Roma im Regen, Schnee und Sonnenschein

Nachtrag zu Santa Maria Cosmedin:

In der Kirche wird die Messe nach dem Melkitisch- Griechisch- katholischen Ritus gefeiert. Bis zu meinem Erstbesuch 2012 wusste ich garnichts von den vielen unterschiedlichen Riten, die sich unter dem weiten Rock der katholischen Kirche tummeln.

Damals geriet ich in die byzantinische Messe der syrisch- katholischen Gemeinde. Wenige Gläubige versammelten sich vor den Chorschranken. Es wurden Heftchen verteilt, damit man mitbeten könne...in arabischer Sprache, was mein Mitbeten etwas erschwerte. Ich beschränkte mich mehr auf das Zuschauen. Ältere Ehepaare, die Damen alle in schwere Pelzmäntel gekleidet und die gefärbten Haare aufonduliert; das Pope, der gerade noch eben in Zivil ein Schwätzchen mit den Gemeindemitgliedern hielt und sich schnell ein schwarzes Gewand überwarf, um die Messe zu beginnen. Und dann der Männerchor, bestehend aus 4 jungen, kahlgeschorenen Muskelprotzen, denen man nicht gerade gerne alleine im Dunkeln begegnen möchte und denen man nun schon garnicht zutraute wie Engel zu singen. Der Gesang war beeindruckend und das Zusammenspiel/ singen funktionierte nur über ein Augenzwinkern, was genügte, damit der nächste Sänger die Stimme übernahm. Ein besonderes Erlebnis!
Und nachfolgend die Erkenntnis der eigenen Ignoranz und der gepflegten Vorurteile. :roll:


Das wunderschöne Mosaikfragment aus Alt-St. Peter, was beim Abriss des Doms in verschiedene Teilstücke geschnitten wurde. Um 706 von byzantinischen Künstlern für die Grabkapelle des Papst Johannes VII. geschaffen, wurde es beim Neubau des Petersdom der Kirche Santa Maria in Cosmedin vermacht. Das Mosaik hängt übrigens nicht in der Kirche, sondern im kleinen Buch-/ Andenkenladen. Die Kirche ist ganztags geöffnet ohne Mittagspause, was für die Besuchsplanungen recht entspannenend sein kann.
 
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Aventin:

Als wir aus der Kirche herauskamen, war das Wetter leider nicht mehr ganz so sonnig, die ersten Wolkenschleier zogen auf. Wir wendeten uns dem nebenan liegenden Aventin zu und stiegen den stillen Clivo di Rocca Savella hoch. In der Kurve, wo die hohe Mauer den Orangengarten abgrenzt, machte uns ein dort campierender Obdachloser darauf aufmerksam, dass der Orangengarten geschlossen sei.

Wie die vielen Obdachlosen wohl die eisigen Tage und Nächte draussen überstanden haben :?: Manche sah ich mit ihren Tieren, Hunden oder Katzen, den Schlafsack und die Wärme teilen.

Der Mann hatte in der Tat Recht, der Park war wie so viele andere geschlossen. Nebenan bei Santa Sabina konnte man aber in die Grünanlage eintreten und den Blick über Rom schweifen lassen.
Auch die Kirche selber war wundersamer Weise offen, obwohl dort normalerweise während der Mittagspause geschlossen wird. Wir genossen den herrlichen Anblick dieser, wie schon bei S. Maria in Cosmedin, in den Urzustand " rückgebaute " Kirche. All ihrer barocken Zutaten beraubt, beeindruckt diese Kirche durch ihre Schlichtheit und Grösse und dem Eindruck einer frühchristlichen Basilika.

Ich wollte mir das älteste erhaltene Holzkirchenportal anschauen, was um 432 für diese Basilika entworfen worden war. Wie immer kämpfte ich mit den Lichtverhältnissen , aber ein paar Bilder sind mir dann doch unverzittert vor die Linse gekommen.

Die Darstellung des gekreuzigten Christuns mit den beiden Schächern an seiner Seite ist das erste Mal, dass Christus am Kreuz dargestellt wird. Das war zur Zeit der Entstehung des Portals nämlich verboten. Die Schnitzerei umgeht das Verbot, denn man sieht eigentlich kein Kreuz, sondern Christus mit ausgebreiteten Armen, geöffneten Augen, ohne Nimbus und ohne Leidensausdruck.
Der Hintergrund als gemauerte Wand und die angedeuteten Dächer sollen wohl zeigen , dass die Kreuzigung vor den Mauern Jerusalems stattfand.

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Die Szene des Verleumnung Christi durch Petrus und Erscheinung des auferstandenen Christus am Ostermorgen den Frauen am Grab:

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Als kleines Kuriosum vermerkt das Buch" Verborgenes Rom", , dass sich ein Restaurator während einer Renovation des Portals im 19. Jahrhunderts die künstlerische Freiheit herausnahme, in einer Szene des alten Testaments, nämlich dem Auszug der Juden aus Ägypten durch das Rote Meer, dem Pharao die Gesichtszüge des Napoleon zu verleihen...8O
Leider nur leicht verwackelt, kann man zumindest den prominenten Pharaonenkopf sehen.

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Ich wandte mich dann dem Guckloch in den Innenhof des Klosters zu


und entdeckte den Frühling!!! zu Füssen, :? ehm, eher Wurzeln des sagenumwobenen Orangenbaumes. Den Urbaum soll der heilige Dominikus aus seiner Heimat Spanien mitgebracht und gepflanzt haben. Angeblich war dies der erste Orangenbaum auf italienischem Boden. Und er scheint unsterblich zu sein, da er immer wieder nach dem Vertrocknen des Hauptstammes neu austreibt. Eine Art botanischer Phoenix. :lol:

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Wir bummelten über die Via di Santa Sabina zur Piazza dei Cavaleri di Malta. Die Kirche Sant Alessio war natürlich geschlossen. So gibt es nur Turmbilder:


Anschliessend warfen wir noch den obligatorischen Blick durch das Schlüsselloch bei den Maltesern.


Es war recht eisig hier oben. Der Wind wehte scharf, die Sonne war verschwunden.


Da kann mann natürlich verstehen, dass sich einige gesellschaftlich gehobene Damen, bekleidet mit hochhackigem Schuhwerk und Pelzmantel in einer schwarzen Limousine direkt an das Portal kutschieren liessen. Der schwere Wagen parkte mit laufendem Motor :!: neben der Warteschlange, man hatte es schliesslich eilig... Immerhin drängelten die Damen sich nicht vor, sondern reihten sich in die kurze Schlange ein und warteten ihren Blick ab.



Wir marschierten schliesslich auf der anderen Seite des Aventin den Hügel herunter ,


um mit der Strassenbahn wieder in Richtung Heimat zu fahren. Hier beim Umsteigen in der Viale Trastevere eine Art Strassenandacht mit Votivgaben:

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Dann hatten wir unseren Termin bei den hochwohlgeborenen Farneses. Nie hatten wir es bisher geschafft, den Palazzo von innen zu sehen. Aber dieses Mal war es uns gelungen, Karten für die englische Führung zu bekommen. Das Erwerben der Tickets ist nicht ganz unkompliziert, wenn man für eine Gruppe einkaufen muss, denn man muss alle Daten, wie Passnummern, etc. angeben, denn die Kontrollen sind verschärft, residiert doch in diesem schönen Gemäuer die französische Botschaft. Und es gibt leider ein Fotographierverbot :(. Also nur ein Bild vom Eingangsbereich,


der Rest war andächtiges Betrachten der herrlichen Renaissancefassaden und Inneneinrichtung und Lauschen den Erklärungen unserer sehr sympathischen und kompetenten Führerin. Es gibt aber neben all den historischen Geschichten und Schönheiten auch ganz irdisch aktuelles Leben in den Hallen. Während unserer Führung tobten zwei kleine Jungs durch die Säulenloggia, vielleicht waren das die Kinder des Botschaftspersonals? Im Garten hielt auch ein kleiner Schneemann die Stellung. Ich nehme nicht an, dass der Botschafter den selber gebaut hat. :D


 
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Vielen Dank für die munteren weiteren Erzählungen Eures Spaziergangs durch das winterliche Rom!
S.M. in Cosmedin und der Aventin ist auch bei uns fester Bestandteil jeder Romreise. Wenn der Orangengarten geschlossen war, wart Ihr wohl in dem auch neu angelegten kleinen Park, von Sant´Alessio, wo eines der Rätsel des letzten Advents "beheimatet" war.
Wir hatten übrigens einmal die Gelegenheit, eine Führung in Santa Sabina mitzumachen durch das Kloster, das war sehr interessant, wird aber nur selten angeboten. (Circuito Aperto)
Hier findet sich mein Bericht davon:

Frühlingserwachen in Rom - Luoghi segreti ed aperti - Seite 10
 
Hallo Angela,

Danke für das Verlinken deines tollen Berichtes. Das war ja fast ein deckungsgleicher Spaziergang!! Und für die zukünftigen Rombesuche werde ich mir mal die Führung durch das Kloster von Santa Sabina vormerken. Ich hatte schon früher immer mal Leute bemerkt , die von oben in die Kirche guckten. Oh , dass wäre schön, wenn das mal klappt. Denn wie schon früher mal festgestellt, ist Santa Sabina eine meiner Lieblingskirchen und ein Karfunkel unter den Funkelsteinen.
 
Aktuelle Daten konnte ich dem Link nicht entnehmen, aber falls es in Frage kommt, würde ich dann einfach mal hinschreiben. Es war wirklich ein tolles Erlebnis. :nod:
 
Wo hat man einen Fast- Schlüsselloch-Blick :?:

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In der Engelsburg :]

Heute liessen wir führen. Als wir letztes Jahr Francesca bei einer musikalisch unterlegten Führung im Palazzo Doria Pamphilj kennenlernten, stand fest, dass wir uns beim nächsten Mal in Rom von ihr führen lassen würden. Aus ihren vielen Vorschlägen wählten wir 2 aus.
Am 01.03. besuchten wir die Engelsburg, die wir bis dahin noch nicht kannten und eroberten danach die Via Giulia und Umgebung.

Die Engelsburg ist ja eigentlich das Mausoleum des Kaiser Hadrian. Wir hätten ja gerne die Hadrian Villa in Tivoli besucht, was bekanntermassen wegen ungünstiger Winde ausfiel. Dann sollte es wenigstens die etwas überdimensionierte Begräbnisstätte am Ufer des Tiber werden.

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Animula, vagula, blandula
Hospes comesque corporis,
Quaec nunc abibis in loca
Pallidula, rigida, nudula,
Nec, ut soles, dabis iocos...

Seele du, schweifendes, zärtliches,
Leibes Gefährtin und Gast
Nun führt ins düstre Reich
Fröstelnder Schatten dein Weg
Und nie schmerzest du fürder wie einst...

Publius Aelius Hadrianus

Obwohl bei uns noch Körper und Seele zusammen waren, fröstelte es uns ganz gewaltig im Schatten dieses riesigen Komplexes. Erst als Hadrianeum bekannt, erbaut 121 und 134 n.Chr., das grösste antike Bauwerk nach dem Kolosseum immerhin, erinnert allerdings kaum etwas an den antiken Ursprung: von der Form des Bauwerks, seiner Struktur im unteren Teil und diesem Fragment des Fassadenschmucks mal abgesehen:


Dann Landeplatz für den Erzengel Michael, was zum Namenswechsel auf Castel Sant Angelo führte:


Bei einer Prozession wegen einer Pestepidemie sah Papst Gregor der Grosse den Erzengel Michael auf dem Hadrianeum stehen und sein Schwert in die Scheide stecken. Das interpretierte der Papst als Zeichen für das Ende der Pest, weshalb seither eine Engelsfigur die Burg krönt und zur Namensänderung führte.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Mausoleum zur Fluchtburg und zum Fort ausgebaut.

" Wer die Engelsburg besitzt , beherrscht Rom".

Die Päpste machten davon oft Gebrauch und vorallem mussten sie so manches Mal, um ihr Leben zu retten, über den Passetto rennen, der den Vatikan mit der Engelsburg verbindet. In der Engelsburg lebte es sich recht komfortabel,, wenn man nicht gerade ein gemeiner Gefangener war. Die Päpste liessen sich den Rundbau schön ausbauen und ausmalen.



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Schöne Aussichten hat man auch:

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Und wieder gibt es interessante Fresken- Grotesken:

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In der oberen Etage wird es dann ganz eklektisch:

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In die Cafeteria kehrten wir nicht ein; das Wetter war auch nicht besonders einladend noch länger auf den zugigen Terrassen auszuharren. Viele Gänge und Wege waren wegen Glatteisgefahr gesperrt, an den Schattenstellen in den Höfen lag noch Schnee:


Und so mancher geflügelte Botschafter schien in der Mauser zu sein...


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Wir bevorzugten auf den eigenen Füssen und nicht auf diesen federlosen Schwingen die Engelsburg zu verlassen und uns unserem weiteren Ziel , der Via Giulia zuzuwenden.
 
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Danke für die schönen Freskenausschnitte aus der Engelsburg. Ich liebe diese zarten Malereien.
 
Hallo Tizia, ich hatte diese wunderbaren Grotesken schon in anderen Reiseberichten gesehen. Allein dafür, vorausgesetzt man interessiert sich dafür, lohnt sich der Besuch dieser sonst so abweisenden Burg.
Ein nicht unbedingt christlich geprägtes Funkelsteinchen! :lol:
 
Hallo Tizia, ich hatte diese wunderbaren Grotesken schon in anderen Reiseberichten gesehen. Allein dafür, vorausgesetzt man interessiert sich dafür, lohnt sich der Besuch dieser sonst so abweisenden Burg.
... und wegen der Aussicht! :nod:
 
Hallo Tizia, ich hatte diese wunderbaren Grotesken schon in anderen Reiseberichten gesehen. Allein dafür, vorausgesetzt man interessiert sich dafür, lohnt sich der Besuch dieser sonst so abweisenden Burg.
... und wegen der Aussicht! :nod:

Anfangs fand ich die Burg auch abweisend aber diese Einstellung habe ich nicht mehr.

Schöne Aussicht und viele verborgene Schätze sowie interessante Einblicke hat sie zu bieten. Und die Spieglungen im Wasser des Tibers mitsamt der Engelsbrücke machen die Burg sogar liebenswert, jedenfalls für mich.
 
Euere römischen Spaziergänge durch Schnee(matsch) und Frühlingsahnen gefallen mir sehr gut. Wie schön, dass man Euch begleiten kann (ohne nasse Füße und kalten Ohren zu bekommen :twisted:) und ich auch etliches Neues entdecken konnte. :thumbup:


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Die Säulen und Friese des rechten Bildes sind aber bei einem anderen Gebäude eingelassen, könnte es die Casa dei Crescenzi sein?

Genau so ist es.

Die Darstellung des gekreuzigten Christuns mit den beiden Schächern an seiner Seite ist das erste Mal, dass Christus am Kreuz dargestellt wird. Das war zur Zeit der Entstehung des Portals nämlich verboten. Die Schnitzerei umgeht das Verbot, denn man sieht eigentlich kein Kreuz, sondern Christus mit ausgebreiteten Armen, geöffneten Augen, ohne Nimbus und ohne Leidensausdruck.
Der Hintergrund als gemauerte Wand und die angedeuteten Dächer sollen wohl zeigen , dass die Kreuzigung vor den Mauern Jerusalems stattfand.

Soviel ich weiß war es nicht verboten Christus am Kreuz darzustellen. Vielmehr dürfte es daran gelegen haben, dass das Kreuz ein Schand-und Spottzeichen (wie z.B. hier) war und Jesus in der frühchristlichen Kunst als Auferstandener und Erlöser gezeigt wurde. Erst nach der Schlacht an der Milvischen Brücke mit der "Vision Konstantins" wurde das Kreuz ein Siegeszeichen und damit begann auch die Darstellung des Gekreuzigten. Zuerst noch in "aufrecht stehender" Gestalt (wie oben in der Orantehaltung) und erst später als Leidender.
Aber egal wie auch immer: ich finde die Darstellung an der Zypressenholztür in Santa Sabina sehr beeindruckend und Dir ist ein schönes Foto davon gelungen.

Und nun freue ich mich auf den Spaziergang über die Via Giulia, eine Straße, die ich auch gerne mag, und bin gespannt, wie ihr sie gesehen habt.
 
Liebe Tizia und Angela,

Die Engelsburg ist wirklich ein bisschen speziell. Ich hatte sie bislang ja nur von aussen gesehen und fand sie nicht besonders ansprechend. Sie wirkt halt trutzig und abweisend. Nachdem ich die schönen Innenaufnahmen in anderen Reiseberichten hier gesehen habe, fand ich sie schon viel attraktiver. Und als unsere Führerin den Rundgang über die Engelsburg anbot, übernahmen wir diese Möglichkeit dieses Bauwerk mal von grundauf kennenzu lernen. Es lohnt sich. Tolle Aussichten von den verschiedenen Terrassen, wunderschöne Ausmalungen der Gemächer.
 
Hallo Pasquetta,

danke für die Aufklärung bzgl. der Darstellung Christus am Kreuz. Allein , dass diese Tür schon 1500 Jahre überstanden hat, macht sie einzigartig.
Ich freue mich, dass ihr weiter bei meinen Spaziergängen durch das unterkühlte Rom dabei seid. Virtuell gibt es dabei auch meistens keinen Schnupfen! :lol:
Die Casa dei Creszenci habe ich mehr oder weniger aus dem Stadtplan zugeordnet, deswegen kann ich nicht mit letzter Sicherheit behaupten, ob es sich tatsächlich um das Gebäude handelt. Aber dein Link zeigt , dass es sich tatsächlich um diese Gebäude handelt. Blinde Hühner finden auch mal ein Korn....
 
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Spaziergang über die Via Guilia und Besichtigung der Galeria im Palazzo Spada:

Die Via Guilia kannten wir natürlich schon von vorherigen Besuchen in Rom. Eine Strasse, die ich persönlich sehr schön finde. Nun also wollte unsere Führerin unser Wissen ein wenig vertiefen.

Wir starteten nach einem feinen Cappuccino in einer der umliegenden Cafes mit der Kirche S. Giovanni dei Fiorentini. In dem Viertel, " Klein Florenz" genannt, lebten im 16.Jahrhundert vorallem die florentinischen Bankiers und Wollhändler, die den Bau der Kirche natürlich auch finanzierten. Hier gibt es lauter kleine abzweigende Strassen, die alle einen Bezug nach Florenz oder den hauptsächlichen Tätigkeiten seiner Anwohner hatten: z.B. die Via Banci vecchi, Via Acciaioli ( eine berühmtes florentinisches Geschlecht) oder auch der Vicolo delle Palle ( Wappen der Medicis). Und so wurde natürlich die Kirche dem Schutzpatron von Florenz geweiht, dem Heiligen Johannes, der Täufer.
Der Papst Leo X. di Medici, selber aus Florenz stammend, liess 1518 eine Art öffentliche Ausschreibung zur Gestaltung der Kirche machen. Die Liste der Künstler, die nicht zum Zuge kamen liest sich wie ein who-is-who der Architekturgeschichte: Baltasare Peruzzi, Antonio di Sangallo, Raffael, später sogar Michelangelo.
Jacobo Sansovino gewann, aber die Kirche wurde dann von Sangallo und Giacomo della Porta begonnen. Weitergebaut wurde von Carlo Maderno. Der Bau zog sich aber über fast 150 Jahre hin, mit etlichen Änderungen der Fassade und des Innenraums. Schliesslich wurde die Fassade ab 1734 von Alessandro Galileo fertiggestellt.

Wir hatten leider nur 10 Minuten, bevor die Türen der Kirche zur Mittagspause geschlossen wurden, weshalb wir uns nur kurz umschauten, dem schlichten Grab von Borromini unseren Tribut zollten und uns der Via Guilia zuwendeten. Beim Ausgang standen zwei Figuren noch immer in ihren Holzkisten, über die Simone Clio schon in ihrem Reisebericht " Wunderschöner Frühsommer 2016" erzählt hatte. 8O Wunderschöner Frühsommer in Rom - Seite 2

Rom ist halt eine ewige Stadt und eine ewige Baustelle
:frown: :D

Die Via Guilia wurde als grosses Stadtbauprojekt von Papst Julius II. ( 1503- 1513) della Rovere geplant. Dieser Papst begann den Neubau des Petersdom, in dem er auch unter einer einfachen Grabplatte begraben liegt. Sein eigentliches riesig dimensioniertes Grabmal, von Michelangelo geschaffen, steht unbenutzt, aber prächtig anzuschauen in der Kirche San Pietro in Vincoli.

Zum ersten Mal sollte in Rom eine grosse, gerade Strassenschneise durch die wuseligen, mittelalterlichen Gassen geschlagen werden. Ein grosses Renaissance-Projekt, dass auch von einem grossen Renaissance-Architekten ausgeführt werden sollte. Nämlich Bramante. Man begann, aber der Tod der Beiden( Papst und Architekt) führte zu einem Abbruch bzw. Umgestaltung. Das Vorhaben hier den Palazzo dei Tribunali zu installieren, kam über das Fundament nicht hinaus. Diese Fundamente wurden in andere Gebäude teils integriert, teils ragen sie als sogenannte Sofas der Via Guilia in die Strasse hinein, wo man als Passant im Sommer sicher gut sitzen und sich ausruhen kann. Uns war die Sitzgelegenheit leider zu feucht.

Wir kamen an den verschiedenen Palazzi vorbei, denn die Via Guilia wurde natürlich zu einer Art bevorzugter Wohngegend der Reichen. Noch heute verbirgt sich hinter zum Teil schmutzigen, schäbigen Fassaden so manche Perle. Die meisten aber leider unzugänglich. So z. B.: Palazzo Sangaletti, dessen kleinen Vorhof wir nur durch das Gitter betrachten konnten. So ein Sarkophag-Brunnen steigert natürlich gleich das Flair.


Aus diesem Palazzo kamen zwei ältere distingierte Damen, sich gegenseitig stützend , den Fifi an der Leine, seltsam gekleidet in einer Art pelzbesetztem Kimono und frisiert, wirkten die Beiden ein wenig aus der Zeit gefallen, passend zur Strasse...

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Der Palazzo Sacchetti zeigte sich abweisend und unzugänglich wie immer, leider aber auch zugeparkt.


Unsere Führerin erzählte , dass die Via Guilia in den letzten Jahren sehr vernachlässigt wurde und ein Mauerblümchen- Dasein führe. Die Mieten seien trotz Renovationsbedarf der Wohnungen hoch und nicht bezahlbar für den normalverdienenden Römer.


Die dort lebende Nachbarschaft ist ziemlich überaltert. Kleine Geschäfte können sich dort nicht halten, denn es gibt keinen Publikumsverkehr. Wir sahen tatsächlich viel Leerstand, wenig Leute auf der Strasse, das Kriminalmuseum sei seit vielen Jahren schon geschlossen. Die Brunnen an der Strasse standen grösstenteils trocken.


Wir bogen in das folgende Gässchen ein


und sahen uns das Oratorio del Gonfalone an, natürlich nur von aussen. Geöffnet wird es meistens nur, wenn dort Konzerte aufgeführt werden. Innen birgt es ein manieristisches Meisterwerk, welches die Passion Christi darstellt.
Der unscheinbaren Fassade sieht man es, ähnlich wie bei den Palazzi nicht an, was sich hinter den Mauern für Kunstwerke verbergen:

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Als die Bruderschaft von S. Lucia del Gonfalone, die Fahnen- oder Standartenträger( sie hissten die Papstfahne in Rom während der Exilzeit der Päpste in Avignon) Ende des 19. Jahrhunderts aufgelöst wurde, geriet das kleine Oratorium in Vergessenheit. Es wurde sogar von den Strassenkehrern als Lagerstätte benutzt bis es schliesslich wiederentdeckt und zwischen 1998 uns 2002 restauriert wurde.

Einer der wenigen renovierten Palazzi ist der Palazzo Falconieri, heute Sitz der Ungarischen Akademie.


Die Kirche Santa Maria Dell´Orazione e Morte geschlossen wegen Renovation:

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Dann kam dann schon der Bogengang, der vom Palazzo Farnese aus über die Via Giulia in den Garten am Tiber führt. Hinter dem Bogen der grosse Brunnen: il Mascherone- auch der trocken.





 
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Galeria di Spada:

Wir schlugen nun den Bogen zur Piazza di Capodiferro.

Der Palazzo Spada



ist vorallem berühmt wegen der optischen Illusion eines Säulengangs im Innenhof, gebaut von Borromini. Dieser Architekt bezog aber auch den Platz vor dem Palazzo in sein Illusionsspiel mit ein. Dies wurde allerdings erst vor ca. 20 Jahren bei der Renovation am gegenüberliegenden Palazzo Ossoli entdeckt. Zwar sind die ursprünglichen Fresken nicht mehr sichtbar, aber sie bezogen die echte Nische mit der Statue mit ein und vom richtigen Standpunkt aus dem Innenhof des Palazzo Spada heraus, wirkt der Vorplatz wie ein weiterer Hof und ergibt die Illusion eines riesigen Palastes. Das war durchaus intendiert, denn der Palazzo Spada war so viel kleiner als der riesige Palazzo Farnese und so konnte Kardinal Bernadino Spada den Nachteil an Grösse durch optische Spielereien wirkungsvoll ausgleichen.

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Aufgrund einer Sitzung des Staatsrates durften wir nicht in den Hof des Palazzo Spada eintreten, sondern mussten durch einen Seiteneinlass im Vicolo del Polverone.


Dort hatten wir einen Blick ins Grün und Gelb, denn die Zitronen hingen prall in den Bäumen.


Der Palast wurde um 1540 von Kardinal Girolamo Capodiferro gebaut und gut 100 Jahre später von Kardinal Bernhardino Spada erworben, der u.a. Borromini den Auftrag zur Erweiterung und Umgestaltung gab.
Der Kardinal füllte die Räume mit den Objekten seiner Sammelleidenschaft. Im Jahre 1927 wurde der Palast vom italienischen Staat gekauft und dient seither den Staatsgeschäften.


Die öffentliche Galerie ist mit vier zu besichtigen Räumen übersichtlich, aber durchaus lohnenswert. Wie eine Miniaturausgabe der Galeria Colonna sind die Bilder bis unter die wunderbaren geschnitzten und bemalten Decken gehängt. Man erwarte also keine tolle Präsentation und Ausleuchtung der Gemälde, sondern geniesse einen Einblick in die barocken Prunkräume eines Renaissance-Palasts.

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Mir war so nach Frühlingsimpressionen: :roll:

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Dieser Palast birgt übrigens noch mehr Geheimnisse, die am 1. Sonntag im Monat gegen einen Aufpreis zugänglich sind: z.B.: die Beletage.


Und nun zum Hauptziel des Palastes: der Säulengang des Borromini:



Oft gesehen und immer wieder faszinierend! Nur 8 Meter lang statt die imaginierten Tiefe von mindestens 40 Metern, die "lebensgrosse" Statue am Ende des Ganges ca. 60 cm. Borromini gelang dieses Kunststück mit Hilfe der Berechnungen eines Mathematikers.

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Hier Bilder aus anderen Jahren. Es war übrigens durchaus die Absicht des Kardinal Spada, dass seine Besucher den Säulengang nur von ferne sehen sollten, also ungefähr vom Standpunkt vor dem Fenster des Sitzungsraums aus.

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Es war schon später Mittag, als wir uns von unserer Führerin Francesca verabschiedeten. Sie gab uns noch den Tipp, Pizza al taglio im Forno di Campo di Fiori, gelegen am gleichnamigen Platz, zu kaufen. Trotz hohem Touristenaufkommen kauften dort immer noch die römischen Ureinwohner ein. Und bei der Qualität der Pizza kann ich das verstehen. :thumbup:





 
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Wieder einmal ein sehr interessanter Spaziergang, auf den du uns mitgenommen hast!
Obwohl wir die Via Giulia schon sehr oft entlang gegangen sind, habe ich Neues kennen gelernt, wie z. B. die "Sofas" der Via Giulia - noch nie davon gehört!
Vielen Dank für diesen informativen Bericht.
 
Danke, ganz besonders auch für den Bericht über die meist stiefmütterlich bahandelte Via Giulia. Ich habe sie mir vor sechs Jahren am frühen Morgen selbst erarbeitet und bin sehr dankbar für deine ergänzenden Informationen.

Für ColleMarina habe ich noch zwei Fotos zum Thema "Sofas der Via Giulia":

 
Liebe ColleMarina , lieber Ludovico

Schön, dass ich sogar alte Hasen wie euch noch mit neuen Informationen dienen kann. Ganz herzlichen Dank für die Fotos von den Sofas. Die waren bei unserem Besuch dort leider total zugeparkt. Aber so in der Morgensonne wirken die toll. Das Cafe/ Hotel, was man auf deinem Foto sieht, serviert den Capucchino auch auf diesen Sitzgelegenheiten. :thumbup:
 
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