Auf den Spuren von Michelangelo und Raffael im Rom und Umbrien der Renaissance

Liebe Ute,

auch von mir herzlichen Dank für die Fortsetzungen und die detailreiche Beschreibung des wunderbaren Doms von Orvieto. :thumbup:

Ich war schon länger nicht mehr dort, habe aber wieder große Lust bekommen. Auch haben wir eigentlich immer nur den Dom besucht und ich würde gerne einmal noch mehr von der Stadt sehen ... ;)

Liebe Grüße

Angela

Schön, dass Dir die Beschreibung gefallen hat,
aber auch das Dominnere - kommt noch - ist natürlich toll!​

Ich kann so einen Tagesausflug von Rom nach Orvieto nur empfehlen. :nod:
Ich hatte zwar einen exklusiven Fahrservice ;), aber auch der Zug benötigt nur eine gute Stunde ab Termini!​

Jetzt habe ich einige wenige Bilder in Dentarias Bericht zur Fassade ergänzt. Ich hoffe, dass sie die Schönheit und Harmonie der Schaufront des Domes weiter verdeutlichen. Viel konnte ich nicht mehr beisteuern. Dentaria hat ihre kunsthistorischen Erläuterungen ja schon sehr gut bebildert.

In meinem Bericht wird es weniger kunsthistorisch zugehen. Dafür reichen meine Kenntnisse einfach nicht. Ich hoffe, dass ich aber meine persönlichen Eindrücke vernünftig rüberbringen kann.

Danke Dentaria für den Unterricht ;), der hier noch weiter geht als bei unserer gemeinsamen Besichtigung.

Deine Bilder sind wieder Spitzenklasse, vielen Dank!​

Hier der Link zu Ludovicos Ergänzungen:​


Jetzt hatte ich mal den direkten Vergleich und kann das Ergebnis Deiner Kamera nur bestaunen - da kommt meine Kleine einfach nicht mit, allerdings würde mein Rücken das Gewicht Deiner Kamera gar nicht ertragen!​

Ich freue mich auf Deine Sicht des Doms. :nod:​

Ich habe im Nachhinein natürlich noch viel über den Dom gelesen! :nod:​
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank, dentaria, für den wunderbaren und schön bebilderten Reisebericht.
Mein Lobpreis auf Orvieto war wohl doch richtig.

Ich freue mich schon auf die Fortsetzung des Berichtes, den ich von meinem Urlaubsort aus am Lago Maggiore lesen kann.

Gruß von
mystagogus.
 
Ohja, Orvieto ist eine tolle Stadt und der Dom ist wirklich unbeschreiblich schön. Auch die Lage der Stadt fasziniert!

Viele Grüße nach Oberitalien
dentaria
 
F

Innenraum des Domes

Es fällt uns beiden schwer, uns von der wunderschönen Fassade zu trennen, aber wir wissen ja, dass uns im Inneren des Domes auch noch Schätze der Kunstgeschichte erwarten.​

Links vom Eingang steht das
Taufbecken


Das acheckige Taufbecken aus rotem Marmor wurde von Luca di Giovanni gestaltet und von Sano di Matteo 1406 mit dem Tempelchen aus weißem Marmor bekrönt.
Getragen wird es von 8 Löwen - an jeder Ecke einer.
Uns war im Dom nicht klar, weshalb es so oft die Löwen sind, die ein Taufbecken o.ä. tragen.
Zwischenzeitlich habe ich nachgelesen, dass Löwen - außer dem Symbol für den Evangelisten Markus - bedrohliche Mächte darstellten. In der Architektur wird die Bedrohung gebannt, wenn der Löwe als Stützfigur in dienender Haltung dargestellt wird, wie eben bei diesem Taufbecken.​

Nicht nur an Häusern gibt es Kritzeleien und Graffiti. Auch hier haben sich Schmierfinke an den Holztüren verewigt.


Gleich hinter dem Taufbecken und unter einem der Fenster aus Alabaster sehen wir ein
Fresko von Gentile da Fabriano


Es handelt sich um das einzige Fresko, welches von diesem Künstler zwischen Spätgotik
und Frührenaissance erhalten blieb.
Es zeigt eine thronende Madonna mit Kind aus dem Jahre 1425.
Ich habe heute einen Domführer von 1988 bekommen, in dem neben Maria noch die heilige Katharina abgebildet ist, die 1586 von Giovanbattista Ragazzini aus Ravenna zugefügt wurde. Zwischenzeitlich wurde sie anscheinend wieder entfernt, hier ein Bild des alten Zustandes, von dem man noch Schatten erkennen kann.​

Nach der Entfernung der Übermalung kamen schemenhaft zwei Engel zum Vorschein. Zumindest einen kann man in meinem Foto oben rechts gut erkennen.


Beeindruckt waren wir auch von der
Pietà


Sie ist ein Werk von Ippolito Scalza, der die Skulptur von 1570 bis 1579
aus einem großen Marmorblock gemeißelt hat.
Neben Maria und Jesus sind hier auch noch Maria Magdalena und der heilige Nikodemus dargestellt.​

Auch Michelangelo hat bei seiner in Florenz ausgestellten Pietà Bandini diese beiden Figuren mit einbezogen.​

Der Dom hat eine wunderschöne Holzdecke​


Das Mittelschiff ist genauso breit, wie beide Seitenschiffe gemeinsam.​

Foto Ludovico


In der Apsis sind Fresken aus dem Leben Mariens, u.a. von Pinturicchio.​

Foto Ludovico


Das 16,3m hohe Fenster in der Apsis ( 1325-1334) besteht aus 48 Scheiben mit Glasmalerei zusammen, die wieder Szenen aus dem Leben von Maria und Jesus zeigen.​

Foto Ludovico


Der Chor wurde ab 1329 von Giovanni Ammannati geschaffen, eventuell nach Plänen von Maitani.​

Auch die Orgel wurde nach einem Entwurf von Ippolito Scalza gebaut, sie ist eine der größten Italiens.
Aus den vorher 4000 Pfeifen sind zwischenzeitlich 5585 Pfeifen geworden.​

Foto Ludovico


Im linken Querschiff befindet sich die
Cappella del Corporale


Erbaut von 1350 bis 1361 beheimatet sie das Corporale des Blutwunders von Bolsena.
Das Corporale wird nur zu Ostern und Fronleichnam gezeigt.​

Das 1,39m hohe und 63cm breite Reliquiarium wurde 1337 vom Bischof von Orvieto beim Goldschmied
Ugolino di Vieri in Auftrag gegeben und 1339 fertiggestellt.
Es besteht aus Silber mit Goldrahmen und wird von Emailbildern geschmückt, auf denen das Wunder von Bolsena und Episoden aus dem Leben Christi dargestellt sind.
Das Reliquiarium ist fast eine Miniaturausgabe der Westfassade des Domes.​

An den Wänden sind verschiedene Hostien-Wunder, die Kreuzigung, die Kreuzabnahme und die Auferstehung Christi dargestellt.​

Das Tabernakel aus Marmor wurde ab 1358 von Orcagna geschaffen.​


Eine Muttergottes der Schutzbefohlenen von Lippo Memmi vereint unter ihrem hermelingefütterten Mantel Betende aller Stände.​

Foto Ludovico



Die Fresken des Luca Signorelli bekommen ein Extrakapitel! :idea:​

Hier schon mal ein ein kleiner Vorgeschmack auf die Kapelle, in der nicht fotografiert werden darf

 
Zuletzt bearbeitet:
Dentaria,
besonders herzlichen Dank dafür, dass Du jetzt zu den Löwen am Taufbecken recherchiert hast. Sehr interessant.

Als kleinen Dank für Deine Arbeit habe ich wieder einige Ergänzungen vorgenommen, besonders Fotos eingefügt. Bei nicht so guten Lichtverhältnissen macht sich die teurere Fotoausrüstung erst bezahlt (großer Sensor und lichtstarke Objektive).

Jetzt trennen sich vereinbarungsgemäß unsere Wege wieder, obwohl wir ja auch noch in Todi zusammen die Raffaelausstellung besucht haben.

Es hat wirklich einen Riesenspaß gemacht den Dom von Orvieto gemeinsam zu erkunden. Ich habe viel gelernt.

Liebe Grüße Ludovico
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir hat es auch sehr viel Spaß gemacht!​

Vergiß unseren Abstecher in die Unterwelt nicht!

Edit: Vielen Dank für die tolle Fotoergänzung! :thumbup: :thumbup: :thumbup:​
 
Liebe Ute, lieber Ludovico,

Eure Teamarbeit ;) zum Dom von Orvieto begeistert mich sehr, fantastische Fotos und so viele Hintergrundinformationen, dass ich sie mir für ein genaueres Studium aufgespart habe. Aber allein das Flüchtiglesen war sehr interessant, vielen Dank Euch beiden! :nod:

Liebe Grüße

Angela
 
.

VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für die tollen "Erweiterungen" durch die schönen Bilder

:!::!::!:
 
Liebe Ute, lieber Ludovico,

Eure Teamarbeit ;) zum Dom von Orvieto begeistert mich sehr, fantastische Fotos und so viele Hintergrundinformationen, dass ich sie mir für ein genaueres Studium aufgespart habe. Aber allein das Flüchtiglesen war sehr interessant, vielen Dank Euch beiden! :nod:


Ich war auch total begeistert, mit welch schönen Fotos Ludovico meine Beiträge bereichert hat! :thumbup:​
 
Ja, es war wirklich tolle Teamarbeit. Nicht nur der Bericht, sondern auch das Teamwork vor Ort hat richtig Spaß gemacht.
 
In Orvieto suche ich ja ebenfalls - wie in Rom - nach Spuren von Michelangelo und Raffael.​

Zunächst Michelangelo:​

Nach Hermann Grimm muß Michelangelo, als er im Sommer 1501 das erste Mal von Rom zurückkehrte, durch Orvieto gekommen sein.
Dort war Luca Signorelli gerade dabei, die San Brizio Kapelle mit seinen berühmten Fresken auszumalen. Michelangelo hat also die Fresken mit Sicherheit gesehen und sie haben sein weiteres Schaffen beeinflußt.​

Ross King betont, dass beide Künstler zu den wenigen gehörten, die Leichen sezierten um den Aufbau des menschlichen Körpers kennen zu lernen.​

Forcellino sieht den Einfluß Signorellis auf Michelangelo vor allem in der Darstellung der Dämonen.
Alle Künstler vor ihnen stellten die Teufel als menschenunähnliche Kreaturen dar, wie Fra Angelico in seinem Jüngsten Gericht.​



Erst Signorelli - und später Michelangelo - malten die Dämonen als leicht entartete Menschen. Trotz Klauen, Federn und Farbigkeit bleibt die menschliche Anatomie erhalten.​

Zöller sieht vor allem, dass sowohl Signorelli als auch Michelangelo sich beim Jüngsten Gericht an Dantes Textvorgabe halten und mit dramatisch bewegten Figuren arbeiten.​

Raffael

Auch Raffael muß die Werke Signorellis gesehen haben - wegen der räumlichen Nähe der Lebensräume.
Beiden gemein ist die räumliche Tiefe und die anatomische Stimmigkeit in ihren Werken.​

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Cappella di San Brizio
Diese kunstgeschichtlich so wichtige und interessante Kapelle wurde von 1408 bis 1444 errichtet.
Bereits 1447 began Fra Angelico mit der Ausmalung des Gewölbes, wurde jedoch schon nach 2 Feldern - Chritus als Weltenrichter; Propheten - vom Papst nach Rom berufen.​

Erst im Jahre 1499 - also 52 Jahre später - erhält Luca Signorelli zunächst den Auftrag, das Gewölbe fertigzustellen, später auch die Aufgabe, die gesamte Kapelle auszumalen.
Er erledigt die Arbeit zur vollsten Zufriedenheit und auch zur Begeisterung der heutigen Besucher.
Da das Fotografieren leider verboten ist, sind die Überschriften mit den entsprechenden Fotos verlinkt!

Geschichten des Antichrist
Dies ist ein sehr seltenes Thema in der Kunstgeschichte.
Ein jesusähnlicher Mann steht mit einem Dämon auf einem Podest und spricht zum Volk, in dem Gewalt das Bild bestimmt.
Der Dämon flüstert ihm die Worte ein und Anhänger haben ihm Goldschätze zu Füßen gelegt.
Im Hintergrund steht ein Tempel, der sowohl Ähnlichkeiten mit dem Tempel zu Jerusalem aufweist, als auch zu Bramantes 1. Entwurf für den neuen Petersdom.
Links oben ist das Ende des Antichristen dargestellt.
Links unten sind - farblich stark abgegrenzt - die beiden Künstler Luca Signorelli und Fra Angelico verewigt.​

Die Auserwählten werden in den Himmel berufen
Dieses Fresko begeistert durch die harmonische Eleganz der Körper und die sanftmütige, geduldige Erwartung in den Gesichtern.
Einige Engel streuen Blüten auf die Menschen.
Die musizierenden Engel auf den Wolken erinnern mich an die Engel des Melozzo da Forli. Dessen Fresko in Santi XII Apostoli entstand 1480 und von 1482 bis1484 war Signorelli in Rom und hat diese Engel sicherlich gesehen.

Die Auferstehung des Fleisches
Im Himmel blasen 2 Engel mit aller Kraft in ihre Posaunen, woraufhin die Körper der Auferstehenden regelrecht aus dem Boden wachsen.
Hier überzeugen die anatomischen Feinheiten der Körper.
Ein Skelett grinst gar!​

Die Verdammten
Hier begegnet uns das Thema des 4. Pfeilers der Fassade wieder.
Im Himmel zücken 3 Engel ihre Schwerter.
Dämonen stürzen sich auf die Verdammten und werfen immer neue Menschen in die Menge.
Eine Bildwerdung der Dantesken Hölle.​

Der Weltuntergang
Bei diesem Fresko gibt es keinerlei Ornamente mehr!
4 Engel stürzen sich auf die Menschheit, während es Feuer aus der Sonne regnet.
Rechts unten sieht man die Ankündigung der Apokalypse.​

In den unteren Wandfeldern sind 8 Dichter- und Philosophenportraits.
Besonders gelungen: Dante
 
Wir hatten ja - wie Ludovico bereits erwähnte - das Glück, von seinem Schwager direkt zum Domplatz gefahren zu werden.
http://www.roma-antiqua.de/forum/posts/155536

Für andere Besucher von Orvieto empfiehlt es sich, mit der Seilbahn hoch in den Ort zu fahren.​

Neben der Seilbahnstation befindet sich noch eine Sehenswürdigkeit:​

Der Pozzo di San Patrizio
Beim Sacco di Roma glang dem Medici Papst Clemens VII. zunächst über den Passetto die Flucht in die Engelsburg. Nach 7 Monaten Belagerung kapitulierte der Papst und ging nach Orvieto.​

Dort hatte er ebenfalls Angst vor einer Belagerung und wollte die Wasserversorgung sichergestellt sehen. Da die bestehenden Brunnen leicht zu sabotieren waren, ließ er einen neuen Brunnen anlegen.​


Hier noch ein Foto, das bis zum Grund führt (Ludovico)


So wurde ein 62m tiefer Schacht in den Tuffstein geschlagen. Geplant war, dass sich die Maultiere in der doppelspiraligen Wendeltreppe nicht begegnen und damit behindern sollten.
Der Brunnen wurde zwar nie in Betrieb genommen, man kann die je 248 Stufen aber heute noch begehen.​

Die Wendeltreppe war wohl Vorbild für die berühmte Treppe in den Vatikanischen Museen.


2 Fotos Ludovico (und Ende der abgesprochenen Coproduktion)


 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Todi

Ich hatte im Internet gelesen, dass in Todi eine Ausstellung mit Kopien der Werke Raffaels stattfindet.
Raffaello - La mostra impossibile
Da ich mich bei dieser Reise sehr intensiv mit Raffael beschäftigen wollte, mußte ich diese Ausstellung natürlich sehen!​

Von Orvieto aus fuhren wir nun nach Todi, wo bereits außerhalb der Stadtmauern das erste Highlight wartet:​

Santa Maria della Consolazione
Der Legende nach fand im Jahre 1508 ein - auf einem Auge erblindeter - Bauarbeiter im Schutt ein kleines Madonnen-Fresko. Mit seinem Taschentuch reinigte er zunächst das Freko und wischte sich danach den Schweiß von der Stirn. Nun geschah angeblich ein Wunder und er konnte wieder auf beiden Augen sehen. Dieses Wunder war Anlaß, das kleine Kirchlein zu bauen, welches das Vorbild der Renaissancekirchen wurde. Ob Bramante hier ein Modell seines Petersdomes - griechisches Kreuz mit Vierungskuppel - verwirklichte, ist ungewiß.​


Am Parkplatz begrüßte uns Garibaldi​


und ein Traumblick in die umbrische Landschaft​


Die Piazza del Popolo wird bestimmt vom Dom und 3 Palazzi.​

Palazzo del Popolo


Die große Freitreppe diente als Kulisse im Film Cleopatra von 1963. Elizabeth Taylor durfte hier herunterschreiten.​

Dom
Man vermutet die Entstehung des Domes zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert. Hier treffe ich auf ein Fresko des Jüngsten Gerichtes von Ferraù da Faenza aus dem Jahre 1596, welches stark an Michelangelos Werk angelehnt ist.​



Im Vergleich eine Michelangelo-Kopie von Marcello Venusti

 
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