Die Werke Francesco Borrominis

Der gestern als Baustelle zurückgelassene kleine Beitrag über die Fassade von S. Anna dei Palafrenieri ist jetzt fertiggestellt. Die Photos von Juni 2012 wurden mir von Gaukler zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

Neues gibt es auch zu folgendem Film, den ich in einem früheren Beitrag vorgestellt habe:

Augenblicklich finden die Dreharbeiten zu einem Film statt, dessen Protagonisten von den Werken Borrominis fasziniert sind. Die Dreharbeiten finden in Bissone, Stresa, Turin und Rom statt. Der Film des französischen Regisseurs Eugène Green wird den Titel La Sapienza tragen. Er soll im Frühjahr 2014 in die Kinos kommen.


Die Dreharbeiten sind beendet und der Film stellt sich in wenigen Tagen dem Wettbewerb beim Filmfestival von Locarno. Ob er auch in unsere Kinos kommt, vermag ich nicht zu sagen.

La Sarraz Pictures

17 Filme im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden - kleinreport.ch

Das Filmfestival Locarno hat sein Programm bekannt gegeben: Darunter befinden sich Weltpremieren wie «La Sapienza» von Eugène Green (...)
Festival del film Locarno - Film Detail
Inhaltsangabe und Fotogalerie

Frankreich, Italien · 2014 · DCP · Color · 107' · French/Italian
 
Aber bitte schön, keine Ursache! Ganz im Gegenteil: Dieser Thread - und so auch dessen heutiger Artikel - ist eines der hochwertigsten Schmuckstückchen unseres Forums: Da kann man sich doch nur geehrt fühlen, wenn man ein klein wenig dazu beitragen darf. :proud:
 
Der gestern als Baustelle zurückgelassene kleine Beitrag über die Fassade von S. Anna dei Palafrenieri ist jetzt fertiggestellt. Die Photos von Juni 2012 wurden mir von Gaukler zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

Besten Dank für die neuen Nachforschungen. Die Architektur Borrominis ist ein wahrer Augenschmaus. Dieser Thread ist wirklich ein ganz besonderes Schmuckstückchen - jeder Beitrag eine neue Perle!

Auch freut es mich, über die Fertigstellung des Films zu lesen:


Das Filmfestival Locarno hat sein Programm bekannt gegeben: Darunter befinden sich Weltpremieren wie «La Sapienza» von Eugène Green (...)
Festival del film Locarno - Film Detail
Inhaltsangabe und Fotogalerie

Frankreich, Italien · 2014 · DCP · Color · 107' · French/Italian

Angesichts der Tatsache, dass auch Frankreich an der Produktion beteiligt ist, hoffe ich ihn hier sehen zu können.

Liebe Grüße
Claude
 
Dies ist die Kopie eines Beitrags aus meinem Reisebericht https://www.roma-antiqua.de/forum/threads/ammirando-la-bellezza.50588/#post-315873

Borromini-Kreuz
in Santa Maria in Cappella


Nach meinem Besuch von S. Cecilia in Trastevere bemerkte ich überrascht, dass das Kirchenportal von Santa Maria in Cappella offenstand. Damit hatte ich nicht gerechnet. Seit dieser Nachricht Ende August 2017 Unbekannte Petrus-Reliquien gefunden? liest man beim Portal 060608 die kleine Kirche sei momentan nicht zugänglich.

La chiesa è visibile solo dall'esterno.

Quelle: Chiesa Santa Maria in Cappella / Chiese cattoliche / Luoghi di culto di interesse storico-artistico / Cultura e svago - 060608.it

Kennengelernt habe ich S. Maria in Cappella im April 2015: Spaziergänge im römischen Grün
Einen zweiten Besuch gab es im Mai 2016 und damals konnten wir auch das Kircheninnere sehen: Wunderschöner Frühsommer in Rom


Am 8.11.2016 ging dann die Nachricht durch die italienische Presse, dass Forscher in S. Maria in Cappella ein Mosaikkreuz als Werk Francesco Borrominis identifiziert haben. Siehe folgendes Video: Lazio, ritrovata la croce del Borromini - Video - TGR. Das fand ich hochinteressant und freute mich darauf, das Kreuz, das ich im Mai 2016 nicht gesehen hatte, irgendwann mit eigenen Augen zu sehen.

Am 16.12.2017 war es so weit. Ich entrichtete 4 oder 5 Euro Eintritt (genau weiss ich es nicht mehr) bei einem älteren Herrn und konnte dann die Kirche betreten. Das schöne Kreuz befindet sich gleich rechts an der Wand des Windfangs.



Darunter ist inzwischen die Weiheinschrift von S. Maria in Cappella aus dem Jahr 1090 eingemauert, die sich im Mai 2016 noch im kleinen Museum befand. Siehe: Wunderschöner Frühsommer in Rom - Seite 2


Zu Borrominis Frühwerk ist folgender Text auf einer Informationstafel zu lesen:


Questa preciosa croce a mosaico è la prima opera nota di Francesco Borromini, a testimonianza di un giovanissimo scultore ancora scalpellino per la Fabbrica di San Pietro.
Pur se alle prime armi, l'artista ticinese già dimostra un estro creativo eccezionale e saturnino in questo micro mosaico raffinatissimo.
L'opera è uno scarto della Porta Santa incaricata per il Giubileo del 1625 da Papa Urbano VIII Barberini, cui le api araldiche fanno riferimento nella croce, e che il Papa successivo, Innocenzo X Pamphilj, demoli e poi regalò alla famosa Donna Olimpia Maidalchini Pamphilj.


Das Kreuz ist 69 cm hoch und 43 cm breit. Der Entwurf für das Kreuz ist ein Werk des jungen Borromini aus dem Jahr 1625. Damals endete das von Papst Urban VIII. Barberini 1624 ausgerufene 13. Heilige Jahr und der Barberini-Papst beauftragte den damals im neuen Petersdom tätigen Borromini mit der dekorativen Ausstattung der Heiligen Pforte. So entwarf Borromini auch ein Kreuz als Siegel für die erneut zugemauerte Heilige Pforte des Petersdoms.

Die Marmorteile, vor allem das Kleeblattkreuz aus marmo giallo mit einem weiteren kleinen rötlichen Kreuz in der Mitte und die weissen Ränder sind von Borromini angefertigt. Darüber hinaus erkennt man vor azurblauem Hintergrund fünf Bienen und die Sonne aus dem Barberini-Wappen sowie am Fuss des Kreuzes zwei Lorbeerzweige.

Die Mosaikarbeit nach dem Entwurf Borrominis führte ein Mosaikkünstler aus, der aus dem Piemont stammende Giovanni Battista Calandra (1586 bis 1644). Die Technik nennt sich Mikromosaik oder mosaico filato.

Im Buch Quando la Fabbrica costruì San Pietro. Un cantiere di lavoro, di pietà cristiana e di umanità. XVI-XIX secolo findet man je einen Aufsatz über die Wiederentdeckung von Borrominis Kreuz in S. Maria in Cappella und die die Arbeit Calandras.
Simona Serci. La recente riscoperta di una croce di Borromini per la Porta Santa di San Pietro, posta al centro di una fioritura di opere di carità, Veronika Seifert. Approfondimento tematico: La croce per la Porta Santa della Basilica di San Pietro: Calandra e l’uso del mosaico filato

Das Aussehen der Heiligen Pforte des Petersdoms nach ihrer Schliessung 1625 kann man auf einer Medaille aus diesem Jahr erkennen. Ich habe folgende Seiten mit Photos von Vorder- und Rückseite der Medaille im Netz gefunden: Artemide Aste - Asta XXX (Page: 1) - Dea Moneta und Artemide - Asta 26E (Page: 1) - Dea Moneta

Ich kann leider nicht sagen, wie lange diese Links Bestand haben werden, aber ich finde die Abbildung der Medaille mit Papst-Porträt und Heiliger Pforte sehr interessant. Man sieht z.B. auch, dass die Heilige Pforte 1625 mit einer Abbildung des Volto santo dekoriert war. Vgl.: Schweißtuch der Veronika - Wikipedia

Das Schweißtuch der Veronika war einst eine der kostbarsten und am höchsten verehrten Reliquie der Christenheit und befindet sich heute in einem gewaltigen Tresor im Veronikapfeiler, einem der Vierungspfeiler des Petersdoms in Rom, der 1506 eigens dafür über dem Grundstein der Kirche errichtet wurde. Die anderen drei Pfeiler der Vierung enthielten andere bedeutende Reliquien, die einmal im Jahr zur Verehrung gezeigt wurden, das Schweißtuch jeweils Mitte Januar am zweiten Sonntag nach dem Fest der Erscheinung des Herrn.
Eine lange als das echte Schweißtuch verehrte Kopie wurde 1721 dem Habsburger-Kaiser Karl VI. geschenkt und ist heute in der Schatzkammer der Wiener Hofburg öffentlich zugänglich. Das Wiener Schweißtuch ist mutmaßlich eine von fünf bekannten Kopien, die im Jahre 1616 vom damaligen vatikanischen Schweißtuch angefertigt wurden.
Einer neueren Theorie nach soll das Tuch der Veronika identisch mit dem Schleier von Manoppello sein, der in einer kleinen Kirche im Ort Manoppello in den Abruzzen aufbewahrt wird.​

1650 fand das 14. Heilige Jahr der Geschichte statt, ausgerufen 1649 von Papst Innozenz X. Pamphilj. Heiligabend 1649 öffnete Papst Innozenz X. die Heilige Pforte indem er zuerst Borrominis Siegel von 1625 mit dem Hammer erbrach. Die Hammerschläge sind heute noch am Rand des kleinen Kunstwerks, das wie durch ein Wunder die Zeiten überdauert hat, zu erkennen.

Nach der Öffnung der Heiligen Pforte schenkte Innozenz X. entweder seiner Schwägerin Olimpia Maidalchini Pamphilj, die während der Zeremonie an der Seite des Papstes anwesend war, oder (je nach Quelle) deren damals 19. jährigem Neffen Francesco Maidalchini das Kreuz. Auf dem Weg über Olimpia Maidalchini gelangte das Kreuz in die Kirche Santa Maria in Cappella, aber die Urheberschaft des Kreuzes geriet völlig in Vergessenheit.

Papst Innozenz X. übergab die Kirche am 23. Januar 1653 seiner Schwägerin Olimpia Maidalchini, die zuvor bereits unmittelbar neben dem Gebäude Land gekauft hatte und sich einen Lustgarten und eine Villa errichten ließ.

Quelle: Santa Maria in Cappella - Wikipedia



Woher wir das alles seit kurzer Zeit wissen? U.a. darüber berichtet z.B. folgender Artikel von Tanja Schultz in der deutschen Zenit-Ausgabe vom 16.1. 2017: Die mächtige Papst-Schwägerin und das wiedergefundene Siegel der Heiligen Pforte – ZENIT – Deutsch

Er ist trotz kleiner Ungenauigkeiten sehr lesenswert. Die Heilige Pforte des Petersdoms verschloss damals noch keine Bronzepforte und die Öffnung der Heiligen Pforte durch Innozenz X. fand an Heiligabend 1649 statt.

Die Entdeckung ist der Verdienst der Vatikan-Archivarin Assunta di Sante, die in den verstaubten Dokumenten der Petersdom-Bauhütte auf eine detaillierte Beschreibung des Auftrags und Werkes stieß. Aber erst ein Rundschreiben an die Hinterbliebenen der alten römischen Adelsgeschlechter, eine Initiative der deutsche Kunsthistorikerin Dr. Veronika Seifert, hat das Werk im Besitz der Pamphilj aufgespürt. Die überlieferten Maße und die noch vorhandenen Spuren der Hammerschläge machten die Identifizierung eindeutig.

Vgl. folgenden ausgezeichneten Artikel in italienischer Sprache von Arabella Cifani, erschienen am 9.1.2017 : Il Giornale dell'Arte - La Croce Della Porta Santa Del Vaticano, Donna Olimpia Pamphilj E Una Chiesina Dimenticata Di Trastevere

Trovato il documento mancava però la croce e a questo punto entra in scena la dottoressa Veronika Seifert che invia a tutte le famiglie nobili di Roma una lettera domandando loro se avessero per caso nelle loro proprietà e cappelle private oggetti e decori in mosaico minuto. Fra i tanti rispose la famiglia Pamphilj segnalando che in una chiesina di loro proprietà, Santa Maria in Cappella nel Rione di Trastevere, vi era effettivamente una croce che meritava di essere studiata.

Es folgen noch einige Aufnahmen des Kircheninnern:



Dass ich am 16. Dezember 2017 S. Maria in Cappella betreten und das Kreuz Borrominis und Calandras bewundern konnte, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ein Mann damit beschäftigt war die Weihnachtskrippe aufzubauen. Er baute gerade den Brunnen zusammen.



 
Da ich in den letzten Tagen durch die Softwareumstellung verlorengegangene Photos u.a. in diesem Thread neu eingefügt habe, ist mir aufgefallen, dass ich den Beitrag zu San Carlo alle Quattro Fontane seinerzeit ohne Text zurückgelassen habe. Solchen habe ich nun hinzugefügt. Der Beitrag wird allerdings nach einem erneuten Besuch von San Carlino ergänzt werden.
 

Campanile des Monte di Pietà
1624-25

Geht man von der Piazza Benedetto Cairoli entlang der Via dei Giubbonari Richtung Campo de' Fiori, bietet sich einem zur Linken an der Ecke mit der Via dei Pompieri der Blick auf diesen Uhren- und Glockenturm. Er schmückt die Fassade des Palazzo Santacroce Aldobrandini oder del Monte di Pietà und muntert dessen strenge Fassade ein wenig auf.

Der Campanile entstand zwischen 1624 und 1625, als Carlo Maderno im Auftrag des Monte di Pietà mit der Leitung von Ausbauarbeiten am Palazzo befasst war. Ab 1619 arbeitete der junge Francesco Borromini unter der Aufsicht Madernos in der Bauhütte am Petersdom. Wie bereits an S. Andrea della Valle, war Borromini auch am Palazzo del Monte di Pietà als Assistent Madernos tätig. Gerne liess dieser Borromini Entwurfszeichnungen anfertigen. Hier ein früher Entwurf für den Campanile des Monte di Pietà: - Kulturpool. Er wird in der Wiener Albertina aufbewahrt.

Wie man sieht, hat Borromini (vielleicht auf Rat Madernos?) die untere Bogenreihe des geplanten Glockengiebels (campanile a vela) nicht ausgeführt, so dass wir heute über der von doppelten Voluten umgebenen Uhr nur einen ebenfalls mit Voluten geschmückten Bogen mit zwei Glocken sehen.

Eine Stadtansicht von Giuseppe Vasi aus dem 18. Jh. zeigt uns u.a. die Fassade des Palazzo mit dem Campanile. Siehe hier.
Wie man auf den ersten Blick erkennt, überragte der Campanile früher die gesamte Fassade. Seine Wirkung war dadurch sicher eine noch schönere als heute. Im 19. Jh. wurde der Palazzo um eine Etage aufgestockt und seither ist die untere Hälfte des Campanile mit der Uhr praktisch in der Fassade eingeklemmt.

Die hübsche Uhr soll übrigens von einem deutschen Uhrmacher hergestellt worden sein. Mit ihr verbindet sich folgende Geschichte:
Als der Uhrmacher für seine Leistung nicht gerecht entlohnt wurde, hat er bevor er Rom wieder Richtung Heimat verliess, den komplizierten Mechanismus der Uhr so verändert, dass die Uhr nun weder die Stunden noch die Minuten exakt anzeigt. Darüber hinaus soll der erboste Uhrmacher folgenden Satz auf das Zifferblatt geschrieben haben: "Per non essere state a nostro patte, orologio del Monte sempre matte". Sinngemäss: Da meine Auftraggeber sich nicht an unseren Pakt gehalten haben, soll die Uhr des Monte für immer verrückt spielen.

Quelle: E un frate inventò il Monte di Pietà - la Repubblica.it

La facciata termina in un campanile a vela con l' orologio, che è considerato popolarmente "matto", perché non ha mai segnato l' ora esatta. Fu costruito da un tecnico tedesco che, non soddisfatto del compenso ricevuto, «al momento di consegnare il lavoro ultimato, alterò i complicati congegni e poi per dare notizia ai posteri che non aveva fatto ciò per imperizia, ma per vendetta» incise sul quadrante due versi: «Per non essere state a nostre patte,/orologio del Monte sempre matte». In ogni caso la scritta non esiste e forse non è mai esistita.

Mein Foto des Campanile entstand am 28.12.2011 und zeigt die richtige Zeit an! ;) Die Fassade wurde kurz zuvor restauriert.
 
Ich wusste nicht, dass Borromini an dem Bau dieses Gebäudes beteiligt war. Gerade den Turm finde ich sehr eindrucksvoll. Vielen Dank für diese Info!!!
 
Es freut mich, dass der Beitrag über den Campanile des Monte di Pietà von Interesse für Dich war. Von einer nächsten Romreise werde ich noch Detailaufnahmen, vor allem von der Figur im Giebeldreieck des Campanile mitbringen.
 
Dies ist eine Kopie aus meinem Reisebericht Mein Rom-Mosaik

Weihekreuze im Petersdom

Einleitung

Nun sind es schon viele Monate her, seit ich in meinem Reisebericht Ammirando la bellezza vom Borromini-Kreuz in S. Maria in Cappella berichtet habe und dass das sich daraus entwickelnde Gespräch zwischen mehreren Foristi auch zum Thema Weihekreuze im Petersdom geführt hat. Siehe: Ammirando la bellezza und das Gespräch von diesem Beitrag bis zu diesem.

Nachdem es mit einem Besuch des Petersdoms im März 2018 nicht geklappt hat, habe ich mir die 12 Weihekreuze im September 2018 ansehen können.

Die teils miserable Qualität der Bilder bitte ich zu entschuldigen. Sie rührt teilweise daher, dass die Weihekreuze sich in für den Besucher unzugänglichen Bereichen befinden und dass sie relativ hoch an den Wänden angebracht sind. Ich werde sicher noch nachbessern und vielleicht von der neuen Beleuchtung im Petersdom profitieren können.


An diesem Morgen habe ich mir einige Daten aus der Jugend Borrominis in Erinnerung gerufen:

1619 Weggang aus Mailand um nach Rom zu gehen. Letzter Nachweis seiner Präsenz in Mailand : 9. Februar 1619.

Seit 1619 auf der Baustelle des neuen Petersdoms nachgewiesen.

Seit 1621 eigene Werkstatt „di arte di marmo“ mit 2 weiteren auch für den Petersdom tätigen älteren „marmorari“.

Regelmässige Tätigkeit am Petersdom seit 1623-1624. Die Bauleitung lag zwischen 1603 und 1629 in den Händen von Carlo Maderno.

1625 ist Borromini mit der gesamten Marmordekoration der Heiligen Pforte des Petersdoms beschäftigt. Dazu gehören der Kopf eines Cherubs über der Pforte und zwei Marmorkreuze, die am Ende des Heiligen Jahres an Innen- und Aussenseite der Heiligen Pforte angebracht wurden.

Hier eine von mehreren Entwurfszeichnungen, aufbewahrt in der Graphischen Sammlung Albertina. Zwei weitere Zeichnungen sind leider nicht online verfügbar, vor allem diejenige, auf der das Kreuz mehr der letztendlich gewählten Form entspricht. Dafür ähnelt das Kreuz auf der verlinkten Zeichnung den ein Jahr jüngeren Weihekreuzen.

Das kleinere Kreuz (ca. 30 x 22 cm) von der Innenseite blieb nicht erhalten. Das größere (ca. 69 x 43 cm) und kunstvollere von der Aussenseite finden wir heute in S. Maria in Cappella, wo es erst 2016 als das erkannt wurde, was es ist.

Eines meiner jüngsten Fotos davon, aufgenommen im September 2018:


Das Kreuz entstand in Zusammenarbeit mit dem begabten piemonteser Mosaikkünstler Giovanni oder Giovan Battista Calandra.

Seit Ende 1625 wird Borromini als „maestro“ bezeichnet.

1626, ein paar Monate nach der Fertigstellung des Kreuzes, arbeiten beide Männer wieder gemeinsam an den 12 Weihekreuzen für den Petersdom.

Das Aussehen der Weihekreuze

Das gesamte Konzept stammt aller Voraussicht nach von Francesco Borromini. Das Motiv macht einen bewegten und durchaus komplexen Eindruck. Borromini hat die Weihekreuze aus weißem Marmor geschnitzt. Die Maße des Quadrats betragen 47x47 cm, der stehende Vierpass mit seinen elegant geschwungenen Dreiviertelkreisen misst 62x56 cm.

Bis auf kleine Unterschiede an den äusseren Rändern der Dreiviertel-Kreisbögen sind die Weihekreuze identisch.

Borrominis Arbeit dient als Rahmen für die eingelegten Mosaik-Motive. Ausgeführt wurden diese von Giovanni Battista Calandra, dem seinerzeit besten Mosaikkünstler auf der Baustelle des Petersdoms.

Die Kleeblattkreuze aus Glas-Email-Steinchen sind scharlachrot. Der Hintergrund lapislazuli-blau. Zwischen das Blau und den Marmor hat Calandra eine schmale schwarze Bordüre gesetzt. Vom Zentrum des Kreuzes gehen zwölf rot-orangefarbene Sonnenstahlen aus. In den Ecken des quadratischen Rahmens sehen wir je eine Biene in Honigtönen.

Die Biene ist das Wappentier Urbans VIII., die Barberini-Sonne gehört, wie der Barberini-Lorbeer zu den weiteren Emblemen dieses machtbewussten Papstes.

Die Standorte der Weihekreuze

Die Weihekreuze befinden sich noch heute an jenen Standorten im Petersdom, an denen sie 1626 angebracht wurden.

* zwei am Eingang, der controfacciata des Petersdoms, leider habe ich nur eines der beiden fotografiert


* acht weitere an den Wänden der Vierungspfeiler, davon

zwei neben der Bronzestatue des hl. Petrus,


zwei neben der Statue des Propheten Elia,


zwei neben der Statue des hl. Benedikt,


zwei neben der Statue des hl. Franz von Paola,


* zwei in der Apsis hinter den Statuen der Kirchenväter links und rechts der Cathedra Petri.


Die Weihe des Petersdoms

Inzwischen habe ich auch viel darüber gelesen, wie man sich die Weihe des Petersdoms am 18. November 1626 vorzustellen hat.

In der Morgendämmerung des 18. November war alles für den Ritus bereit. Die Basilika war geschlossen, kein Licht brannte, ausser den 12 Kerzen vor den 12 Kreuzen, die geweiht werden sollten. Urban VIII. wurde in feierlicher Prozession in den Portikus der Basilka getragen wo er vom Domkapitel und den Kardinälen empfangen wurde.

Der 1. Teil des Ritus begann mit dem feierlichen Gesang der Allerheiligenlitanei. Dann segnete der Papst das Weihwasser und besprengte den Portikus damit während 6 Kardinäle in 2 Dreiergruppen die Aussenwände des Petersdoms besprengten.
Danach klopfte der Papst dreimal mit einem Kreuz an die verschlossene mittlere Tür des Petersdoms. Von innen öffnete ihm der Erzpriester der Basilika, sein eigener Neffe, der Kardinal-Nepot Francesco Barberini.

Der Papst trat von allen Anwesenden gefolgt ein und es begann der 2. Teil des Ritus. Vor dem Altar der Confessio stimmte der Papst das Veni creator an. Dann begann er die Buchstaben des griechischen und des lateinischen Alphabets in vorbereitete Asche-Bahnen auf den Marmorboden der Basilika zu schreiben, dies als Zeichen der spirituellen Inbesitznahme des Kirchengebäudes. Die Aschebahnen beschrieben die Form des Christusmonogramms chi. Siehe: Christusmonogramm – Wikipedia

Dieser Moment ist in einem der grossen Wandteppiche in den Vatikanischen Museen dargestellt:

Der Wandteppich entstand viele Jahre nach dem Ereignis. Er gehört zu einer Serie von Wandteppichen, den arrazzi Baberini, die aus dem Leben Urbans VIII. berichten und zwischen 1663 und 1679 gewebt worden sind. Jener zur Weihe des Petersdoms entstand von 1671 bis 1673. Gut sind 2 der 12 scharlachroten Weihekreuze zu erkennen, hier natürlich in stilisierter Form.

Der Entwurf des Wandteppichs stammt von Fabio Cristofari und enthält einen Anachronismus: Am Tag der Weihe des Petersdoms gab es den im Hintergrund abgebildeten Bronzebaldachin über dem Papstaltar noch nicht. Die Fundamente waren zwar schon gelegt, aber bis zur Vollendung schrieb man das Jahr 1633.


Nach einer erneuten Segnung des Weihwassers besprengte Urban VIII. die Innenwände des Petersdoms damit und goss etwas davon an den vier Kardinalpunkten auf den Boden.

Der 3. Teil des Ritus begann mit einer Prozession zur Vorhalle des Petersdoms wo der Papst auf einem Thron Platz genommen hatte. Nach erneutem Gebet begann der Papst mit der Salbung des mittleren Portals, trat wieder in den Petersdom ein und salbte persönlich die 12 Weihekreuze, beginnend mit den beiden in der Apsis. Um diese Handlung zu vollziehen stieg er auf eine provisorische Bühne, salbte und und beweihräucherte die Kreuze.

Der Ritus endete nach der Feier der Messe als eine grosse Menschenmenge in den Petersdom strömte um ihn zu besuchen.

Die Weihekreuze wurden zu dem Symbol der Weihe des Petersdoms und sind auf Medaillen von Gaspare Mola zu sehen, welche in Erinnerung an jenen Tag geprägt wurden.

Die Weihekeuze sind sicher nicht das, was man sich bei einem Erstbesuch im Petersdom ansieht, aber kennt man ihre Geschichte und die Künstler, sind auch sie ein Mosaiksteinchen ;), das der Betrachtung meines Erachtens wert ist.

*************
Während meiner Vorbereitungen zu diesem Beitrag hat Papst Franzikus, assistiert von Kardinal Angelo de Donatis, Generalvikar der Diözese Rom, eine Kirchweihe vollzogen und zwar jene der renovierten Kirche San Giulio Papa im Monteverde-Viertel. Es war für mich besonders interessant zu sehen, wie genau die Salbung der Weihekreuze vonstatten ging. Siehe dazu die beiden Videos in folgendem Beitrag: Vatikan/Papst: - Franziskus als Vorstadtpfarrer
 
S. Lucia in Selci
1637 - 39

Zu den frühen Aufträgen Borrominis in Rom gehört die Innenausstattung von Santa Lucia in Selci an der Via in Selci, 82 im Monti-Viertel. Man darf hier allerdings nicht die geschwungenen, konkaven und konvexen Formen, für die Borromini bekannt ist, erwarten. Die Formen sind noch ganz dem strengen Barock seiner lombardischen Heimat verhaftet.

Wikipedia schrieb:
Die Kirche und das angrenzende Kloster wurden von Papst Symmachus Anfang des 6. Jahrhunderts gegründet und über den Resten eines antiken Gebäudes erbaut. Dabei handelte sich vermutlich um den Porticus Liviae, dessen Bögen noch in der Fassade des Klosters ablesbar sind, aber zurzeit zum großen Teil unter Putz liegen. Der Porticus Liviae lag entlang des Clivus Suburanus, der hier der heutigen Via in Selci entspricht.

Die Heilige Lucia von Syrakus, der die Kirche geweiht ist, starb 304 als Märtyrerin. Die Bezeichnung "in selci", d.h. "am Pflaster", leitet sich von der im 6. Jh. noch erhaltenen römischen Pflasterung des Clivus Suburanus ab, der das Viertel Suburra in Richtung der heutigen Piazza di San Martino ai Monti durchquerte.

Im 16. Jh. kam das Kloster an den Orden der Augustiner-Eremitinnen. Papst Sixtus V. beauftragte Carlo Maderno 1587 mit dem Neubau der Kirche. Baubeginn war 1603/04. Geweiht wurde sie 1619. Das Innere ist ein rechteckiger, tonnengewölbter Saal mit drei kleinen Kapellen auf jeder Seite und einer rechteckigen Apsis. Der Raum der Kapellen wird fast vollständig vom Altar eingenommen. Die Erweiterung des Klosters und die Innenausstattung der Kirche gingen wegen des Geldmangels der Augustinerinnen nur schleppend voran.

Nach Madernos Tod (1629) „erbte“ Francesco Borromini 1637 die brachliegende Baustelle. Bis 1643 war er leitender Architekt beim Ausbau von S. Lucia in Selci.

Er entwarf drei Werke für die Innenausstattung von S. Lucia in Selci, von denen zwei erhalten sind: die der Heiligen Dreifaltigkeit gewidmete Cappella Landi und der Chor der Gegenfassade. Sie entstanden zwischen 1637 und 1639. Ein drittes Werk, der Hauptaltar von S. Luci in Selci, wurde im 19. Jahrhundert ersetzt. Eine Entwurfszeichnung für diesen Altar sieht man auf der Informationstafel vor der Kirche:


Bauherrin der Cappella Landi war die damalige Priorin der Augustinerinnen, Clarice Vittoria Landi. Sie liess diese Kapelle, die zweite auf der linken Seite von S. Lucia in Selci 1638-1639 für ihre Familie errichten.



Das Altargemälde Von Cavalier d'Arpino
zeigt unter der Heiligen Dreifaltigkeit
den Heiligen Augustinus von Hippo und seine Mutter, die Heilige Monika​

Die Pfeiler der Cappella Landi erinnern noch an die Renaissance und sind z.T. mit Szenen geschmückt zu denen ich leider keine Informationen finden konnte. Bei den in Stuck ausgeführten Szenen handelt es sich möglicherweise um Darstellungen von Heiligen mit ihren Attributen und/oder um Darstellungen aus der Bibel.

Zahlreiche Darstellungen von Cherubim sind in den Bildmedaillons der Pfeiler und am Bogen der Kapelle zu sehen. Sie sind sozusagen ein Markenzeichen Borrominis, das in vielen seiner Werke präsent ist seit er nach Rom kam und die Vorhalle des Petersdoms im Vatikan schmückte.


Diese Seite schreibt dazu:

Here Borromini for the first time applies an innovation, which he later would use on the exterior cornice below the dome of the church of Sant'Ivo alla Sapienza: Borromini transforms the egg-and-tongue mouldings so that the eggs are cherub's heads and the tongues are formed by their wings.

Vgl.: Egg-and-dart - Wikipedia

Zum Vergleich:


Was mir noch aufgefallen ist, ist die Ähnlichkeit der Weihekreuze von S. Lucia in Selci mit jenen des Petersdoms. Auf mich wirken die Weihekreuze von S. Lucia in Selci wie eine vereinfachte Version derjenigen von 1626 im Petersdom. Diese sind ja ein Entwurf Borrominis und wurden von ihm und dem Mosaikkünstler Calandra ausgeführt. Zufall oder nicht, das kann ich leider nicht sagen. Vgl.: Mein Rom-Mosaik

Zum Vergleich:


Hier noch zwei weitere Fotos aus dem Innenraum von S. Lucia in Selci:


Blick Richtung Ausgang mit dem eingangs erwähnten Chor der Gegenfassade:
 
Liebe Simone,

diese Kirche und somit die Cappella Landi dürfte vielen Foristi noch weitestgehend unbekannt sein.

Daher finde ich es toll, dass du uns dieses Kleinod, das etwas versteckt abseits der üblichen
Besichtigungswege liegt, so eindrucksvoll vorgestellt hast.
 
Danke auch meinerseits für die Informationen und Bilder zu S. Lucia in Selci.
Meine Besuchsliste für nächste Aufenthalte in der urbs wird lang und länger.
 
Wie schön, dass du an dieser Stelle nach mehr als zwei Jahren noch eine solche Überraschung für uns hast. An Santa Lucia in Selci sind wir schon oft vorbeigekommen. Wer hätte gedacht, dass sich hinter der doch eher etwas abweisenden Fassade ein solches Kleinod verbirgt.
Vielen Dank fürs Zeigen, liebe Simone! Warst du denn während einer Sonntagsmesse selbst drin?
 
Nein, das war ich nicht. Ich war nur einmal im Vorraum der Kirche, wo auch die Pförtnerinnenloge ist und das war nicht an einem Sonntag.

Die Fotos wurden mir von Freunden zum Zweck des Beitrags zur Verfügung gestellt. Die Bilder entstanden vor Messbeginn.
 
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