Rom solo oder: Roma addolcisce la pena (Rom lindert den Schmerz)

Roma_Tifoso

Civis Romanus
Liebe Forumsmitglieder,

leider hat es etwas länger gedauert, aber nun ist er da, mein Reisebericht. Er fällt etwas aus der Reihe, ist eher wie eine kleine Reportage gehalten. Ich hoffe dennoch, dass ihr Spass habt beim Lesen.

Viel Spaß wünscht euch Roma_Tifoso.

Rom solo, oder: Roma addolcisce la pena (Rom lindert den Schmerz)​

Das Abenteuer beginnt
Die Suche nach Inspiration und Erkenntnis führte mich nach Rom. Und dass ich dort zusätzlich auch eine nie erwartete Ruhe und Einsamkeit fand, entbehrt letztlich nicht einer gewissen Ironie. Wer nach Rom fährt, der weiß: Es ist ein hektisches und pulsierendes Treiben in dieser Stadt. Eine Melange aus fotografierenden Touristen und leidenden Römern, wobei es eine gegenseitige (und vor allem für Einheimische) notwendige Wechselbeziehung ist. Und dass eine Pauschalierung dieser Art eben nie den Kern trifft und nur die halbe Wahrheit ist, das zeigen meine Erlebnisse auf dieser kurzen Reise in eine Stadt, die mir Perspektiven eröffnet und Chancen aufgezeigt hat...



Giorgio ist 24, nicht verheiratet und wohnt bei „mamma“. Und er ist mein Fahrer, der mich vom Flughafen Ciampino zu meinem Hotel „Relais Vatican View“ bringt, das nur wenige Meter vom Petersplatz entfernt liegt und so gar nicht wirkt wie ein Hotel, sondern eher wie eine kleine Zimmervermietung. „Du bleibst nicht lange alleine hier“, sagt Giorgio in überraschend gutem Englisch lachend. Und hätte sich vor uns ein mutiger Vespa-Fahrer mit einem waghalsigen Manöver nicht beinahe umgebracht, hätte dieses wilde Hupen auch zur Untermauerung seiner fröhlich-optimistischen Behauptung dienen können. An diesem Abend jedenfalls blieb ich alleine, jedenfalls fast. Begleitet wurde ich von einer deftigen Portion Pasta und viel zu viel aber hervorragendem Rotwein.



Von Paninis und "Gigi"
Geweckt von einer unüberhörbar deutschen Reisegruppe, die unterhalb meines Fensters das „Menu Turistico“ der angrenzenden (und noch geschlossenen) Touristenfalle diskutierte, schwor ich mir noch im Bett liegend, dass ich niemals eines dieser leider oft unsäglichen „Angebote“ wahrnehmen würde. Stattdessen besuchte ich eine ältere Dame im „Pane e Dolci“, die mir das beste Panini zwischen Rom und Mannheim servierte. Und es lag nicht nur an ihrem herzlichen und durchaus schmeichelhaftem „prego, bambini“, das mich schon nach meinem ersten Besuch wie ein Stammgast fühlen ließ.

Mit Bargeld, Metro-Karte, die mir nur teilweise nutzen sollte, und meinem Notizbuch im Gepäck ließ ich mich in den folgenden Tagen einfach treiben. Ohne direktes Ziel, aber mit der Gewissheit, dass meine Inspiration bereits begonnen hatte. Einfach rein in die Metro und das eigene, noch leicht diffuse Gefühl entscheiden lassen, wann und wo man sich ausspucken lässt, um die Stadt zu erkunden. Via Nationale? Via del Corso? Oder doch Trastevere?

Natürlich ist eine gewisse Planung das A, aber das O, das ist eindeutig Spontanität. Und die führte dazu, dass ich Mario und seine Frau „Gigi“ kennenlernen durfte. Ich muss so ziemlich bescheuert ausgesehen haben, die typische Touri-Haltung eben. Mitten in der kleinen Gasse stehend, den Stadtplan ausgebreitet und grübelnd, wo ich denn bitte schön hier gelandet war. Die Antwort kam in gutem Deutsch, und zwar von ziemlich genau hinter mir, was mich herumfahren und in die begeisterten Augen von Mario blicken ließ. „Wo willst du denn hin?“, fragte er mich, nachdem er vorher, natürlich, seine halbe Lebensgeschichte ausgeplaudert und mir auf meine (gespielt) empörte Nachfrage erklärt hatte, wieso er mich auf Deutsch angesprochen habe. Der deutsche Stadtplan, na klar.
Jedenfalls blieb es nicht beim gemeinsamen Stadtplanstudium. „Gigi“, welche Abkürzung das auch immer sein mag, kam nämlich polternd und fluchend aus dem angrenzenden Frisörladen. „Die Farbe, die Farbe“, half mir Mario auf die Sprünge. Ich fand sie schön. Also die Farbe. Jedenfalls war an ein gediegenes weiter flanieren durch die kleinen Gässchen nicht mehr zu denken. Mario sagte, nein, er befahl mir mit ihnen zu essen. Dazu nur soviel: Ich war verliebt. In Marios Frau „Gigi“, ihre Schwester und ein bisschen auch in seinen Bruder, der dem Wirt in der Trattoria immer wieder klar zu machen versuchte, dass ich ein ganz besonderer Gast sei und deshalb das Panna Cotta ruhig etwas mehr sein dürfte. Deutsch hatte Mario übrigens in Hamburg gelernt. Und das hörte man.

Papst, Pasta und der Petersplatz
Abends saß ich meistens gedankenverloren mit einem Glas Rotwein sonst wo, inmitten dieser lauten Stadt, und machte mir so meine leisen Gedanken. Und plötzlich fiel mir ein Zitat Ciceros ein, der in seiner Schrift „Laelius de amicitia“ ziemlich clever erkannte: „Das also ist keine Freundschaft, dass, wenn der eine die Wahrheit nicht hören will, der andere zum Lügen bereit ist.“ Tieftraurig schlief ich an diesem Abend ein.

Als ich das Foro Romano zum ersten Mal betrat war ich 19 und ich hatte zum ersten Mal das Gefühl meiner Lateinpaukerei etwas Sinnvolles abgewinnen zu können. Und dass man neben dem Ablativus Absolutus eben auch viel Geschichte mitbekommt, das zahlt sich aus, wenn auch Jahre später. Und schon wieder sah ich Cicero vor mir, wie er rhetorisch gewandt die Verschwörung Catilinas im Senat beschrieb. Was mich dort, ungefähr neben dem Tempel der Vesta, aus diesen Gedanken riss, war die leicht bittere Erkenntnis, dass es den meisten Menschen hier kaum bewusst ist, an welch historisch spannendem und vor allem wichtigen Ort sie ihren Abfall liegen lassen, oder durchrennen, nur um in Rekordzeit alles fotografiert zu haben. Und dass die Stadt Rom dies zumindest billigt, zeigt der Zustand des Circus Maximus. Schade...



Und weil ich in jungen Jahren ehrlich gesagt zu einer ähnlichen Gattung Tourist gehörte, nahm ich mir dieses Mal vor, den Vatikan mit anderen Augen zu sehen. Ich bin katholisch, gläubig im katholischen Sinne bin ich allerdings nicht, respektiere und bewundere das katholische „Zentrum der Macht“, wie mir Fabio, Mitarbeiter meines Hotels, leicht abfällig steckte. Der Vatikan spielt im Leben der Römer nicht mehr eine all zu große Rolle, vielmehr ist es ein ziemlich ambivalentes Verhältnis. Ein Beispiel gefällig? Rund 90 Prozent der Römer sind Katholiken, aber lediglich 23 Prozent gehen regelmäßig in die Kirche. Glauben ja, Fasten nein, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen (man bedenke das zu erwartende Umsatzproblem der römischen Gastronomie!). „Man kann es auch übertreiben“, erklärt mir Fabio dazu nur knapp. Und dass dies alles natürlich nicht am deutschen Papst liegt, schiebt Fabio noch hastig hinterher.

Und dennoch geht von diesem kleinen souveränen Staat mit eigener Post, Fußball-Liga, aber keiner Gerichtsbarkeit, eine Faszination aus, die auch mich immer wieder in ihren Bann zieht. Vorausgesetzt ich bin gestärkt mit einem Café und einem unschlagbaren Panini von, na ja, sie wissen schon. Gewarnt hat man mich, sehen wollte ich es trotzdem mit eigenen Augen, die große Audienz bei schönem Wetter auf dem Petersplatz. Karten braucht man keine, man läuft einfach rein und freut sich gefälligst, den „Popstar der Kirche“, wie ein Boulevardblatt gerne schreibt, aus der Nähe zu sehen. Beeindruckend ist es schon, wenn Benedikt XVI. im Papamobil durch die Reihen gefahren wird, Menschen dabei beinahe in Ohnmacht fallen als wären die Beatles oder die Stones in der Stadt. Dass anschließend die Meisten noch vor dem eigentlichen Gottesdienst schon wieder ihren Rückzug vom Petersplatz antreten, nun ja, das Foto ist ja im Kasten.

Roma? Ti amo...
Dennoch: Was bleibt nach den wenigen und kurzen Tagen in Rom? Außer dem guten Essen, einer sensationellen Nassrasur bei „Antica Barbiera Peppino“, einem am letzten Tag streikenden Öffentlichen Nahverkehr und der Erkenntnis, dass man in Rom, natürlich, den 1. FC Kaiserslautern kennt? Dass durch eine einmalige Atmosphäre in dieser Stadt Inspiration entsteht, die mich zu ungeahnten Perspektiven angetrieben hat. Dass eine andere Mentalität als die Unsere mir aufzeigen konnte, wie sehr das Leben lebenswert ist. Und es bleibt eben nicht zuletzt die Erkenntnis, dass Begegnungen zwischen Menschen eine unschätzbare Wirkung auf die Reflektion in persönlich schwierigen Phasen des Lebens haben können.

Und genau deshalb werde ich wieder zurückkehren. In die Stadt, die Schmerzen lindert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wegen momentanen Zeitmangels habe ich diese Reportage :thumbup: nur überflogen, werde das aber noch intensivieren. Aber keinesfalls unkommentiert bleiben kann - trotz aller Eile - doch dies:
(...) besuchte ich eine ältere Dame im „Pane e Dolci“, die mir das beste Panino zwischen Rom und Mannheim servierte. Und es lag nicht nur an ihrem herzlichen und durchaus schmeichelhaftem „prego, bambino“, das mich schon nach meinem ersten Besuch wie ein Stammgast fühlen ließ.
Ja, so kennen wir sie - unsere ;) Pina! :thumbup: :nod: :thumbup:


:thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:
 
.

VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für Deinen Reisebericht


... hoffe dennoch, dass ihr Spass habt beim Lesen.

Jaaaa - ich habe "die Reportage" sehr gerne gelesen :!: -> vor allen Dingen die Passage über das Forum Romanum ... kann ich selbst mich dort doch stundenlang aufhalten (am liebsten gleich ganz früh am Morgen) ...



Hast Du nebenbei denn Deine Einkäufe erledigen können?
 
Ganz herzlichen Dank auch von mir für diesen sehr spannend und so besonders geschriebenen Reisebericht!
Ich habe fasziniert alle Deine Beobachtungen und Gedanken gelesen und freue mich mit Dir über diese Inspiration, die Rom Dir geboten hat.

Viele Grüße

Angela
 
... Ich hoffe dennoch, dass ihr Spass habt beim Lesen. ...
Den hatte ich - vielen Dank dafür ! Ich mag "Reportagen", in denen auch mal die eigenen Gefühle zum Ausdruck kommen. Ich selber habe vor 3 Jahren (s.u.) Rom allein "erlaufen" und eher die optischen Eindrücke wahrgenommen (das hatte bei mir damals allerdings auch einen etwas anderen Hintergrund) - zum "Treibenlassen" bin ich damals nicht so richtig gekommen. Vielleicht sollte man das ja auch mal wieder tun :~:~:~ (als Rentner hat man ja eigentlich die Zeit dazu ...)

Gruß

Friedrich
 
Zurück
Oben