Spaziergang durch Rom - Addenda et Corrigenda

... Seine Rückseite ist weitaus interessanter, ...
Das ist aber sehr zurückhaltend formuliert! Die Rückseite ist wunderschön und erzählt auch noch (dank Deiner "Nachhilfe") eine spannende Geschicht. Danke!

Gerne geschehen. Das Comitium war mir selbst auch wichtig, weil ich lange Zeit nichts mit diesem Begriff anfangen konnte. Es gibt halt keine sichtbaren Überreste mehr. Als nächstes kommt dann die Rostra... :)

Grüsse
Rainer
 
Über das Kolosseum hatte ich ja schon ausgiebig geschrieben: Spaziergang durch Rom

Ich habe mich super gefreut, dass ich jetzt eine passende Münze dazu bekommen habe:

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Der Denar von Titus wurde im "Sommermärchen" 80 n.Chr. geprägt, also zu Ehren der Eröffnungsspiele für das neu erbaute Amphitheatrum.

Grüsse
Rainer
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein sehr hübscher Denar.
Um auf das vorige Posting kurz zurückzukommen: Die Geschichte von der "Päpstin Johanna" wurde auch von Ferdinand Gregorovius, dem wohl profundesten Kenner der römischen Geschichte im Mittelalter, in seinem Buch sehr überzeugend widerlegt und als reines Märchen bezeichnet. Und der Mann stand als norddeutscher Protestant dem Papsttum nicht gerade nahe und hat in seinem Standardwerk auch alle Skandale eingehend behandelt. Aber Legenden sind in Rom nun mal kaum auszurotten und auch in der breiten Öffentlichkeit findet diese Story nach wie vor Anklang (Filme etc)
 
Ich bin zwar nicht Simone, aber da ich gerade da bin, habe ich Deine Beiträge verschoben, sie wird es mir nicht übelnehmen, hoffe ich. ;)
 
Das Heiligtum der Venus Cloacina


Ein Travertinring und die Basis eines kleinen Podiums sind die spärlichen Fundamentreste, die von dem Heiligtum der Venus Cloacina übrig blieben. Hier auf dem Forum Romanum zwischen Basilika Aemilia und Comitium stand einstmals der kleine archaische Kultbau, über dessen einstiges Aussehen wir einzig durch die Abbildung auf Münzen recht gut informiert sind. Das nicht überdachte Heiligtum maß gerade mal ca. 2 x 3 Meter und war lediglich mit einer Balustrade eingefasst; eine kleine Treppe führte hinauf. In seiner Mitte standen zwei Statuen, über die wir später noch mehr erfahren werden. Wann genau er errichtet wurde, ist nicht bekannt; erstmalig erwähnt ihn Plautus, und nach Plinius stammt der Bau aus der Gründungszeit Roms.

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Das sakrale Tempelchen gehörte zu einer Gruppe von elf weiteren Heiligtümern, die an der Südseite der Basilika Aemilia gefunden wurden. Die bescheidene Dimension und die einfache Gestaltung verleihen dem mit einer Brüstung umfassenden Bau zwar einen ländlichen Charakter, sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er eng mit geschichtsträchtigen Orten und Personen verbunden war. Nicht zuletzt weist die grosse Konzentration der Kultbauten im Bereich des Forumsplatzes auf die hohe Bedeutung des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens der Stadt hin, sondern symbolisiert jenen Wert, der sich vor allem in dem rituellen und politischen Geschehen auf diesem Platz manifestierte.

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Die Cloaca Maxima
Aber auch die topographische Lage war verantwortlich für den Platz, an dem das Heiligtum der Venus Cloacina einst errichtet wurde. Bekanntlich ist Rom die Stadt der sieben Hügel; dazwischen lag allerdings eine grosse Talsenke genau an der Stelle, wo später das zentrale politische, kulturelle und soziale Leben der Urbs stattfinden sollte. Doch in der Frühzeit der Stadtgeschichte fand man hier lediglich eine unwirtschaftliche Sumpflandschaft vor. Die rasch voranschreitende Expansion der Stadt machte es unumgänglich, diesen Bereich trockenzulegen, und so wurde bereits unter der Herrschaft des ersten etruskischen Königs Tarquinius Priscus im 6. Jh. v.Chr. ein System von Kanälen angelegt, die das stehende Wasser auf der Oberfläche ableitete und zum Tiber führte. Das war bitter nötig, da aus den umliegenden Hügeln zahlreiche Quellen plätscherten, die allesamt in den Bach Velabrum mündeten, der das Areal durchzog. Erschwerend kam hinzu, dass der Tiber mit regelmässiger Boshaftigkeit über die Ufer trat und das Tal in eine Modderzone verwandelte. Archäologische Spuren zeigen deutlich, dass in diesen frühen Phasen des 7. und frühen 6. Jh. v.Chr. das Laufniveau am Forum immer wieder von neuem mit einem gestampften Boden stabilisiert werden musste.

Zunächst war die Cloaca Maxima als offener Kanal angelegt, und vermutlich verhinderten hölzerne Zäune am Ufer, dass die Menschen ins Wasser fielen; auch wenn das im Sommer eine wunderbare Erfrischung gewesen sein muss. Die ersten Baumassnahmen markierten jedoch nur den Beginn eines grossen Kanalsystems, und es sollte noch 400 Jahre dauern, bis das Bauwerk eine erste grosse Änderung erfuhr. Wurde das Areal in den ersten Jahrhunderten noch vorwiegend als Friedhof genutzt, drängten sich nun die Bauten immer weiter von den Hügeln talabwärts, sodass man im 2. Jh. v.Chr. den Entwässerungskanal in den Untergrund verlegte.

Übrigens benutze ich hier ganz bewusst nicht die Bezeichnung "Abwasserkanal", wie sie leider oft und in meinen Augen fälschlicherweise oder besser: unglückseelig übersetzt wird. Kloake (lat.: cloaca) bedeutet allgemein Abflusskanal für Gewässer, doch es hat sich mittlerweile in unseren Köpfen manifestiert, diesen auf den Abtransport des Abwassers, also der menschlichen Hinterlassenschaften und anderer übelriechenden Substanzen zu beschränken. Hinzu kommt, dass der Begriff 'Kloake' ebenso für die mittelalterlichen Sickergruben, aber in der Biologie auch den gemeinsamen Körperausgang für Geschlechtsorgane, Harnleiter und Darm der possierlichen Viecher beschreiben.

Und es sollte noch einige Zeit vergehen, in der fast ausschliesslich erfrischendes Quellwasser durch die Kanäle blubberte. Erst mit Sextus Julius Frontinus, dem Senator, Soldat und Schriftsteller, der 103 n.Chr. starb, begann der Frevel gegen die königliche Idee. Da die Stadt unter den Kaisern Domitian, Nerva und Trajan weiter wuchs und das Trinkwasser längst auch über Aquädukte aus den Abruzzen oder den Albaner Bergen herangeschafft wurde, leitete Rom kurz nach 97 n.Chr. auch das Abwasser gemeinsam mit dem Quellwasser durch die damals schon 700 Jahre alte Cloaca Maxima zum Tiber. Das war, als Senator Sextus Julius Frontinus auch zum „curator aquarum“, zum Oberaufseher über die Aquädukte und die Wasserversorgung der Stadt, gemacht worden war.


RomaCloacaMaximaPercorso.jpg
(Der Verlauf der Cloaca Maxima)​


Jetzt aber zurück zur Venus Cloacina. Zweimal im Laufer seiner Geschichte geriet das Heiligtum in den Blickpunkt der stadtrömischen Öffentlichkeit.


Der Raub der Sabinerinnen
Die erste Begebenheit führt uns nicht nur zu den Urquellen der römischen Geschichte, sondern erzählt eine der bekanntesten und beliebtesten Mythen überhaupt. Nach der Überlieferung sahen sich die Römer veranlasst, ihren damals herrschenden chronischen Frauenmangel durch weiblichen Zuwachs von aussen zu beheben. Um den Fortbestand Roms zu sichern, startete Romulus zunächst eine Werbekampagne in Sachen Familienplanung, die jedoch bei den benachbarten Völkern des Latiums auf taube Ohren stiess. Darauf hin beschloss man, sich gewaltsam zu nehmen, was man auf friedlichem Wege nicht bekam. Der Plan Romulus war, ein grosses Turnier zu veranstalten, um so möglichst viele Bewohner der Nachbarstädte nach Rom zu locken. Die anfangs friedliche Stimmung am Tage der Veranstaltung schlug jedoch alsbald in feindliche Aggression um. Wie aus heiterem Himmel fielen die römischen Kerle über die völlig überraschten Gäste her und bemächtigten sich der sabinischen Frauen. Diese Freveltat, die das hochgeschätzte Gastrecht aufs Gröbste verletzte, führte schnell zu erbitterten Kämpfen zwischen den Kontrahenten und gipfelte schliesslich in der Einahme des Kapitols durch die Sabiner und die anschliessenden kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Forum. Nach langem Hin und Her legten die Streithähne die Waffen nieder. Gemeinsam schritten sie zum Heiligtum der Venus Cloacina, wo sie sich mit Myrtenzweigen reinigten (lat.: cluere) und so die erhitzten Gemüter abkühlen konnten. Danach wurde standesgemäss Frieden geschlossen, der durch einen Pakt der beiden Völker an zentraler Stelle auf dem Forum Romanum besiegelt wurde.


Verginia, die Unschuldige
Ein wenig trauriger liest sich die Geschichte, durch die das Heiligtum der Venus Cloacina im Jahr 449 v.Chr. wiederum in den Fokus der römischen Bevölkerung rückte. Der von Livius überlieferte Zwischenfall ereignete sich zu einer Zeit, wo die unterprivilegierten Plebejer begannen, sich gegen die Herrschaft der adligen Patrizier aufzulehnen. Ein Mitglied der hoheitlichen Gesellschaft namens Appius Claudius verliebte sich ausgerechnet in die junge Plebejerin Verginia. Fatalerweise war diese aber bereits einem anderen versprochen. Als alle Werbungen des greisen Freiers nichts halfen, bemühte dieser die Gerichte, um unter fadenscheinigem Vorwand die Vaterschaft des jungen Mädchens in Zweifel zu ziehen, und sie dann als Sklavin, die ursprünglich im gehört hatte, für sich zu beanspruchen. Und tatsächlich wurde Verginia bei einer zweifelhaften Gerichtsvorhandlung, wobei der Kläger selbst den Vorsitz führte, dem selbigen zugesprochen. Aufgrund dieses skandalösen Urteils brach Unruhe aus und die Situation drohte zu eskalieren. In diesem Tumult trat der Vater vor das Tribunal und schlug vor, die Amme des Mädchens zu befragen. Man trat erneut in die Beweisführung, worauf der verzweifelte Vater sein Töchterlein und die Amme zum Heiligtum der Venus Cloacina führte. Hier entriess er einem Metzger das Messer und sprach: "Auf diese einzige Art, die mir möglich ist, Tochter, bewahre ich dir die Freiheit." Dann durchbohrte er die Brust des Mädchens.


Doch was hat jetzt die liebliche Göttin der Liebe mit einem Kanalsystem zu tun? Wie wir oben bereits erfahren haben, leitet sich der Name cloaca von cluere ab, dem lateinischen Wort für 'reinigen'. Die etruskische Göttin Cloacina wurde extra für diese Aufgabe abgestellt, und da die Römer gerne ihre eigenen Götter involvierten, wurde Venus sozusagen zur Verstärkung herangezogen. Sinnigerweise bekam diese den bisherigen Namen als Beinamen verpasst und mutierte damit zur 'Venus Cloacina', wie Plinius berichtet. Das Heiligtum wurde somit auch mit beiden Göttinnen besetzt.


Die Abbildung auf den Münzen halten auf ihren Reversseiten das Heiligtum der Venus Cloacina im Bild fest. Es handelt sich dabei um die im Jahr 42 v.Chr. geprägten Denare des L. Mussidius Longus. Dargestellt sind die in Tuniken gehüllten beiden Gottheiten, die innerhalb einer kreisförmigen Umfassungsmauer auf einem nicht überdachten Podium mit umlaufendem Gitter stehen. Beide stützen sich auf eine Säule, die linke Personen hält einen (Myrten)zweig. Links führt eine kleine Treppe zum Podium hinauf.

Dass der Münzmeister ausgerechnet dieses Motiv für seine Ausgabe im Jahre 42 v.Chr. wählte, könnte sich aus der erwähnten ersten Begebenheit erschliessen. Denn so wie damals Römer und Sabiner ihren Disput in einem friedlichen Einvernehmen beendeten, hätte sich hier das gute Verhältnis zwischen den Triumvirn Octavian, Antonius und Lepidus wiederspiegeln können.





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L. Mussidius Longus
Denar
42 v.Chr.
Rom
Av.: Drapierte Solbüste mit Strahlenkranz v.v.
Rev.: Heiligtum der Venus Cloacina - L MVSSIDIVS LONGVS / CLOACIN
3,91 Gr.
Cr. 494/44


 
Und da habe ich doch gerade tatsächlich noch etwas
für die liebe Simone gefunden...
(müsste im Vicolo dei Granari oder Vicolo de Cupis sein,
gleich an der Ecke zur Via di Santa Maria dell'Anima)



;)

Kreativmodus, was es alles gibt!
@nummis durensis
Danke für deine Bilder, immer wieder beeindruckend.
Bei uns ist Sch...wetter und ich stöbere mal wieder im Forum. ...wenn wir schon nicht nach Rom können.
Danke an alle Foristi.
 
Bei uns ist Sch...wetter und ich stöbere mal wieder im Forum. ...wenn wir schon nicht nach Rom können.

Genau so sieht das nämlich aus.

Pandemie + Winter + Schmuddelwetter = Zeit für Rom und Römisches drumherum (was in meinem Fall die Münzlein sind).

Zum Glück bin ich gestern schon wieder aus der Eifel nachhause gefahren. Bei Sturm macht's mit dem Camper keinen Spass... ich mag nicht am Geländer der A1-Autobahnbrücken kleben. Ist unschön. :eek:
 
Ich habe ein ganz ähnliches, vielleicht aber auch ausführlicheres, das haben wir dort erstanden.
Unseres enthält auch einen sehr genauen Plan des Friedhofs.
 
Ein neuerer Führer zum Cimitero acattolico dürfte dieser sein, den man im Besucherzentrum des Friedhofs erstehen kann (und sich mit ziemlichen Portokosten auch schicken lassen kann). Ältere Beschreibungen kann man noch bei z.B. ZVAB erstehen. Aber über die offizielle Seite des Friedhfs kann man sich auch ganz gut informieren.
 
Hallo Nummis

Gerade bin ich im Forum unterwegs gewesen ( leider nur virtuell), um das Heiligtum der Venus Cloacina zu finden. Diesem Marmorrund habe ich sicher noch nie meine Aufmerksamkeit geschenkt... Vielen Dank für die profunde und humorvolle Aufklärung von Nihils weissen Flecken der römischen Geschichtsschreibung. Es ist ja schier unglaublich, was man aus Münzen herauslesen kann. Vielen Dank für die kurzweiligen Geschichten
 
Vielen Dank, Nihil.

Ich bin ja bekanntermassen ein Antikenfan, und gerade das Forum Romanum als politisches, religiöses und kulturelles Zentrum der Welt hat es mir angetan. Viele unscheinbare "alten Steine" haben eine interessante Geschichte, und ich brauche zugegeben ein kleines Sprungbrett, um mich damit dann intensiv zu beschäftigen. Man kann den historischen Wert vieler Münze gar nicht genug schätzen, denn oftmals sind sie die einzigen Träger der Informationen, zu denen Dio, Herodian und Co. schweigen.

Gestern war ein absoluter Glückstag. Ich habe noch spät abends eine Münze finden können, die ich seit vielen Jahren suche. Sie zeigt den "Stein von Emesa". Eine höchst interessante Geschichte verbirgt sich dahinter, die mit dem Kaiser Elagabal und "seinem" Stein letztendlich nach Rom auf den Palatin führt. Die komplette Aufarbeitung wird noch richtig Arbeit, macht aber sehr viel Spass.

Grüsse
Rainer
 
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