaus, wenngleich von innen etwas weniger als von außen.









Sankt Peter und Paul wachen über ihre Kirche.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hingegen melde ich einen gewissen Widerspruch an in diesem Punkt - wiewohl ich selbstverständlich deinen Gefühlen bzgl. des "Geistes der Bauherren" nicht widersprechen kann:

Völlig unbestritten natürlich, dass das EUR-Viertel in seiner Planung auf die Mussolini-Zeit zurückgeht. Dennoch verdient m.E. "der Geist der Bauherren" eine etwas differenzierte Betrachtung - womit ich aber, bitte keine Missverständnisse, nun durchaus nicht behaupten möchte, es hätte hier die bekannte damnatio memoriae seitens einiger Architektur-Historiker bzgl. des EUR-Viertels bedient werden sollen.

Sehr überzeugend, ausführlich und ausgewogen dargestellt hat die Geschichte des EUR-Viertels Franz J. Bauer: Rom (...) Konstruktion eines Mythos - ein sehr gutes Buch :thumbup::thumbup:, das ich mehr als nur einmal gelesen habe - auf den Seiten 273 ff. Darin gibt er den Kritikern u.a. zu bedenken, dass während der Mussolini-Ära fertiggestellt wurden von insgesamt 40 geplanten Gebäuden nur wenig mehr als eben dieses: das Colosseo quadrato ... sowie weitestgehend SS. Pietro e Paolo. Fast alle anderen Gebäude wurden erst ab 1951 weitergeführt ... wenn überhaupt; weil man nämlich teilweise neu plante und etliches Unvollendete abriss. Zwar trifft es zu, dass auch an dieser Fortführung wiederum maßgeblich bzw. leitend mitwirkte "Mussolinis Staats-Architekt" Marcello Piacentini, welcher jedoch zwischenzeitlich rehabiliert worden war - und sich zudem auch schon deutlich vor der Mussolini-Zeit einen Namen gemacht hatte. Wie Bauer nachweist (S. 295 f.), sollte man sein Schaffen nicht etwa auf eine Stufe stellen dem von mit Hitlers Architekten Albert Speer. Zitiert sei hier nur dieser Passus:
So zeichnen sich die EUR-Bauten (mit der wesentlichen Ausnahme des erwähnten Kolosses des Museo della Civiltà Romana) in der Tat bei aller solennen Monumentalität aus durch eine gemessene, helle, alle einschüchternde Düsterkeit vermeidende, mediterran luzide Klassizität. Sie dem Speer-Stil zurechnen kann nur, wer das international vorherrschende Architekturschaffen jener Epoche nicht kennt oder nicht zur Kenntnis nehmen will. Wenn Piacentinis EUR „speerig” sein soll, dann müsste dies in gleicher Weise etwa vom Neubau der University of London oder von der Sheffield Memorial Hall gelten wie vom Gebäude des finnischen Reichstages in Helsinki, von den Bauten für die National Archives, den Federal Reserve Board oder den Supreme Court in Washington; in Paris für das Palais Chaillot am Trocadero, das Musée des Traveaux Publics und selbst für das wunderbare Ensemble des Palais de Tokyo (Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris). Sie alle sind in dem Jahrzehnt zwischen 1930 und 1940 entstanden, sie alle basieren auf einer axialsymmetrischen Ordnung und bedienen sich des klassizistischen Formenkanons mit mächtig aufstrebenden Steinfassaden oder reichlicher Verwendung majestätischer Säulenformen; und sie unterscheiden sich in ihrem Ausdrucksgestus in nichts von den großen Bauwerken für die E42.

Öffentliches Bauen erfolgt in den 30er Jahren des 20. Jh. rund um die Welt (...) im Stil des Klassizismus, weil dieser Stil ganz offensichtlich dem gemeinsamen Ausdrucksbedürfnis der Epoche entspricht.
Und siehe, in genau diesem klassizistischen Sinne scheint dich SS. Pietro e Paolo (ebenfalls weitestgehend fertiggestellt vor 1942) ja durchaus überzeugt zu haben ;):

Guten Abend,Gaukler,
vielen Dank für Deine lange und informative Rückmeldung, über die ich mich sehr gefreut habe! Ich muss zugeben, dass der Besuch des EUR-Viertels sehr spontan war und gar nicht auf meiner Agenda stand. In der Metro sah ich, dass das EUR nur zwei Haltestellen von Sankt Paul vor den Mauern entfernt ist - und so fuhr ich dorthin. Ich muss zugeben, dass ich über die Geschichte des EUR nicht viel wusste! Ich mag diese Art der Architektur einfach nicht, egal ob in Deutschland - oder anders wo. Ich bin ihr in so geballt, so glaube ich, auch noch nie begegnet. Zudem kam, dass die Menschen, die mir dort innerhalb einer Stunde begegneten, an einer Hand abzuzählen waren. Das war schon ein bisschen geisterhaft ...

Ich habe wenig Ahnung von der Gesichte Italiens in der Zeit des Faschismus, vielleicht habe ich die Bauten zu sehr mit Speer in Verbindung gebracht, obwohl ich weiß, dass die "Entstehung" dieses Baustils nichts mit der unsäglichen Gesinnung zu tun hat, die ihn später für ihre Zwecke benutzte. Aber irgendwie lässt sich das auch nur schwer differenzieren, umso dankbarer bin ich für Deinen "gewissen Widerspruch", der durchaus berechtigt ist.

Liebe Grüße
Padre
 
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.

VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für die Fortsetzung

:thumbup: :thumbup: :thumbup:​


Die Kirche S. Maira in Via Lata scheint von außen nicht restauriert zu sein. Ich habe nur die Krypta besuchen können, die Oberkirche war zum Zeitpunkt meines Besuches nicht zugänglich.

Ich meinte schon die Kryta ... wenn ich mich recht erinnere sollte das Eintrittsgeld (+ ggf. einer kleinen Spende) für eine Renovierung verwendet werden ...



Auf diesem Spaziergang entdeckte ich eine Kirche, die für die Fans der römischen Antike sicher interessant ist. Davon werde ich zu gegebener Zeit berichten.

-> darauf bin ich schon gespannt ...
 
Marcello Piacentini

Übrigens noch ein Nachtrag zu meinem Beitrag von dieser Tage - genauer: zu Marcello Piacentini.
Sehr überzeugend, ausführlich und ausgewogen dargestellt hat die Geschichte des EUR-Viertels Franz J. Bauer: Rom (...) Konstruktion eines Mythos - ein sehr gutes Buch :thumbup::thumbup:, das ich mehr als nur einmal gelesen habe - auf den Seiten 273 ff. Darin gibt er den Kritikern u.a. zu bedenken, dass während der Mussolini-Ära fertiggestellt wurden von insgesamt 40 geplanten Gebäuden nur wenig mehr als eben dieses: das Colosseo quadrato ... sowie weitestgehend SS. Pietro e Paolo. Fast alle anderen Gebäude wurden erst ab 1951 weitergeführt ... wenn überhaupt; weil man nämlich teilweise neu plante und etliches Unvollendete abriss. Zwar trifft es zu, dass auch an dieser Fortführung wiederum maßgeblich bzw. leitend mitwirkte "Mussolinis Staats-Architekt" Marcello Piacentini, welcher jedoch zwischenzeitlich rehabiliert worden war - und sich zudem auch schon deutlich vor der Mussolini-Zeit einen Namen gemacht hatte.
Wie nämlich vor Kurzem ausgeführt, nachdem wir ihm begegnet waren in unserem derzeit laufenden Reiseberichts-Thread: Villa Madama: Renaissance-Juwel am Monte Mario.

In diesem Kontext hatte ich schon mal ein paar Sätze über ihn geschrieben:
Dabei fällt mir als ein bemerkenswertes, weil hier nicht erwartetes Kaleidoskopsteinchen sofort der Name des Architekten in's Auge, Leiter der Renovierung 1925-1928: Marcello Piacentini (1881-1960).

Natürlich wusste ich um seine maßgebliche Rolle in der Scuola Romana - jenem Architektenkreis aus den 20-er Jahren, welcher seinerzeit die öffentliche Baukunst Italiens dominierte, nicht nur in Rom (Näheres s. z.B. hier: Architektur des Rationalismus und Faschismus im "Großvenedig" der 1930er) Dennoch: Mit Arbeiten an einer Renaissance-Villa hätte ich ihn zuvor nicht in Verbindung gebracht. :eek: Sondern in meinem Bewusstsein war er verankert einerseits als "erster Staatsarchitekt Mussolinis" (so der obige Wiki-Link) - und andererseits: deutlich mehr noch, deutlich liebenswerter als einer der Väter der "Gartenstadt" Garbatella.
Garbatella

Das Stadtviertel auf den sich unweit von St. Paul vor den Mauern erhebenden Hügeln wurde in den 20er Jahren als ein Wohnviertel für die Arbeiterklasse konzipiert, und zwar als soziales Projekt und Gartenstadt (città giardino). Der ursprüngliche vollständige Name "Borgata Giardino Concordia" war Programm, setzte sich aber nicht durch. Wie daraus "Garbatella" wurde, dazu fand ich verschiedene Lesarten; jedoch gemeinsam basierend auf dem Adjektiv "garbato", was so viel heißt wie "angenehm, liebenswürdig". Manche schreiben, man habe dem ein "-ella" angehängt, um ein Element von Leichtigkeit und familiärer Vertrautheit hineinzubringen; andere erklären es für eine Zusammenziehung mit dem Wort "ostello" für "Herberge".


La Garbatella

Jedenfalls, und wie dem nun auch sei, konnten wir auf unserem Weg feststellen: Das Liebenswürdige und Lebenswerte, welches seine Erbauer dem Stadtviertel Garbatella mitgeben wollten, ist auch heute noch - nach annähernd 100 Jahren und mancherlei Verfall - durchaus gut zu erkennen! :nod: :thumbup::thumbup::thumbup:​

Einige Erläuterungen und weitere schöne Bilder findet ihr auch hier: Lively Garbatella - a rione with a very roman heart.

... und so weiter, und so fort. ;)
Rückblickend denke ich nun, dass in dieser liebenswürdig-verspielten Leichtigkeit von Garbatella auch jenes Talent Piacentinis aufscheint, wovon seine einfühlsame Restaurierung der Villa Madama so beredt Zeugnis ablegt.
Man sieht: Er war als Architekt wirklich sehr vielseitig begabt. 8)
 
Ich komme gerade von einer langen und anstrengenden Fortbildung zurück, so habe ich Gauklers Nachtrag eben nur kurz überfolgen. Heute geht nichts mehr in meinen Kopf hinein - aber (hoffentlich) morgen!?
 
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IV.
Montag, 6. Januar 2014

An diesem Morgen weckte mich die Sonne und so machte ich mich auf den Weg zum ersten Ziel des Tages, die Kirche Santi XII Apostoli. Sie liegt in der Nähe der Piazza Venezia.


Hier besuchte ich, zusammen mit einer sehr überschaubaren Gemeinde, die Messe. Nach der Messe begegneten mir in der Krypta zwei weitere Apostel, mit denen ich gar nicht gerechnet hatte: Philippus und Jakobus.



In der Vorhalle:



Nach dem Besuch von Santi XII Apostoli ging es erneut auf den Kapitolshügel,



um „römisches Neuland“ kennenzulernen: den Carcer Tullianus. Dieses römische Gefängnis befindet sich am Südabhang des Kapitol, nahe dem Forum Romanum.


Hier warteten die Feinde des römisches Reiches auf ihre Hinrichtung. Nachdem sie stranguliert wurden, landeten die Leichname in die Cloaca Maxima und somit in den Tiber. Die Legende besagt, dass die beiden Apostel hier gefangen waren, um auf ihr Urteil zu warten. Dabei sollen sie ihren ihren Mitgefangenen und Wärtern zum christlichen Glauben bekehrt haben. Auf wunderbarer Weise soll - durch die Apostel - dort eine Quelle entsprungen sein, um taufen zu können. Ich betrat den oberen Teil des Gefängnisses, den Carcer. An diesem Morgen war ich der einzige Besucher und dieser Raum war alles andere als gemütlich.


Eine enge Treppe führt ins Tullianum hinab. Nach der Legende soll Petrus, als er die Treppe hinuntergeführt wurde, gestolpert sein und stieß mit dem Kopf an die Wand . Die Wand gab an dieser Stelle nach und die Delle kann man noch heute, durch ein Gitter geschützt, betrachten.


Wen man die Evangelien ließt, dann kann man schon sagen, dass Petrus schon einen Dickkopf besaß. Ob der genügte, um so eine Delle zu hinterlassen …? Als ich das Tullianum betrat, stand es tatsächlich einige Zentimeter unter Wasser. Auf einen Steg konnte ich trockenen Fußes ins Innere gehen. Dieser Ort ist heute noch unheimlich und ich versuchte mir vorzustellen, was sich hier alles zugetragen hat.


Nach diesem dunklen Ort ging es wieder ans Licht, ein kurzer Blick aufs Forum



und dann auf die Via dei Fori Imperiali, die auch an diesem Tag autofrei war. Nach langer Zeit wollte ich meiner absoluten Lieblingskirche einen Besuch abstatten. Kurz bevor ich SS. Cosma e Daminano betrat, wurde ich Zeuge eines lauten Naturspektakels. Ein riesiger Möwenschwarm überflog das Augustus- und Trajansforum.


In letzter Zeit ist hier im Forum einiges über SS Cosma e Damiano berichtet worden, daher hier nur einige Fotos.


Es ging weiter in Richtung Kolosseum,


dann am Circus Maximus vorbei


und dann stand ich am Fuß des Aventin. Durch den Zaun des Roseto Comunale konnte ich die letzten Rosen einfangen.


Gleich hinter dem Rosengarten fand ich ein Hinweisschild zur Kirche S. Prisca all'Aventino. Auf meinem Weg dorthin, hatte ich kaum Hoffnung die Kirche noch geöffnet vorzufinden. Doch ich hatte Glück. Dort, wo heute die Kirche steht, befand sich nach der Überlieferung das Haus der heiligen Aquila und Prisca,


einem Ehepaar, dass zu den Jüngern des Paulus gehörte und eng mit ihm zusammenarbeitete. Paulus spricht von ihnen mehrmals in seinen Briefen. In den Jahren 49-50 ließ Kaiser Claudius die Juden aus Rom vertreiben. Davon waren auch Aquila und Prisca betroffen und flohen nach Korinth, dort trafen sie Paulus. Er schloss sich ihnen an, da die beiden, wie er, Zeltmacher waren. Sie lebten zwei Jahre zusammen. Nach einem Aufenthalt in Ephesus, gingen Aquila und Prisca wieder nach Rom zurück. Ihr römisches Haus war ein Zentrum der dortigen Gemeinde. Im Römerbrief richtet Paulus folgenden Gruß an Aquila und Prisca: „Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus. Sie haben für mein Leben ihren Nacken eingesetzt. Dafür bin nicht nur ich, sondern alle Gemeinden der Heiden ihnen dankbar. Grüßt auch die Gemeinde in ihrem Hause“ (Röm 16, 3-5).

Hier noch einige Bilder aus der Kirche:

Da in S. Sabina gerade eine Messe gefeiert wurde, schaute ich nur kurz hinein.


Es ging weiter zu den Maltesern.


Vor dem berühmten Schlüsselloch hatte sich eine lange Schlange gebildet, die ich aber ignorierte. Bald darauf stand ich in der Abteikirche von S. Anselmo,


die von dicken Weihrauchschwaden erfüllt war. Mir gefällt diese schlichte Kirche sehr. Ich fand auch die Krippe dort sehr nett.


Der Klosterladen war noch geöffnet und ich stöberte dort eine Weile herum. Auf dem Rückweg kehrte ich in Sant'Alessio ein, die ich zum ersten Mal besuchte. Die Krypta gefiel mir sehr gut.


Ein Blick in die Oberkirche:


Vorhalle und Hof:


Außenansicht:


Danach legte ich im nahe gelegenden Orangengarten eine längere Pause ein und genoss die herrliche Aussicht.





Nach der Pause verließ ich den Aventin


und es ging nun zum Forum Boarium


und zum Janusbogen, den ich das erste Mal aus nächster Nähe betrachtete. Lange Zeit dachte ich, er sei so eine Art Triumphbogen. Aber weit gefehlt: Er war ursprünglich die Überdachung einer Straßenkreuzung.


Es folgte ein Kurzbesuch der Kirche S. Giorgio al Velabro. Auch hier war ich allein.


Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass man in Rom Orte der Ruhe finden kann, die sich nur wenige Schritte von umlagerten Touristenattraktionen befinden. Eine Kirche, an der ich schon oft vorbeigegangen bin und mir nun genauer anschauen wollte war San Nicola in Carcere.


Beim Vorbeigehen waren mir die antiken Säulenreste aufgefallen, die sich in einer der Seitenwände befinden. Ebenso die Fassade, die von Giacomo della Porta stammt und der etwas klobig wirkende Glockenturm, der ursprünglich als Wehrturm diente. Ich schaute mich in der Kirche um und war ganz erstaunt, als ich einen Padiglione entdeckte.


Ursprünglich war er eine der Insignien einer Basilika. Vor dem Hauptaltar ging es in die Unterkirche hinab, allerdings war der Durchgang durch eine Gebetsbank versperrt. Ein Schild gab Auskunft, dass man bei Interesse an einer Besichtigung am Büchertisch im Eingangsbereich nachfragen solle. Dies tat ich auch und nachdem ich 2 oder 3 € Eintritt gezahlt hatte, begleitete mich eine junge Frau zum Altar, schob die Bank zur Seite und wünschte mir viel Spaß beim Besichtigen. Ich stieg dann in die Tiefen von San Nicola hinab.


Hier wurde ich gewahr, dass sich hier eine antike Tempelanlage befand, die aus drei Tempeln bestand. Ich empfand es als sehr hilfreich, dass ich immer wieder auf solche Tafeln stieß, die mir veranschaulichten, in (oder unter) welchem antiken Bauteil ich mich gerade befand.


Auch dieser römische Untergrund hatte schon etwas unheimliches an sich. Ich war schon ein wenig erleichtert, das irgendwann noch weitere Besucher kamen und ich nicht mehr allein war.


Von San Nicola ging es dann weiter in Richtung Altstadt. Dies war ein Fehler, wie sich sich bald herausstellte, denn je näher ich mich der Piazza Navona näherte, umso voller wurde es. Es schien so, als sei ganz Rom auf den Beinen. Alles steuerte auf die Piazza Navona zu, denn jeder wollte wohl noch einmal den Weihnachtsmarkt erleben.


Auf der Piazza selbst ging dann gar nichts mehr. Eine riesengroße Menschenmenge bewegte sich im Schneckentempo über den Platz, ein reinster Hexenkessel. Nach dem ruhigen Vormittag war dieser Menschenauflauf absolut nervig. Langsam kam auch der Hunger bei mir auf, aber ich hatte keine Chance, da jedes Restaurant total überfüllt war. Letztendlich fand ich eine kleine Bar und ergatterte dort eines der letzten Panini und machte mich in Richtung Unterkunft auf. Auf dem Weg besorgte ich mir in einem Supermarkt etwas zum Essen und ging am frühen Abend wieder in Centro storico. Es wirkte wie ausgestorben und in jedem Restaurant war nun ausreichen Platz.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Padre,

vielen Dank für die Teilfortsetzung.

Ich habe gedacht, dass Du vielleicht am 06.01. in Petersdom bei päpstlicher Messer gewesen wärest.

Deine Texte und Fotos über Carcer Tullianus sind sehr bewegen, danke, nun kenne ich auch die anderen Seite des christlichen Roms.
Ähnliches Quellenwasser gibt es auch in San Clemente, in der unteren Kirche.

SS Cosma e Damiano: Tizia hat uns auch darüber erzählt, leider hatten wir diesmal keine Zeit mehr dafür. Die Fotos sind sehr schön geworden.

Freie blaue Himmel mit tanzenden Möwen, verletzte Kolosseum und die letzte zarte Rosa, ein schönen Essay hast Du uns geschenkt.
Danke!

schönen Abend,
Qing
 
Hallo Padre,

vielen Dank für diesen interessanten Bericht. Bisher habe ich den Besuch des Carcer Tullianus vermieden aber ich denke er gehört als nächstes auf meine Liste.

Die Möwenbilder sind toll. Und von SS. Cosma e Damiano hast du sehr schöne Fotos gemacht. Dir scheint neben dem Innenraum auch der Vorhof zu gefallen wie mir. Aber auch innen hast du auf ganz neue Perspektiven hingewiesen. Danke!:thumbup::thumbup::thumbup:

Viele Grüße

Tizia
 
Ich hatte eine Einlasskarte für die Papstmesse am Dreikönigstag, habe sie aber weitergegeben. Inzwischen besuche ich gerne Messen in anderen Kirchen. Es gibt in Rom Rom so viele interessante Kirchen. Richtig begreife ich sie nur, wenn ich sie als liturgischen Raum wahrgenommen habe.
 
Liebe Tizia,
ich werde Deinen Bericht über SS. Cosama e Damiano mit meinem verlinken. Du hast diese Kirche so liebevoll beschrieben, wie ich es nicht kann.

Gruß
Padre
 
In der Vorhalle:


Hallo Padre, was ist denn das auf dem Bild?

Ein riesiger Möwenschwarm überflog das Augustus- und Trajansforum.


Ich kann mir das Spektakel richtig vorstellen.:~:lol:8)

und dann stand ich am Fuß des Aventin. Durch den Zaun des Roseto Comunale konnte ich die letzten Rosen einfangen.


Vielen Dank für die Rosen, da kommen Erinnerungen an vergangene Sommer in Rom :nod:
 
Liebe Tizia,
ich werde Deinen Bericht über SS. Cosama e Damiano mit meinem verlinken. Du hast diese Kirche so liebevoll beschrieben, wie ich es nicht kann.

Gruß
Padre

Die fast ein wenig versteckte Kirche fand ich auch wunderschön. Ich konnte leider keine Fotos machen, weil gerade ein Gottesdienst stattfand.

Von daher Danke für die schönen Bilder Padre!
 

Hallo Padre,
an dieser Säule in deinem Foto soll der Apostel Petrus der Legende nach während seiner Gefangenschaft im tullianischen Kerker angekettet gewesen sein. Die dazugehörigen Ketten, die in San Pietro in Vincoli aufbewahrt sind, werden wir im Verlauf deines sehr schönen Berichts sicher noch zu sehen bekommen.


Im tullianischen Kerker (viele werden ihn eher unter seinem gebräuchlicheren Namen "mamertinischer Kerker" kennen) ist auch noch eine Tafel mit den Namen prominenter Insassen angebracht.

http://www.roma-antiqua.de/abbildungen/antikes_rom/forum_romanum/tullianum3.jpg

Sie listet bekannte Namen wie den Gallier Vercingetorix, den numidischen König Jugurtha oder die an der catilinarischen Verschwörung beteiligten Lentulus und Cethegus auf, ergänzt durch Jahr der Hinrichtung und die Art derselben (strangolato=erdrosselt oder decapitato=enthauptet).
 
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