Bericht: Ausstellung im British Museum: Hadrian - Empire and Conflict

cellarius

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Anlässlich eines London- und Cornwallurlaubs hatte ich kürzlich die Gelegenheit, die noch bis 26. Oktober laufende Hadrian-Ausstellung des British Museum zu besuchen:

British Museum - Hadrian: Empire and Conflict

Auf der Seite finden sich umfangreiche Informationen sowie, als Appetithäppchen, ein Trailer zur Ausstellung sowie einige weitere Videos.

Wie bei den großen Ausstellungen des British Museum üblich empfiehlt es sich, nicht einfach hinzugehen, sondern die Tickets rechtzeitig vorab zu kaufen. Die Ausstellung ist meist Tage, wenn nicht Wochen im Voraus ausverkauft, an der Tageskasse sind kaum Karten zu bekommen (so berichtet meine Londoner Informantin ;))

Damit ist denn auch, gleich als erstes, das erste und größte Manko angesprochen: Zwar sind alle Karten mit einer Uhrzeit versehen, zu der man die Ausstellung betreten darf. Doch trotz dieses "Timeslot"-Systems war diese zum Zeitounkt unseres Besuchs hoffnungslos überlaufen. Vor den einzelnen Exponaten bildeten sich lange Schlangen und großes Gedränge. Hier zeigt sich, dass Audioguides zwar sehr sinnvoll sein können - gleichzeitig aber nicht zur Erbauung anderer Besucher beitragen, wenn die Benutzer minutenlang vor einzelnen Ausstellungsstücken stehen bleiben, um in aller Muse dem Ohrvortrag zu lauschen. Dass die Ausstellungsmacher immer wieder mit Tischvitrinen gearbeitet haben und die Erläuterungen häufig in kleiner Schrift flach in etwa einem Meter Höhe angebracht sind, ist in diesem Zusammenhang mehr als unglücklich. Selbst wenn man ein Exponat aus der zweiten oder dritten Reihe einigermaßen gut betrachten oder, dank ausreichender Körpergrößendifferenz, seinem/r Vordermann/frau über die Schulter blicken kann, waren diese bestenfalls mit ständigen Verrenkungen lesbar. Hier wäre es erfreulich gewesen, wenn die Ausstellungsmacher Funktionalität vor Design gestellt hätten. Möglicherweise hätte der Gesamteindruck der Ausstellung etwas darunter gelitten - den Besuchern würde es das Leben aber deutlich erleichtern, wenn die Erläuterungen in Augenhöhe und in etwas größerer Schriftart angebracht werden. Zumal das British Museum natürlich weiß, wie groß der Andrang bei Ausstellungen sein kann.

Andererseits muss das eben in Einzelaspekten kritisierte Design gleichzeitig als großer Pluspunkt verbucht werden. Die Hadrian-Ausstellung ist hervorragend inszeniert - sie ist "schön", und wären da nicht die vielen Leute, man könnte sie wunderbar genießen. Sie ist dabei nicht überladen, die Exponate sind vielfach hervorragend präsentiert (man mache sich etwa die Mühe, die Ausleuchtung der vielen Porträtstatuen bewusst wahrzunehmen!), und es ist spürbar, das das British Museum Zugriff auf Exponate erhält, die anderen Museen möglicherweise vorenthalten würden.

Gegliedert ist die Ausstellung in sieben Teile:


II A New Elite
II War and Peace
III Architecture and Identity
IV Hadrian's Villa
V Antinous
VI Sabina
VII Towards Eternity

Doch zum Objekt der Ausstellung: Publius Aelius Hadrianus, geboren 76 n. Chr., regierte das Römische Reich als Nachfolger seines Adoptivvaters Trajan von 117 bis zu seinem Tod 138. Durch die Jahrhunderte wurde er zu den "guten" Kaisern gezählt. [amazon]3423124768[/amazon] Dass Hadrian auch vielen nicht-Althistorikern bekannt ist, ist nicht zuletzt der französischen Schriftstellerin Marguerite Yourcenar zu verdanken, die in ihrem wunderbaren Buch Mémoires d'Hadrien (1951, dt.: Ich zähmte die Wölfin) die bis auf ein kurzes, aber prägnantes Fragment verlorenen Erinnerungen des Kaisers literarisch rekonstruierte.

Die Fragestellung, die im Mittelpunkt der Ausstellung steht, ist die Persönlichkeit des Kaisers: Der Untertitel der Ausstellung, Empire and Conflict (Reich und Konflikt) ist insofern etwas irreführend. Beide Aspekte finden sich vor allem ganz am Anfang der Ausstellung thematisiert, als es um eine Reihe von Revolten geht, die vor allem die Anfangszeit von Hadrians Regierungszeit überschatteten. Hier ist vor allem der jüdische Aufstand unter Simon Bar Kochba zu nennen, der zunächst zu erheblichen römischen Verlusten führte, schließlich aber, nach vier Jahren, äußerst blutig niedergeschlagen wurde. Außerdem finden sich eine Reihe von Exponaten zum Hadrianswall, an dessen Beispiel die Rückverlegung der Grenzen des Reiches auf gut zu verteidigende Linien und die Aufgabe problematischer Provinzen thematisiert wird.

Begleitet wird der Besucher während des gesamten Ausstellungsbesuchs von Porträts: Gleich das erste, das ihm zu Anfang des Rundgangs begegnet, ist auch das spektakulärste: Der Kopf (sowie andere Körperteile) einer Kolossalstatue Hadrians, die erst im Sommer 2007 im türkischen Sagalassos entdeckt wurde. Diesem ersten Exponat folgen viele weitere Darstellungen des Kaisers und seiner Familie.

Thematisiert wird zunächst die Herkunft Hadrians, der, wie Trajan, spanischer Herkunft war. Seine Familie stammte aus dem hispanischen Italica und war - durch Olivenöl reich geworden - seit mehreren Generationen in Rom im Senat vertreten. Es folgen Sektionen zur Regierungsübernahme und Machtsicherung sowie zur "Außenpolitik" des Kaisers.

Es folgt eine Sektion zum architektionischen Interesse Hadrians, die weitestgehend im Zeichen des vielleicht spektakulärsten Gebäudes steht, das Hadrian errichten ließ: Das Pantheon. Mit einigem Augenzwinkern findet man an der Wand eine Art Ahnengalerie von Gebäuden, die vom Pantheon inspiriert wurden: Der Petersdom, die Hagia Sofia - außerdem ein Entwurf Albert Speers und die Kuppel der alten British Librarary (die mittlerweile ein Teil des British Museum ist - und unter der sich der Betrachter der Ausstellung just in diesem Moment befindet). Ein Highlight dieser Sektion ist ein großes Modell des Pantheon, das eine Leihgabe eines italienischen Museums für Blinde ist - und das deshalb auch angefasst werden darf.
Ein Modell steht auch im Zentrum des folgenden Abschnitts zur Villa Hadrians in Tivoli - wer schon einmal dort war, wird es wiedererkennen: Es handelt sich just um jenes Modell von Italo Gismondi, das sonst in Tivoli in einem Pavillion am Eingang des Ausgrabungsgeländes steht.
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Das Privatleben des Kaisers rückt endgültig ins Zentrum der Ausstellung, wenn es anschließend um seinen griechischen Geliebten Antinous (der im Nil ertrank) und seine Ehefrau Sabina (die er hauptsächlich aus dynastischen Gründen heiratete) geht. Der letzte Teil schließlich widmet sich dem Tod und dem Nachleben des Kaisers: Dies umfasst sein Mausoleum (die heutige Engelsburg) ebenso wie seine Memoiren. Sie endet - passend - mit dem Gedicht, das Hadrian auf dem Totenbett verfasst haben soll und das von der animula vagula blandula handelt - der kleinen Seele, unstet und lieblich.

Was ist nun mein Fazit? Die Ausstellung an sich ist unbedingt sehenswert - nur genießen kann man sie nicht, zumindest dann nicht, wenn der Andrang groß ist. Sie stellt interessante Fragen, und vielfach gelingt es ihr auch, Antworten zu vermitteln - auch wenn diese (erfreulicherweise!) oft weniger eindeutig und klar ausfallen, als das verbreitete Hadrianbild vielleicht erwarten lassen würde. Das Bild vom "Griechling" (Graeculus) wird ebenso hinterfragt wie das Image des philosophischen "Friedenskaisers", der um des Friedens willen maßvolle Selbstbeschränkung übte. Gerade deshalb ist es aber unbedingt ratsam, zum Ausstellungskatalog zu greifen: Er eröffnet neue Dimensionen, vertieft und verdeutlicht; dabei bleibt er, angelsächsischen Traditionen entsprechend, verständlich. Und er bietet, nicht zuletzt, wunderschöne Abbildungen. Die 25 Pfund (bzw. günstigere 30 EUR bei Amazon) sind gut angelegt, auch wenn man die Ausstellung selbst nicht sehen kann.
 
Danke für den Bericht, Cellarius - ich habe einige Infos an einen französischen Bekannten, der sich intensiver mit Hadrian beschäftigt hat, weitergeleitet.

Ob ich selbst nach London komme, weiß ich nicht, obwohl das mit dem -Zug eigentlich kein so großes Problem darstellt.

Eine Ergänzung für weitere Besucher:
eine Freundin, die die Ausstellung auch gesehen hat, berichtete, dass es irgendwo (seltsamerweise am Ausgang) ein Heft mit den Ausstellungstexten gab. Damit wäre das Problem der Lesbarkeit von Erläuterungen gelöst - man muß das Heft nur finden ... Sie hat es auch erst zu spät entdeckt.

Viele Grüße
Claude
 
Das Rätsel mit den Heften kann ich lösen: Das sind die Ausstellungstexte in (nicht allzu groß geratenem...) Großdruck, für Leute mit eingeschränkter Sehfähigkeit. Die Ausstellungsmacher waren sich offenbar bewußt, dass die Erläuterungen eher klein geraten waren.

Die gibt es ganz am Anfang der Ausstellung zum mitnehmen, allerdings nur in begrenzter Anzahl. Am Ende der Ausstellung muss/soll man sie dann wieder abgeben (in eine dafür vorgesehene Ablage stellen). Die werden Deine Bekannten wohl gesehen haben, möglicherweise waren am Anfang ja gerade keine mehr vorhanden. Wir haben die entdeckt, haben aber angesichts der doch sehr geringen vorhandenen Zahl darauf verzichtet - es gab sicher Leute, die die nötiger gebraucht haben. Hilfreich wären aber in der Tat entsprechende Handzettel gewesen.
 
Hallo und Moin, Moin Sven!


VIELEN DANK

:thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:

für Deinen Bericht



Gruß - Asterixinchen :), die sehr gerne die Ausstellung sehen würde - aber es wohl nicht "gebacken" bekommt ... aber in der glücklichen Lage ist demnächst eine Ausstellungs - DVD zu bekommen ....

 
Stimmt, die DVD habe ich auch gesehen, habe mich dann aber doch für das gute alte Buch entschieden :nod:
 
Das Rätsel mit den Heften kann ich lösen: Das sind die Ausstellungstexte in (nicht allzu groß geratenem...) Großdruck, für Leute mit eingeschränkter Sehfähigkeit. Die Ausstellungsmacher waren sich offenbar bewußt, dass die Erläuterungen eher klein geraten waren.

Die gibt es ganz am Anfang der Ausstellung zum mitnehmen, allerdings nur in begrenzter Anzahl. Am Ende der Ausstellung muss/soll man sie dann wieder abgeben (in eine dafür vorgesehene Ablage stellen). Die werden Deine Bekannten wohl gesehen haben, möglicherweise waren am Anfang ja gerade keine mehr vorhanden. Wir haben die entdeckt, haben aber angesichts der doch sehr geringen vorhandenen Zahl darauf verzichtet - es gab sicher Leute, die die nötiger gebraucht haben. Hilfreich wären aber in der Tat entsprechende Handzettel gewesen.

Ach so - das klärt die Sache. Aber meine Freundin hatte auch Probleme mit ihrer Brille.
Ich dachte, dass wäre so wie bei der Homer-Austellung in Basel gewesen: da gab es ein Heft mit den Ausstellungstexten und den Vitrinenbeschriftungen für jeden Besucher und das fand ich recht praktisch.

Viele Grüße
Claude
 
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