Bericht: Umbrien

drhoette

Princeps Senatus
Stammrömer
Umbrien ist die einzige italienische Region, die keine Meeresküste hat - und keine Grenze zu einem anderen Staat. Es liegt also 'mittendrin'. Ureinwohner dieses Gebiets waren die Etrusker im Westen, die Umbrer im Osten. Die Grenze bildete der Oberlauf des Tiber. 299 v.Chr. gründen die Römer die Kolonialstadt Narni, 241 die Kolonie Spoleto, ab 220 wird das ganze Gebiet erschlossen durch die Via Flaminia.

Wir waren eine Woche dort. Gewohnt haben wir in einem ehemaligen Kloster bei Collazone (südlich von Perugia).




Von dort wurden Tagesausflüge unternommen.

 
Danke für den neuen Beitrag ! Gibt´s noch Fortsetzungen ? Ich hoffe doch !

Umbrien steht auch auf meiner Wunschliste in den nächsten Jahren - dieses Jahr ist erst mal Ende Oktober Sizilien dran !

Gruß

Friedrich
 
Orvieto​

Viele umbrische Städte und Ortschaften wurden auf hoch aufragenden Tuff-Felsen erbaut - so auch Orvieto.


Orvieto liegt rechts des Tiber, also auf etruskischem Gebiet. Es war seinerzeit tatsächlich eine der Metropolen des etruskischen 12-Städte-Bundes, nämlich Velzna.

Unten in der Ebene: Abbazia dei Santi Severo e Martirio​

Der Tuff-Felsen ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Schon die Etrusker gruben Brunnen und bauten in Kavernen Baumaterial ab. Spätere Zeiten machten das ebenso, nutzten die Hohlräume auch als Lager, Werkstätten etc. Sehr viele dieser Hohlräume wurden als Taubenschlag benutzt. Im Falle einer Belagerung konnten die Tauben aus der Stadt fliegen, Futter suchen - und waren dann willkommene Nahrung für die Stadtbewohner.


Später wurde die weitere Aushöhlung des Felsens untersagt, da es statische Probleme für die Stadtbebauung gab. Auch heute muß der Fels mehr oder weniger regelmäßig mit Beton verstärkt werden.

Während des Sacco di Roma rettete sich der Papst in die Engelsburg. Er konnte dann aus Rom flüchten und begab sich nach Orvieto, wo die Päpste schon im 13. Jh. längere Zeit residiert hatten. Hier ließ er umgehend einen neuen Brunnen anlegen, 59 m tief, heute Pozzo di San Patrizio genannt.


Der Brunnen hat hinter Arkaden zwei Spiralwendeln, auf der einen gingen die Tragtiere nach unten, auf der anderen wieder hinauf. So kamen sie sich nicht in die Quere.

Dieses Konstruktionsprinzip war Anfang des 20. Jh. Vorbild für die bekannte Doppelwendel der Musei Vaticani.

Jetzt zum Dom mit seiner vornehmen Fassade, er ist das Wahrzeichen der Stadt.




Die Skulpturengruppe über dem Hauptportal - Maria mit Kind und Engeln, die einen Baldachin halten - ist nach einer Restaurierung erst vor kurzem wieder angebracht worden.


An den Fassadenpfeilern wurden große Relief-Zyklen geschaffen.


1. Pfeiler: Genesis
2. Pfeiler: Wurzel Jesse
3. Pfeiler: Leben Jesu
4. Pfeiler: Jüngstes Gericht

Im unteren Register sind die Reliefs mit Glas gegen Berühren (Grapschen) geschützt.

Erschaffung Evas

Sündenfall

Feld- und Hausarbeit Adams und Evas

Verkündigung
Heimsuchung
Christi Geburt
Anbetung der Könige​

Auf dem Gesims über den Reliefs befinden sich Bronzeskulpturen der Evangelistensymbole.


Lukas-Stier​

Am Dom ist vorn rechts die Cappella Nuova (Cappella della Madonna di S. Brizio) angebaut. In ihr befinden sich berühmte Fesken, begonnen von Fra Angelico (2 Gewölbefelder), vollendet von Luca Signorelli. Von Signorellis Fresken hat Michelangelo offenbar viel gelernt.

Cappella Nuova
Allerheiligenhimmel, Jüngstes Gericht,
Taten des Antichrist, Weltuntergang
Fra Angelico (a), Luca Signorelli (b)
a 1447-1449, b 1499-1503

Quelle: Band 3

Interessant ist der Vergleich der Domfassade mit der von Siena, die nur ein paar Jahre älter ist.

Siena, Orvieto​

Jene ist äußerst markant und plastisch, die in Orvieto betont dagegen mehr die Fläche.

Palazzo del Popolo​
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für den schon vielversprechenden, schön bebilderten Beginn. Da ich mich zu Umbrien, nach Rom, besonders hingezogen fühle, bin ich schon sehr gespannt auf die Schilderungen durch Deine Brille.

Gruß Ludovico
 
Moin - Moin drhoette!


VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für den Beginn und die 1. Fortsetzung Deines Berichtes mit den schönen Bildern


Gruß - Asterixinchen :), die sich auf mehr freut ...
 
Moin drhoette,

auch ich freue mich über den Umbrienbericht außerordentlich. Nach einem ersten Besuch vor 2 Jahren halte ich Umbrien ebenfalls für eine besonders schöne Region Italiens, in der es ungemein viel zu entdecken gibt.

Da wir konsequent durch die Provinz mäandert sind und fast alle Umbrienhighlights nicht angesteuert haben, werde ich nach eurer Reiseverlaufsskizze vieles entdecken können, das bei mir ganz oben auf der Liste steht und das ich noch nicht persönlich habe sehen können.

Vielen Dank

gengarde
 
In Umbrien gibt es den höchsten Wasserfall in Europa und ganz bekannt (jedenfalls hier) ist die Gegend um Norcia wegen den Trüffel, Hülsenfrüchten und Wurstspezialitäten.
 
Lieber Friedrich,
vielleicht können wir das dann auf südlich der Alpen spezifizieren;)
Du weißt schon:]

Gruß Ludovico
 
also doch relativiert und nicht absolut. Der ist mir auf jeden Fall einen Besuch wert, da ich Wasserfälle sehr gern fotografiere. Man kann da über die Belichtungszeit so wunderschöne Effekte erzielen.

Im Oktober reicht es wohl maximal für Assisi.
 
So, nach interessanten Diskursen über Wasserfälle, Diskursen auch wegen der Trüffel, Hülsenfrüchte etc. (Norcini-Produkte habe ich vermißt), nach kryptischen ultramontanen Hinweisen geht der Hauptfaden nun weiter.

Assisi​

Assisi ist die Stadt des hl. Franziskus. Er wurde hier geboren als Sohn eines reichen Tuchhändlers. Seine Kindheit war wohlbehütet, später wurde er ein regelrechter Rabauke. Mit seinen Jugendkumpanen stellte er allerlei Unfug an, nahm am Krieg Assisis gegen Perugia teil, wurde nach Perugias Sieg dort eingekerkert. Nachdem er von seinem Vater freigekauft war, wollte er wieder in den Krieg, jetzt gegen die Staufer in Süditalien. Sein Ziel war, Ritter zu werden.

Da drehte er plötzlich um und änderte sein Leben total. Er löste sich von seinem bisherigen, von seinen Eltern und Kumpanen, sammelte eine Schar Gleichgesinnter um sich und verschrieb sich dem Armuts- und Bußideal. Sein Bemühen, vom Papst Anerkennung seiner 'Ordensgemeinschaft' zu finden, wurde von der Kirche zunächst sehr skeptisch gesehen, waren doch zu der Zeit viele Sektierer und Scharlatane am Werk. Schließlich bekam er die Erlaubnis, er zog dann mit seinen Gefährten als Wanderprediger durchs Land. Sein persönliches Ziel war ausdrücklich die Christusnachfolge (was später in seiner Stigmatisation gipfelte).

Im Volk hatten seine Ideen und Verhaltensweisen übergroßen Anklang, er galt schon lange vor seinem Tod als Heiliger. Die Verehrung wurde dermaßen heftig, daß der Papst sich schon drei Jahre nach seinem Tod - auch aus machtpolitischen Gründen - gezwungen sah, Franziskus heiligzusprechen. Es entstand dann mit den Franziskanern eine Ordensorganisation, die mit den Idealen des Gründers nicht mehr viel gemeinsam hatte. In Assisi wurde eine regelrechte Kirchenburg errichtet, in die Franziskus' Gebeine dann überführt wurden. Es entwickelte sich ein entsprechender Kult, der riesige Pilgermassen nach Assisi lockte.


Quelle: Keine Angabe

Zunächst besuchen wir Santa Maria degli Angeli vor den Toren der Stadt.


Hier standen zwei kleine Kapellen, die sog. Porziuncola sowie die Sterbekapelle des hl. Franziskus. Hierhin zog es gewaltige Pilgerströme, daher baute Pius IV. diese riesige Kirche darum herum. Die Porziuncola steht unter der Kuppel, die Sterbekapelle befindet sich rechts neben dem Chor.


Damit die Pilger sich erfrischen konnten, stifteten die Medici den 'langen Brunnen' mit 26 Zapfstellen.


Im verwinkelten Flur steht Franziskus, ein paar weiße Tauben leben dort bei ihrem Freund.


Jetzt fahren wir zu einem der großen Parkplätze und steigen hinauf in die Stadt.

Wir kommen an Santa Chiara vorbei, der Ordenskirche der Klarissen. Franziskus' geistige Gefährtin, die hl. Klara, gründete diesen Orden. Sie ist hier auch bestattet. Das Gebiet hier ist erdbebengefährdet, daher entschloß man sich zum Bau der extrem weiten Strebebögen.



In der Fassade ist eine wunderschöne Steinrosette integriert. Solche Rosetten findet man in Umbrien sehr haufig, manchmal auch mehrere in einer Fassade.


Die Straßen der Altstadt verlaufen parallel am Hang entlang, also ohne größere Steigungen. Sie sind durch steile Gassen miteinander verbunden.



Unterwegs trifft man Franziskus' Eltern.


Hoch oben auf dem Berg steht die Rocca Maggiore.


Umbrien war umkämpft zwischen lokalen Machthabern und dem Papst. Während des Papstexils wurden die Burgherren übermütig, die Städte wollten die Gelegenheit nutzen, nach dem Vorbild der norditalienischen Stadtrepubliken die kommunale Freiheit zu erringen - unabhängig vom Kirchenstaat. Der Papst beauftragte daher den spanischen Kardinal Albornoz, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dieser war wohl ein richtiger Draufgänger und Haudegen, er hatte bei diversen Kriegszügen persönlich seine Truppen angeführt.

Albornoz errichtete nun bei mehreren umbrischen Städten Kastelle hoch auf dem Berg, setzte dort Gouverneure mit entsprechendem Militär ein und hielt so die Stellung. Man nennt diese Kastelle auch 'Rocca Albornoz'.

Auf unserem weiteren Weg kommen wir zur Piazza del Comune. Hier stehen der Palazzo del Capitano sowie der vollständig erhaltene antike Minervatempel. Letzterer war das einzige Gebäude in Assisi, das Goethe interessierte.

Quelle: Keine Angabe

Rechts geht es dann hoch zum Dom mit schöner Fassade (innen ist er nichts Besonderes).


Hauptportal

Linkes Nebenportal

Rechtes Nebenportal​

Dann das Hauptziel in Assisi: Die Doppelkirche San Francesco mit dem riesigen Klosterkomplex. Mit dem Bau dieses Zentrums der Franziskus-Verehrung wurde schon bald nach Franziskus' Tod begonnen, der Komplex wurde im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut, sogar einen Papstpalast gibt es dort. Der Hang am Bergsporn war Assisis Müllkippe gewesen. Damit man da überhaupt bauen konnte, mußte man unglaubliche Substruktionen errichten. Die haben wir schon von unten gesehen.

Jetzt also die Doppelkirche.

Oberkirche mit
Piazza Sup. di S. Francesco


Die Fassade der Oberkirche hat eine besonders aufwendige Steinrosette.


In den Ecken des umschreibenden Quadrats die vier Evangelistensymbole.


Während der Bauzeit war das hier eine europäische Großbaustelle.Die beteiligten Architekten, Baumeister und Künstler waren die namhaftesten ihrer Zeit. An der Freskierung z.B. haben neben unbekannten Meistern Maler wie Cimabue, Giotto, Simone Martini und Piero Lorenzetti mitgewirkt.

Unter- und Oberkirche sind vollständig ausgemalt. Ich werde hier nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern möchte nur einen Eindruck vermitteln. Quelle aller Freskenbilder ist Band 1.

Oberkirche



Unterkirche

Portal mit Rosette


Einzug in Jerusalem

Abendmahl

Blick in die Martinskapelle

Piazza Inf. di S. Francesco

Blicke in die Landschaft​
 
Zuletzt bearbeitet:

Dieses Bild ist ja aus einer tollen Perspektive aufgenommen. Gefällt mir sehr gut, wie auch ganz besonders die Aufnahmen der hervorragenden Fresken in San Francesco. Leider herrschte bei meinem letzten Besuch absolutes Fotografierverbot.

Assisi werde ich voraussichtlich im Oktober wieder einmal besuchen. Beim erstenmal 1977 habe ich Assisi nur nach energischem Drängen meiner Frau angesteuert (Wallfahrtsorten weiche ich normalerweise aus). Heute ist die gepflegte Stadt, idyllisch gelegen, mit den vielen romantischen Gassen eine meiner Lieblingsstädte.

Danke für diesen wieder sehr interessanten Teil Deines Berichtes.

Ludovico


 
Ich sehe gerade, dass die Freskenbilder aus einem Buchband sind. Auch diese sind eine schöne Dokumentation und rufen die Erinnerungen wach.
 
Gubbio​

In Gubbio steht am Markt die 'Prediger-Scheune' San Francesco.


So nannte der Volksmund jene Kirchen, die für Massenveranstaltungen errichtet wurden. Außen und innen schlicht und schmucklos, es gab kein Gestühl, damit möglichst viele Leute hineinpaßten. Wortgewaltige Prediger zogen durchs Land und heizten den armen Sündern ordentlich ein. Vielleicht war ja Franziskus auch so ein Prediger. Ich kann mich übrigens an einen Wanderprediger zu meiner Jugendzeit erinnern: Pater Leppich (der war aber Jesuit).

Der Palazzo dei Consoli 'schwebt' hoch über der Stadt.


Der Platz vor ihm wird von mächtigem Mauerwerk gestützt. Nach oben fahren Aufzüge.


Im Palazzo ist heute ein interessantes Museum.


Blicke aus dem Palazzo auf die Dächer Gubbios.



Der Dom liegt noch höher (im Bild rechts die Kante der Fassade).


Neben dem Dom steht der Palazzo Ducale, eine Zweitresidenz der Herzöge von Urbino.

Auf dem Weg nach unten kommen wir an einem Brunnen vorbei, der von der Wappenfigur der Chigi bekrönt ist.


Über das Leben und Wirken des hl. Franziskus gibt es (fast) unendlich viele Legenden. Das ist bei einem so populären Heiligen auch garnicht verwunderlich.

Die Legende von Franziskus und Bruder Wolf geht so:

In der Gegend von Gubbio trieb ein grimmiger Wolf sein Unwesen. Er riß nicht nur Tiere, sondern fiel auch Menschen an. Das ging so weit, daß sich die Bürger in ihrer Stadtmauer verschanzten und sich nicht nach draußen trauten. Franziskus hatte Mitleid mit den Leuten und beschloß, ein ernstes Wörtchen mit dem Wolf zu reden.

Er ging zu dem Raubtier, machte das Kreuzzeichen und ermahnte den Wolf. Der kam zu ihm und legte sich wie ein zahmes Lamm vor die Füße. Durch Schwanzwedeln, Spitzen der Ohren und Senken des Kopfes zeigte er seine Reue. Franziskus forderte ihn auf, mit ihm in die Stadt zu gehen und sich zu verpflichten, fürderhin friedlich zu sein, die Bürger würden ihm dann regelmäßig Futter geben.

So geschah es. Die Bürger schlossen den Wolf in ihr Herz. Dieser lebte noch zwei Jahre in Gubbio, ging von Haus zu Haus und erhielt sein Futter. Als er starb, trauerte die ganze Stadt um ihn.

Vor einigen Jahren haben die Bürger ihren Helden ein Denkmal gesetzt.


Touristen kaufen sich entsprechende Bildchen.

Quelle:Edizioni DACA, Assisi

Kindern wird die Geschichte so nahe gebracht:

Quelle: Editrice Minerva, Assisi

Jetzt fahren wir zum Trasimenischen See. Da kann man sehr schön nachvollziehen, wie es Hannibal 217 v.Chr. gelingen konnte, mit seinen geschwächten Truppen zwei römische Heere zu vernichten.


Per Schiff geht es zur Isola Maggiore. Dort spazieren wir etwas den Uferweg entlang und erfreuen uns an Flora und Fauna.

 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die Fortsetzung auch von mir. Ja, in Umbrien begegnet einem der liebe Franz sehr häufig. Auch auf der Isola Maggiore habt Ihr ihn sicher mehrfach entdeckt. Die Insel ist ja wild romantisch und hat besonders im Innern den "Charme des Vergänglichen".

Gruß Ludovico
 
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