Rom: Roms Bürgermeisterin in der Kritik

Nun, m.E. stand von allem Anfang an nichts anderes zu erwarten. :twisted: :~

Und ganz bestimmt teile ich diese Ansicht mit jeder Menge anderer Leute.
 
Ein hyperkritischer Artikel, der nach gerade einmal zweieinhalb Monaten Amtszeit ziemlich maßlos auf mich wirkt. Medien, die den Altparteien nahestehen, stürzen sich natürlich auf jeden Lapsus einer unerfahrenen Frau, der leider jeder gerne dreinreden würde. Auch dieser Autor hat wohl erwartet, dass die Probleme per Fingerschnippen weggehen, aber Zaubern kann Raggi nicht. Hier wurde über Jahrzehnte verkrustet und zerwirtschaftet, und den ganzen Apparat kann man eben nicht sofort entmachten oder erneuern. Am Ende ist es mir aber egal, ob der Bürgermeister Marino oder Raggi heisst - ich begrüße jeden frischen Wind und jede neue Idee für Rom!
 
M.E. ist Rom praktisch unregierbar geworden.

Was den "frischen Wind" angeht: Darauf hoffen alle Protestwähler - egal, welcher Partei und in welchem Land. Aber meist verpufft dieser Effekt sehr rasch.
 
Das Problem sind auch u.a. die pauschalen Versprechungen, die im Wahlkampf abgegeben wurden. Gerade in Bezug auf das Müllproblem und den ÖPNV ist die Umsetzung für jeden sichtbar. Daran wird sie jetzt von jedem gemessen, auch wenn es realistisch nicht in wenigen Monaten lösbar ist. Geht es um irgendwelche internen Probleme, sieht der Wähler den Fortschritt nicht direkt.
 
Rom hat jede Menge Potenzial. So viele Bürger, die ihre Stadt lieben und sie verbessern wollen, die sich aber privat organisieren müssen, anstatt in öffentlichen Projekten. Dies gilt es zu heben, und dann könnte man auch den Fatalismus in den Köpfen wegbekommen.

Ich plädiere entschieden dagegen, eine Regierung am Beginn ihrer Amtszeit nach dem Motto "was nicht erreicht werden wird" zu verurteilen. Das darf gerne am Ende geschehen, rückblickend mit "was erreicht werden konnte". Die Amtsvorgänger Raggis können schon genug Bibliotheken füllen mit "was nicht erreicht werden konnte und wir vorsichtshalber gar nicht erst versucht haben".
 
Das Problem sind auch u.a. die pauschalen Versprechungen, die im Wahlkampf abgegeben wurden. Gerade in Bezug auf das Müllproblem und den ÖPNV ist die Umsetzung für jeden sichtbar. Daran wird sie jetzt von jedem gemessen, auch wenn es realistisch nicht in wenigen Monaten lösbar ist. Geht es um irgendwelche internen Probleme, sieht der Wähler den Fortschritt nicht direkt.
Richtig.

Bzgl. des ÖPNV sind die Römer nun natürlich besonders verärgert, weil die Taktung einer ganzen Reihe von Linien zusammengestrichen wurde (und prompt gab es Kommentare von der Sorte, dann sollten gefälligst auch die Fahrpreise gesenkt werden). Dabei glaube ich den dafür Verantwortlichen zunächst einmal durchaus, dass diese "Reduzierung" den in Wahrheit schon seit langer Zeit gegebenen Ist-Stand (d.h. einsatzbereiter Verkehrsmittel) abbildet. Aber der leidgeprüfte römische Pendler denkt sich natürlich: Es verkehren auf alle Fälle nur höchstens ca. 3/4 der fahrplanmäßigen Fahrzeuge; d.h. auch der reduzierte Fahrplan ist Augenwischerei.

Filz und Klüngel und Korruption sind ja bei Weitem nicht nur ein römisches Problem; aber in Rom scheint mir das doch ganz besonders heftig zu sein. Im Grunde brauchte es eine staatlich gelenkte konzertierte Aktion (denn eine Stadtverwaltung kann damit nicht mehr fertig werden - aber natürlich eine so schwache umso weniger). Dafür jedoch dürfte es schon am nötigen juristischen Instrumentarium fehlen - vom politischen Willen einmal ganz zu schweigen.
 
Ich plädiere entschieden dagegen, eine Regierung am Beginn ihrer Amtszeit nach dem Motto "was nicht erreicht werden wird" zu verurteilen. Das darf gerne am Ende geschehen, rückblickend mit "was erreicht werden konnte".
Das sehe ich ähnlich, aber wir betrachten das auch aus gebührendem Abstand, da wir nicht in Rom leben.
Diesen Abstand haben viele der Wähler einfach nicht und vielleicht auch nicht den Überblick über das "große Ganze". Da setzt dann auch mal die Vernunft aus, was man aber auch irgendwo verstehen kann, gerade in Bezug auf das Müllproblem.
 
Zusatz:

So ist das gemeinhin in Diktaturen: Der Parteichef kommt zur Krisensitzung des Politbüros hinter verschlossenen Türen. Danach wird ein Mitglied im Amt bestätigt, ein anderes muss Selbstkritik üben. Darüber gibt es aber keine öffentliche Pressekonferenz, sondern nur eine Erklärung. Die ewig unregierbare Stadt Rom hat dergleichen in bald 2700 Jahren Geschichte sicherlich schon erlebt. Aber im Juni dieses Jahres war die erst 38 Jahre alte Rechtsanwältin Virginia Raggi von der „Bewegung Fünf Sterne“ dafür gewählt worden, dass so etwas eben nicht mehr vorkommt und Rom endlich aus seinem Dickicht aus Korruption in eine „transparent geführte Stadt ihrer Bürger“ verwandelt wird. Aber es kam genau so, wie es nicht kommen sollte.
 
Aktueller Zusatz: Ermittlungen gegen Roms Bürgermeisterin: Der gefallene Stern der Virginia Raggi - heute-Nachrichten

Für heute hatte die Staatsanwaltschaft Raggi vorgeladen, jetzt wurde der Termin kurzfristig verschoben. Ihr wird Amtsmissbrauch bei der Ernennung von Renato Marra, dem Tourismusdirektor Roms, vorgeworfen. Dummerweise ist er ausgerechnet der Bruder von Raffaele Marra, einst Raggis wichtigster Mann, bis ihn im Dezember 2016 der lange Arm der Justiz wegen Korruptionsvorwürfen aus dem Verkehr gezogen hatte.
 
Einmal mehr hat die Raggi sich nicht eben beliebter gemacht - nämlich durch ihr Fernbleiben von der heutigen Gedenkfeier in den Fosse Ardeatine:
Raggi diserta Fosse Ardeatine. Opposizioni: "Mai successo, nemmeno con Alemanno" - Repubblica.it

Sondern sie weilt im Ski-Urlaub ... während sich zum Gedenken an der Via Ardeatina Staatspräsident Mattarella mit der italienischen Polit-Prominenz versammelte:
Alla cerimonia hanno partecipato le massime cariche dello Stato, dal presidente della Repubblica Sergio Mattarella, il presidente del Senato Pietro Grasso, il vicepresidente della Camera Simone Baldelli, il ministro della Difesa Roberta Pinotti e i vertici delle forze armate.
Das Skifahren sei der Dame Raggi zwar gegönnt ... aber es war trotzdem nicht eben klug, diese weitere Angriffsfläche zu bieten. :twisted:

Und übrigens gerade gestern erst musste sie weitere Kritik einstecken seitens der New York Times: Die neuen italienischen Politiker sind keineswegs besser als die alten.
Virginia Raggi, dimostrazione che i nuovi politici italiani non sono megli dei vecchi - Repubblica.it
(...) l’amministrazione Raggi come la prova che il partito è preparato a far cadere un governo ma non ad assumersi le responsabilità del governo, la dimostrazione che i nuovi politici italiani non sono molto meglio dei vecchi, non immuni dalla corruzione, non meno inefficaci e non meno impopolari.
Die Raggi-Administration beweist: Die 5-Sterne-Bewegung war bereit, eine Regierung zu stürzen - jedoch nicht, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die neuen italienischen Politiker sind nicht besser als die alten: weder immun gegenüber der Korruption, noch weniger ineffektiv, noch weniger unpopulär.
 
Mittlerweile hat auch unser Forums-Robot einen Artikel dazu beigetragen: Raggi, un'assenza indegna
Also eine "unwürdige Abwesenheit".

Denn wie könne sie, bei allem Verständnis für ihren Urlaub, in einer für Rom so wichtigen Woche sich zum Skifahren ins Gebirge zurückziehen?

Wie könne sie ihren Amtsgeschäften fernbleiben, während sich die italienische Hauptstadt mit großem Aufwand vorbereite auf die 60-Jahr-Feier der Römischen Verträge von 1957?

Und vor allem: Auch wenn sie die Fosse Ardeatine letzten Sommer schon einmal besucht habe - aber es sei ein unwürdiges Verhalten, dass nunmehr sie als erstes römisches Stadtoberhaupt die offizielle Gedenkfeier dort geschwänzt habe.

Und das, wo doch die "5 Sterne" stets behauptet hätten, es besser zu machen als alle anderen Politiker.
Ma, con tutta la comprensione di questo mondo, come si fa ad andarsene a sciare in montagna in una settimana così cruciale per la vita della Capitale? A parte il dibattito nell’assemblea capitolina sulla situazione politica della giunta in seguito alle note vicende che, comunque, è stato posticipato, come si fa a non seguire da vicino il delicato appuntamento di fine settimana che vedrà celebrare i Campidoglio, alla presenza di tutti i massimi leader continentali, il sessantesimo dei “Trattati di Roma” per la costruzione europea?

Seguire da vicino la preparazione di un evento che sarà circondato in città da numerose manifestazioni di protesta, di vario ordine e grado, di varia entità e, alcune, di grande delicatezza per il mantenimento dell’ordine pubblico, dovrebbe essere un imperativo per il sindaco in carica. E poi, al di là dei doveri di governo sul campo e di rappresentanza istituzionale, una sindaca che è anche esponente del M5s, supercritico di questa Europa delle élite, non avrebbe dovuto cogliere l’occasione per far sentire nel modo più alto e solenne la voce del suo Movimento e di chi chiede un cambiamento radicale nelle politiche europee? E chiederlo ai leader che si apprestano a celebrare dell’Europa, non si sa bene, se il suo rilancio o il suo funerale?

Ma la cosa che più indigna è stata l’assenza della sindaca alla celebrazione anticipata dell’anniversario dell’eccidio delle Fosse Ardeatine. Sarebbe stata la prima volta per lei di presenziare come sindaco a una cerimonia commemorativa di quell’infame strage che la continua a legare, attraverso innumerevoli fili, alla memoria della città. Certo Virginia Raggi, nel giugno scorso nel primo giorno della sua sindacatura, rese omaggio alle vittime ardeatine, ma la sua assenza di oggi effonde a ritroso un alone di esteriorità rituale a quella presenza.
 
Nach wie vor in hellem Aufruhr das Wespennest, in das die Dame Raggi da gestochen hat: Roma, Fosse Ardeatine la sindaca non va all'anniversario: "Sgarbo mai visto" - Repubblica.it

Wie wir ja schon wissen: Die höchste italienische Politprominenz war versammelt ... :~
C'erano tutti, dal capo dello Stato Sergio Mattarella alla ministra della Difesa Roberta Pinotti, dal governatore Nicola Zingaretti alla presidente della “associazione famiglie dei martiri” Rosina Stame, ma non Virginia Raggi.
Eine noch nie dagewesene Unhöflichkeit, heißt es: Skifahren war sie - ausgerechnet während des Gedenkens an die Resistenza, aus welcher die italienische Republik geboren wurde ...
"Credo sia la prima volta nella storia della Repubblica, nata dalla Resistenza, che alla celebrazione in ricordo delle Fosse Ardeatine il sindaco di Roma sia assente. Raggi preferisce sciare", accende la miccia il deputato pd Marco Miccoli.
Una sindaca senza memoria è una sindaca senza futuro.
Oh, oh ... :~
 
Ob dieser geballten Kritik bin ich versucht eine Lanze für die Bürgermeisterin zu brechen. Wie wir alle, braucht sie vielleicht auch mal eine Auszeit von einem knallharten Job und allen kann man es nie recht machen. In jeder Woche gibt es bestimmt Termine, an denen man in ihrer Position "unbedingt" teilnehmen muss. Auch ein Bürgermeister ist nur ein Mensch mit einer Gesundheit, die nicht unbedingt zugrunde gerichtet werden soll.
 
Dieses Amt dort oben auf dem Kapitol ist, so fürchte ich, geeignet, nahezu jeden Inhaber zugrundezurichten. :~
 
Hierfür kann die Dame Raggi einem ja fast leid tun:
(...)
Im Grunde braucht man es gar nicht erst zu sagen ... aber es steht auch in dem Artikel: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Denn sie hat die O-Busse ja gerade gestern erst "eingeweiht" - begleitet von Medienrummel, markigen Worten und hochfliegenden Plänen.

Man kann wirklich nicht behaupten, dass alles, was sie anfasse, zu Gold würde ... :~
 
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