Bericht: Von Mietwagen, Waschstraßen und anderen Erlebnissen

Aurelia

Aedilis
Stammrömer
Madeira 8.8. – 15.8. 2006

Dienstag:

Eigentlich begann meine Reise ja schon am Montagabend, als ich mich am Frankfurter Flughafen durch die Schlange des LateNight CheckInns quälte und mir meine werten potentiellen Mitreisenden so ansah. Ich ergang mich ein weiteres mal darin, zu rätseln wie viel IQ man wohl braucht um Bodenpersonal zu werden, aber schwups war ich mein Gepäck los und befreit.

Am nächsten Morgen um 3h klingelte mein Handy Wecker, um 4.45h nahm ich den ersten mir zur Verfügung stehenden Bus und staunte mal wieder wie viel Trubel um diese Zeit gerade am Bahnhof schon herrschte. In der Bahn war ich mal wieder umzingelt von Flughafenmitarbeitern und mein gegenübersitzender Sitznachbar war wohl noch sehr müde. Er gähnte und gähnte nach Herzenslust, zog die Nase hoch, gähnte wieder…hätte ich Waffen im Handgepäck haben dürfen, wäre das ihre erste Anwendungsmöglichkeit gewesen!

Am Flughafen wanderte ich zum Gate, die Kontrolle fand nichts verdächtiges bei mir, so bummelte ich durch den TravelValue Shop. Erneut schwor ich mir bis zum nächsten Mal endlich die Preise bei Douglas mit denen hier zu vergleichen um hier mal mit gutem Gewissen zuschlagen zu können. Aber wieder nichts…und weil sich ja bekanntlich alles wiederholt., hatte ich auch wieder das Päckchen Juicy Tubes Lipgloss in der Hand und rang mit mir ob über 40Euro nicht doch lächerlich viel sind.

Am Gate füllte es sich bereits, so daß schon keine Sitzplätze mehr zur Verfügung standen. Ich schlenderte somit rüber zur Lufthansa, klaute mir dort Tageszeitungen und Kaffee, schnorrte mir bei den Rauchern Feuer und ging meiner liebsten Tätigkeit nach: Dem Beobachten.
Hierzu muß angefügt werden, dass ich mein Lebtag noch nicht Charter geflogen bin und damit diese Erfahrung nun in ihrer vollen Pracht erleben durfte. Ich war wohl in die Baden-Würtemberg-Connection geraten; fast ausschließlich melodisch-bäuerliche „sch“ Laute drangen an mein Ohr. Manche packten ihr „Veschperbrot“ aus, andere spielten Tipp-Kick…das Boarding wurde dann nach den Sitzreihen aufgeteilt, so dass ich mit meiner symbolischen Reihe 13 noch weiter warten musste.

Im Flieger dann meine erste nicht wirkliche Überraschung. Ich schaffte es kaum in die Sitzreihe, so eng war es! Das konnte ja heiter werden! Mein Zeitschriftenfach war zu klein um darin noch FAZ, Bild (man gönnt sich ja sonst nichts*lach) und die „Für Sie“ drin verstauen zu können, mein Rucksack lag in unerreichbarer Position unter dem Vordersitz; wenigstens konnte ich meine Kamera noch in die Hosentasche retten. Es dudelten grausame Videoclips mit nackten Blondinen über die Bildschirme und HapagFly begrüßte uns ganz ganz herzlich.

Ich gebe zu, ich war zu dem Zeitpunkt schon kein ganz neutraler Beobachter der Situation mehr. Pünktlich um 7.05h begann die lange Tour zur Startbahn West und währenddessen hätte ich schon mehrfach in den Klapptisch beißen können (den konnte ich aufgrund der Enge jedoch nicht erreichen, also keine Panik). Eine U.S.Airways Maschine wurde von meinen Mitreisenden so kommentiert:„Ei, waschn desch? Isch desch a Militärflugzeusch?“….tiiiiief durchatmen. Der Start schüttete bei mir leider nicht mehr den Adrenalinkick aus wie anfangs, also konzentrierte ich mich voll und ganz auf die gebotene „Airshow“. Bei dem Wort hatte ich mir schon wüste Überlegungen über extra für uns angeheuerte Kunstflugstaffeln gemacht, aber anstelle die Blue Angels vorbeidüsen zu sehen, sah ich das unsere Strecke über Grevennacher(?) führte. Ahhja…ich sog mal wieder jedes noch so unwichtige Detail der Infos auf und verfolgte die Route über Paris, Angers einem mir unbekannten spanischen Ort namens Oviedo und dann ab über den Atlantik. Über Spanien sah ich dann kleine Rauchsäulen aufsteigen die wohl zu den schrecklichen Waldbränden gehörten. Über Paris bekamen wir dann das Frühstück serviert, gleichzeitig die Ansage des Piloten „Wir stoßen nun auf eine Jetstream Wetterlage, es könnte etwas unruhiger werden also bitte bleiben sie angeschnallt“. Guten Appetit 

Ich lass ja nichts umkommen und aß sogar die schinkenähnlichen Dinge und allen Käse. Dazu gab’s 2 Tassen Kaffee und nette Unterhaltungen mit meinen Freiburger Sitznachbarn. Die beiden verbrachten nun zum zweiten Mal ihren Urlaub auf Madeira und waren schon voller Vorfreude. Schon eigenartig, während ich hier sitze und dies schreibe sind diese beiden noch auf der Insel…

Auf jeden Fall gab mein heißgeliebtes Freiburg genügend Gesprächsstoff her um sich locker über den Flug zu retten. In den Pausen schaute ich mir tonlos „Ice Age II“ an (einige Szenen sahen so aus als wären sie wirklich ganz lustig) oder las die immer gleichen Artikel in den Zeitungen, da mir zum Umblättern der Platz fehlte.
Mitten in der Luft traf es mich dann plötzlich wie ein Donnerschlag; es würde passieren, sie würden klatschen nach der Landung. Oh mein Gott, womit hatte ich dies verdient, wie konnte ich das so lange ignorieren!?! Konnte ich vorher noch aussteigen, abspringen? Mich unsichtbar machen, mir die Ohren zuhalten? Was war es plötzlich so verdammt cool sich als Vielflieger auf der Businesstrecke Frankfurt –London auszugeben. Ich gebe zu manchmal ein verdammt arrogantes Arschloch zu sein aber ich stehe dazu und halte mich trotzdem für extrem liebenswürdig*grins.
Es kam wie es kommen musste, nach 3 ½ Std durchbrachen wir wieder die Wolkendecke, warfen erste spektakuläre Blicke auf die felsigen Eilande unter uns und landeten mit einer enormen Rechtskurve. Man muß dazu sagen, dass der Flughafen von Madeira, Santa Cruz, erst vor wenigen Jahren verlängert wurde um es mehr Flugzeugen möglich zu machen zu landen. Vorher benötigten die Piloten ein Extratraining. 1974 gab es wohl auch eine Katastrophe bei der eine Maschine ins Meer stürzte…

Heute fasziniert der kleine, aufgeräumte Flugplatz einfach mit der Start- und Landebahn die zu 50% auf Stelzen ins Meer gebaut wurde. So beginnt wohl „richtiger“ Urlaub…und er beginnt wohl auch mit donnerndem Applaus den ich mit eiserner Stille und tödlichen Blicken quittierte. In den Bildschirmen flimmerte der Ketchup-Song „A he a ha a he a hea…“. Nie mehr Ferienflieger, nie mehr!
Wir spazierten übers Rollfeld ins Terminal das erstaunlich sauber und ordentlich war. Das Gepäck tröpfelte innerhalb der nächsten halben Stunde Koffer für Koffer ein. Dolce far niente oder was auch immer das Portugiesischiche Äquivalent dazu sein mag. Irgendwann stoppte das Band dann ganz und es gab zufälligerweise zeitgleich eine Durchsage an die AirFrance Reisenden nach Paris gerichtet. Eine ganz clevere Dame aus unserem Flieger übersetzte den Inhalt sofort mit „Das restliche Gepäck ist in einer anderen Maschine und wird erst um 11.15h ankommen“…ach wat, und das wird den Deutschen dann auf Französisch erzählt oder wie? In so einem Fall kann ich nur Dieter Nuhr zitieren „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten“. Nach 5 Minuten war meine Tasche dann auch wohlbehalten aufs Band geknallt und ich ging zum Ausgang.

So etwas mulmig war mir nun doch, die Vermieterin unseres Apartments wollte mich abholen und die ganze Situation mit Schild hochhalten etc. war mir fremd und neu. Ich erblickte sie relativ bald, sie war schon mit einem Ehepaar beschäftigt die ebenfalls bei ihr wohnen sollten und auch in meinem Flugzeug waren. Praktisch! Mir fiel ein Stein vom Herzen, da die Dame mir sofort sympathisch war. Ich wurde herzlich mit viel Berliner Schnauze begrüßt und unser aller Gepäck versank im Kofferraum eines alten stilvollen Monstrums von Benz. Auf ging es in die begrenzten Weiten von Madeira. Die Sonne schien, alles sah fremd und nach Urlaub aus und ich war total aufgekratzt. Wir fuhren zur Autovermietung um den Wagen für das Paar in Empfang zu nehmen und zu klären, dass mein Auto erst heute Abend von meinem Freund abgeholt werden sollte. Jaaa, der Haken war, dass sich Madeira wohl im Autorausch befand und es kein Auto mehr für mich gab…hmm…noch machte ich mir wenig Gedanken, da ich ja eh nicht fahren wollte. Somit wurde das fröhliche Auto Jagen auf den Abend und den Flughafen vertragt und ich wurde bis nach Gaula in unser aller Domizil weiter kutschiert.

Die Unterkunft war einfach toll; zwar an einer recht belebten Straße gelegen aber mit Terrasse, Balkon, Bad, Gästeklo, Küche, Schlafzimmer und begehbarem Kleiderschrank, etc…also eigentlich mehr Luxus als zu Hause. Der Supermarkt war auch nur 2 Häuser entfernt und nach einer kurzen Bestandsaufnahme folgte ich meinen Offenburger Nachbarn und deckte mich erstmal mit den nötigsten Dingen wie Wasser, Butter, Nudeln und Wein ein. Ich hatte nun eine Küche also sollte auch gekocht werden. Den doch starken Geruch des Stockfischs versuchte ich zu ignorieren.

Wieder zurück ging ich erstmal duschen um den Reisedreck abzuwaschen und mich wieder fit zu fühlen. Früh war es noch am Tag, mein Freund sollte erst um 20h landen also blieb mir viiiiel zeit für mich. Leider nutzten auch die Dachdecker den Tag um etwas auszubessern und es dröhnte teilweise doch gewaltig. Aber wo sollte ich schon groß hin ohne Sprachkenntnisse und Auto? Ich zappte mich durch die satten 280TV Kanäle, besonders angetan hatte es mir AlJazeera und Stilblüten der Fernsehlandschaft wie Uftu-TV oder Fistfuck-Tv!!! Wahnsinn was einem zu Hause so alles entgeht*lach. Ich blieb bei der „Babystation“ in der ARD hängen und schaute mir Kaiserschnitte und glückliche Eltern an…hochspannend. Als mir bei einer Geburt dann die Tränen kamen, wusste ich es war an der Zeit ins Bett zu gehen. Ich genoß den Ausblick auf den Atlantik und die Umrisse der Desertas Inseln und schaffte es den Prolog von Frank Schätzings Wälzer zu lesen. Ich greife hier schon mal vorweg und gestehe, in den ganzen 7 Tagen nur diese 10 Seiten gelesen zu haben von meinen insgesamt 4 mitgebrachten Büchern*schäm.

Nach einem Schläfchen waren die Dachdecker und ich wieder wach und bei einer Tasse Kaffee schaute ich mir das englische Gegenstück der Supernanny an, „We are family“ etc…fragt mich nicht warum ich nur Schwangerschafts- und Kinderprogramme anschaute. Zufall oder Schicksal? Hilfe!*lach.
So langsam wurde es Abend, ich hörte dem Treiben der Gastgeber neben an zu, rauchte viel zu viel und las erstmal die BILD was ich mich nun ohne Zeugen traute. Als ich dann auch noch das perfekte Dinner und die Renoviershow mit Enie van de Dingsbums gesehen hatte, war es an der Zeit zum Flughafen zu fahren.

Die TAP Homepage war an dem Tag außer Dienst so dass wir ohne Infos bezüglich eventueller Verspätungen los nach Santa Cruz fuhren. Am Flughafen sahen wir dann, dass der Flug sich um 40min verspätete, gut, so blieb mehr Zeit zum Mietwagen organisieren! Es war so eine Situation die man eigentlich nur aus amerikanischen Familienfilmen zur Weihnachtszeit kennt. „Haben sie noch einen Weihnachtsbaum?“ – „(wortloses Kopfschütteln) Da hätten sie mal früher kommen müssen…“. Wir fragten bei Sixt, Europcar, Budget, etc…aber jedes Mal das gleiche. Große charmante Augen die einen traurig anblicken und jede Form von Hoffnung nehmen…was war los? Ich dachte Mietwagen gibt es immer! Unsere Hausherrin versprach sich weiter drum zu kümmern und ich vertraute ihr und ihren Portugiesisch Kenntnissen. Wir tranken einen superleckeren starken Kaffee und rauchten weil man das hier ja noch so gut wie überall darf.

Irgendwann erkannte ich meinen Freund dann auch inmitten von heimkehrenden portugiesischen Familienmitgliedern. Ich übersetzte deutsch/ englisch /deutsch/portugiesisch/? und wir fuhren wieder den Berg hinauf. Schön sah sie nun aus die Insel. Beleuchtet und feierlich glänzend. Außerdem war Vollmond! Und was für einer! Ich erwartete gleich von einem heulenden Werwolf angesprungen zu werden…nach den allgemeinen Wiedersehens-Zeremonien gingen wir ins Bett und ich bewunderte noch einige zeit den silbrig-hypnotischen Lichtschein der sich auf dem Atlantik ausbreitete…
 
AW: Von Mietwagen, Waschstraßen und anderen Erlebnissen

Wow!
Was für ein Schlusssatz :lol: ;) !
Wirklich wieder köstlich dein Bericht, aurelia! Der zaubert einem ganz mühelos ein Lächeln ins Gesicht :nod: !

Ein Fan
 
AW: Von Mietwagen, Waschstraßen und anderen Erlebnissen

Herrlich zu lesen; Traumhaft, echt.....

Danke dafür....!!!!
 
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Hallo und Moin, Moin Aurelia!

Vielen Dank :) für Deinen mal wieder sehr, sehr nett zu lesenden Anfang Deines Reiseberichtes - ich freue mich wieder richtig auf die Fortsetzung !!!

Ich gebe gengarde Recht - ein sehr schöner Schlußsatz - in der Stimmung fehlte nur noch ein "Fadosingender Portugiese" ( kommt vielleicht ja noch ? )
Wann geht es weiter ??? Ich bin schon gespannt !!!


Gruß - Asterixinchen :)
 
AW: Von Mietwagen, Waschstraßen und anderen Erlebnissen

Oh, da wird meine Kreativität in puncto Lyrik ja nun angeregt*lach. Aber ein Fadosingender Portugiese wird wohl nicht mehr mein literarisches Meisterwerk kreuzen...nächstes mal.
Und abermals Danke für das Lob!!! Das spornt doch an wie sonst nichts...
 
AW: Von Mietwagen, Waschstraßen und anderen Erlebnissen

*lol* wirklich ein klasse Bericht, bei dem ich öfter mal schmunzeln musste ;-)

Aurelia schrieb:
Ich war wohl in die Baden-Würtemberg-Connection geraten; fast ausschließlich melodisch-bäuerliche „sch“ Laute drangen an mein Ohr. Manche packten ihr „Veschperbrot“ aus...


tzzz kennsch des etwa nicht, des isch doch ganz normal ^^ und klingt doch nich bäuerlich 8O :roll: :lol:


achja, das Geklatsche kann ich übrigens auch nicht ab und boykottiere es jedes Mal aufs Neue 8)
 
AW: Von Mietwagen, Waschstraßen und anderen Erlebnissen

Sehr schön! Wirklich toll zu lesen, wie immer. Was allerdings das sch angeht, muss ich mich jetzt schon Darla anschließen - des isch halt so im Südweschte! Ich bin zwar ein bayerischer Schwabe, aber Recht haben sie, die Baden-Württemberger: Wir können alles, außer hochdeutsch ;)

Herzlichen Gruß
Sven
 
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Mittwoch:
Kikerikiii….in der Nachbarschaft musste es mindestens zwei Hähne geben, die sich die ganze Nacht durch ein Wettkrähen in Bass und Bariton geliefert hatten. Nichtsdestotrotz hatte ich relativ gut geschlafen und bereite das Frühstück vor in der Hoffnung bald was von unserer Vermieterin über die Lage am Automarkt zu hören. Das Wetter zeigte sich diesig und bedeckt und nicht gerade von der augenfälligsten Urlaubssorte. Um 10h rum bekamen wir dann die Hiobsbotschaft; die einzige Möglichkeit ein Auto zu bekommen gab es für uns ab Freitagnachmittag! Was sollten wir machen außer Zusagen!? Dann eben mit dem Bus nach Funchal, die Hauptstadt. Leider ging der nächste erst um 12.15h (kontrollieren konnten wir das mangels Fahrplänen an den Stationen nicht) und wir mussten uns bis dahin irgendwie die Zeit vertreiben. Ich muß gestehen, damit in meinem ersten kleinen Stimmungstief gelandet zu sein denn dieses Gefühl was unternehmen zu wollen aber nicht zu können, nagte sehr an mir.

Wir versuchten zu Fuß die nähere Umgebung zu erkunden, was aber durch das ausschließliche bergauf und bergab nicht wirklich erquicklich und aufschlussreich war. Obwohl wir vor Ankunft des Busses schon tausend Tode mangels unserer Sprachkenntnisse starben; es stand zum Glück „Funchal“ drauf und der Fahrer reagierte richtig auf unsere Zeichensprache. So saßen wir nun in einem Bus voller Madeirenser auf dem Weg in die Stadt. Wir hatten einen der ältesten Busse erwischt und schaukelten eifrig von Kurve zu Kurve. Wer nie an einem vergleichbaren Ort Bus gefahren ist, wird dieses Erlebnis kaum nachvollziehen können. Die Fahrer hier müssen die Busse noch Schalten was sie gerne, sportlich und schnell tun. Es wird angefahren, abgebremst und dem Gegenverkehr zugehupt um zu sagen „Hoppla, jetzt komm ich“. Nach ca. 40Min erreichten wir die Innenstadt und verabschiedeten uns von unserer Abenteuerfahrt für schlappe 1,90Euro.

Ja, nun hieß es sich langsam vortasten, einen Überblick verschaffen und die Dinge aus dem Reiseführer mit der Realität in Einklang bringen. Es sah anders aus hier, das merkte ich gleich. Woran das immer liegt, weiß man ja selbst nie so genau, aber vor Ankunft hat man doch immer ein Bild im Kopf das doch eher selten mit der Realität übereinstimmt. Hier sah ich eine fremdländische Kleinstadt; in meinem Kopf hatte ich noch das Bild der Sommermetropole, in der Horden von Touristen mit Strohhut und FlipFlops auf die Pirsch gehen. Wir gingen an den Hafen um uns zu orientieren und warfen einen Blick auf die ehemalige Yacht der Beatles die nun ein Restaurant ist, und den kleinen Strand. Der jedoch war ziemlich vermüllt und aus schwarzem Lava-Sand…die tiefhängenden Wolken waren ja auch alles andere als klassisches Inselwetter. Ich erblickte den ersten kleinen McDonalds und PizzaHut (was mich sehr glücklich machte, ich hatte diese wichtigen Daten aber von zu Hause aus auch schon erforscht und gegoogelt) und wir gingen auf die Hautstraße um in der Tourist-Info nach unserem Busfahrplan für die Rückfahrt zu forschen. Die Tourist-Info sah etwas kühl und verlassen aus und man schickte uns zur Zentrale SAM der Überlandbusse. Gesagt getan, dort fragten wir wieder (in Englisch) und bekamen zur Antwort auch noch einen chaotischen Fahrplan in die Hand.

Super, nun wussten wir immerhin wann wir wieder weg konnten und waren frei. Wir spazierten wieder Richtung Hauptstraße Avenida Arriaga/ Rua do Aljube und ließen die Mischung aus Touristen und eventuell doch dem ein oder anderen Einheimischen auf uns wirken. Die kleinen Läden hatten größtenteils geschlossen aufgrund ihrer Mittagspause; wir gingen zum unglaublich hässlich wirkenden „Shoppingcenter“ Anadia (oder so ähnlich) das in mir mal wieder das grenzenlose Gefühl der Schwermut auslöste. Insgesamt war ich sowieso nicht zu glücklich; die Stadt war klein und bot auf den ersten Blick wenig für mich reizvolles (also keine attraktiven Läden), es war ziemlich schwül und ich hatte so einen Anflug von Heimweh…
Auf zum berühmten „Mercado dos Lavradores“, der 2 stöckigen Markthalle. Hier sah alles schön bunt aus mit den vielen Früchten und Pflanzen, doch mir war es zu touristisch. Für eine Markthalle waren die Waren zu ordentlich aufgetürmt und das andauernde „Try this, try that“ der geschäftstüchtigen Verkäufer hielt mich eher von jeglichen Käufen ab. Der Fischgeruch hing eh schon allgegenwärtig in der Luft; wir näherten uns also der legendären Fischhalle. Gut das man hier von der Treppe aus hereinschauen kann, ohne zwangsläufig mit den Füßen diesen glitschigen Boden berühren zu müssen. Es war ekelhaft! Schlicht und ergreifend ekelhaft. Da es Nachmittag war, gab es wohl nur noch ein Bruchteil des Angebots das normalerweise dort vorzufinden ist, aber mir reichte es. Riesige Thunfisch-Klötze die schon jeglicher ursprünglichen Gestalt entbehrten und Wesen die ich als Muränen klassifizieren würde. Ihh, das sind doch die beiden Fieslinge aus Arielle!?! So was essen die!?! Der Geruch war unbeschreiblich; ich glaube ich kann gegen den Geruch von frischem Fisch wesentlich weniger an als gegen die Nordsee übliche Massenware. Fasziniert konnte ich meinen Blick doch nicht so schnell abwenden von diesem Gruselkabinett aufgebart auf ebendiesen Metalltischen mit Abfluß wie in der Pathologie…Lustig war, dass ich genau diesen charismatischen Fischverkäufer dort antraf der auch mit Foto in meinem Reiseführer verewigt ist!!! Wir drehten um und ich muß sagen, mir war wirklich schlecht. Doch ich konnte mir nun sagen „been there, done that“ und war etwas stolz auf mich nicht direkt in die Halle gekotzt zu haben ;-)

Wieder in den Straßen, machten wir auf einer Bank Rast und ich beruhigte meine Nerven mit der Zufuhr von Nikotin…in die Kathedrale wollte ich auch noch unbedingt, ich holte den Stadtplan heraus. Tjaaa, ähnlich wie unsere Episode vor dem Pantheon hatten wir auch hier den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Unsere Bank befand sich auf dem Kirchen Vorplatz und wir uns wohl im Zustand geistiger Umnachtung. Wir umrundeten das Gebäude, es war aber verschlossen und gab keine Hinweise bezüglich Öffnungszeiten etc. Schade und seltsam. Ein wenig Zeit blieb noch vor der 15.30h Führung durch die „Adegas de Sao Francisco“, der Blandy´s Winelodge. Mein Freund versuchte in einer Apotheke einen gescheiten Rasierer zu erstehen was ein halber Staatsakt wurde und ich dachte mir nur wieder; es lebe der Selbstbedienungsmarkt!

Der einzige Laden der auf vertraute Weise kontinental-europäisch anmutete war „Zara“. Es sah genauso aus wie daheim und das war auch gut so. Nein, eigentlich war dies nicht gut so, denn auch hier standen die Konfektionsgrößen mal wieder im Missverhältnis zu Bevölkerung. Ich schaute mir die Sachen an, war urlaubsbedingt durchaus in Kaufstimmung, aber kapitulierte als ich sah, dass alles bei „L“ aufhörte und „L“ hier 42 bedeutet. Ich frage mich echt, ob ich in südlichen Ländern dazu verdammt wäre fortan nackt mein Leben zu meistern. Alle ansässigen Ketten produzieren nur für Kinder, Models und Elfen – was zieht Frau dort eigentlich an?? Laufen deshalb vielleicht so viele alte Damen in schwarz herum weil sie ganz einfach nichts anderes mehr gefunden haben? Oder bleibt am Ende nur die Kittelschürze? In diesem Moment genoß ich es einerseits mit Zara kurz vertrauten Boden unter den Füßen zu haben und hatte andererseits einen wehmütigen Anfall beim Gedanken an die Shoppingparadiese in England.

Aber es war an der Zeit zu Blandy´s zu gehen. Durch verwinkelte Gässchen kommt man in den Innenhof des Anwesens, einem der ältesten erhaltenen Gebäude der Insel. Hier gibt es einen kleinen stilvollen Andenkenladen, die Max Römer Bar in der man die Madeira Weine verkosten kann und sehr saubere und nicht übermäßig frequentierte Toiletten. Für 4.20Euro machten wir die Tour mit und warteten an schönen alten Weinfässern in gemütlicher Atmosphäre. Ich ließ mich aus solidarischen Gründen dazu breitschlagen an der englischen Führung teilzunehmen, unsere Tourguidin (es gibt einfach nie passendes Vokabular in manchen Situationen) erwies sich auch als Volltreffer. Von schier übersprudelnder Begeisterung, mit einem ganz eigenartigen Akzent der zu britisch klang um portugiesisch zu sein und vice versa. Anscheinend gehört es zum Job von diesen Damen eine kleine sympathische Meise zu haben, ich erinnere nur an ähnliche Situation bei Jameson in Dublin. Ich lernte auf jeden Fall sehr viel neues über die Besonderheiten des Madeira-Weines (Kunststück, ich hatte auch null Vorwissen) und freute mich von Minute zu Minute mehr auf die Verkostung. In den Lagerräumen unter dem Dach roch es sehr fremd aber doch angenehm nach dem vergärenden Wein…ob mir das Resultat denn schmecken würde? Nachdem wir auch noch eine Runde durch das hausinterne kleine Museum gemacht hatten, ließen wir uns in der „Wirtsstube“ nieder und bekamen zwei Gläschen serviert. Die linke Flüssigkeit war gelblich-bersteinfarben und ein 5 Jahre alter Verdelho Madeira, halb-trocken und besonders für Anfänger geeignet. Rechts war die Färbung deutlich dunkler und es gab das neueste Produkt, eine Mischung zweier Rebsorten deren Name ich vergessen habe da ich auf solche Mischungen nicht so stehe. Noch bevor wir offiziell dazu angeleitet wurden, hatte ich beide Gläser halb geleert und nachdem mir anfangs beide zu süß waren, kristallisierte sich so nach und nach doch Nummer 1 als durchaus wohlschmeckend, an chinesischen Pflaumenwein erinnernd und fruchtig heraus. An unserem Tisch saß noch ein Ehepaar aus Nordengland die mich anschauten als wäre ich als Alkoholiker schon ein hoffnungsloser Fall. Ich kann doch auch nichts dafür, ich trinke nun mal immer schnell! Und wenn es was umsonst gibt, lass ich auch nichts umkommen; außerdem hauen einen zwei Schnapsgläschen mit einer 17%igen Flüssigkeit ja nun echt nicht um, oder?

Ich fühlte mich hier, umgeben von dieser gelungenen Mischung aus durchorganisierter Sehenswürdigkeit und alter Eleganz mit gewachsen alten Holzdielen sehr, sehr wohl. Wir deckten uns mit ein paar Flaschen und Fläschen ein und verließen diesen Hort der Ruhe und der Heimatgefühle wieder um noch mal nach einem Supermarkt zu suchen. Vor der Kathedrale stutze ich; nun war sie geöffnet! Also nichts wie rein. Hierzu möchte ich auch vor allem die polierten, alten (Tropen?)Hölzer erwähnen, die mir sehr gefielen. Der Rest, Kirche eben. Eine eifrige Dame staubsaugte lautstark den Eingang, die Versuchung den Stecker zu ziehen war schier unbändig. Eine alte Frau kniete ganz und gar öffentlich im Beichtstuhl und ein ebenso alter Pfarrer vergab ihr ebenso sichtbar. Diese Szene ließ mich wieder viel nachdenken. Was hatte diese alte Frau zu beichten? Was sollte dieses ganze „wir-machen-die-Regeln-um-bei-vergehen-dann-verzeihen-zu-können“? Warum fand so was so gut nach außen sichtbar statt? Seltsam…was hatte den Mann dazu bewogen Pfarrer zu werden? Durfte man nur in Portugiesisch beichten? Ein Touristenpaar vor uns fragte wohl dasselbe und geriet daraufhin ins Gespräch mit dem Geistlichen der für mich schon wieder zu vergeistigt aussah. Wir gingen weiter auf die Jagd nach einer durch und durch weltlichen Sache. In Meinem Reiseführer stand, dass im Keller des grässlichen Einkaufszentrums ein Supermarkt sei. Dies stimmte zum Glück, wir fanden einen großen Pingo Doce und ich entspannte mich ein kleines Stückchen mehr.
Nachdem wir grundlegende Dinge wie Obst, Gemüse (die frischen Sachen sahen her alle bei weitem nicht so einladend aus wie in heimischen Gefilden, sind wir doch schon so verzogen?), Eier, Bier, etc. erstanden hatten, marschierten wir zum Busbahnhof und immer schön die Steigung hoch. Oben angekommen war es 18h, ich war durchgeschwitzt, recht zufrieden aber auch sehr froh nun fahren und dann „daheim“ sein zu können. Die Blasen auf meinen Fußsohlen waren auch nicht zu verachten!
 
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Wir erkundigten uns in der Zentrale nochmals nach dem richtigen Bus und als pünktlich um 18.15h einer vorfuhr, Nummer 113, fragten wir den Fahrer der uns lässig hereinwinkte. Da saßen wir nun in einer lustigen 3-er Bank mit unseren Einkäufen scheppernd neben uns. Die Fahrt war ähnlich rau und ereignisreich wie schon auf dem Hinweg und ich filmte viele Fahrmanöver mit. Wir steuerten auf den Flughafen zu und wussten nun muß es links den Berg hoch gehen…ging es aber nicht…nach ca. 2 Minuten fragte ich leise und vorsichtig meinen Freund „Sind wir hier denn noch richtig?“…“Nein, wir hätten abbiegen müssen“…Ich glaube in den folgenden Minuten wurde ich sehr nervig weil ich alle 2 Sekunden „Was machen wir denn nun?“ in den Raum hinein fragte. Wir hofften immer noch auf die entscheidende Wendung aber in Machico stiegen wir aus. Wäre ich der Sprache mächtig gewesen, der Busfahrer hätte sich auf was gefasst machen können. Neue Fahrscheine hätte ich eh schon aus Prinzip nicht mehr genommen, aber hier? Welche Handhabe steht mir in Portugiesisch zur Verfügung? Keine, eben! Wir warteten müde und mit rotierendem Hirn in der Gegenrichtung auf eine ominöse Linie 156 Richtung Gaula. Plan war eigentlich so bald wir den Flughafen erreichen rauszuspringen und ein Taxi zu nehmen. Wir fuhren nicht über den Flughafen aber nach Gaula…zumindest durch den Ortsteil am Fuße des Berges. An einer erneuten alles entscheidenden Kreuzung dann versuchten wir die Route bei unseren Mitfahrer zu erfragen aber Pustekuchen. Ich liebe Sprachen aber es gibt Momente da wünscht man sich alle sprächen dasselbe*seufz. Der Bus bog natürlich links ab und fuhr nicht den Berg hoch. Also wieder raus und denken, denken, denken – wie der PuhBär. Wir konnten hoch oben unser Apartment sehen! Aber der Fußmarsch dorthin wäre sicherlich über mehr als 300 Höhenmeter gegangen und hätte mindestens 1 1/2Std gedauert. In diesem Moment erschien mir trampen zum ersten Mal in meinem Leben eine gute Idee zu sein…aber ich hatte eine noch bessere. Ich rief unsere Vermieterin auf dem Handy an und klagte ihr unser Leid: Sie nahm das Auto und 5Minuten später versanken wir in den Polstern des monströsen Benz. Sie hatte vollstes Verständnis für unsere missliche Lage; ich glaube auch ein wenig deshalb weil wir ohne Auto ja eh benachteiligt waren. Dann erfuhr ich noch, dass heute ihr Geburtstag ist. Volltreffer! Ich hätte im Boden versinken können! Jetzt ist die Frau schon so nett und hilfsbereit und dann jagen wir sie noch an ihrem Geburtstag als Chauffeur durch die Gegend!
Aber was wäre unsere Alternative gewesen!?

Ich konnte meine Freude kaum fassen, nach dieser 1 1/2Std. Busirrfahrt endlich wieder angekommen zu sein. Ich schmiß mich aufs Bett und als ich mich mit dem Gedanken wieder auf eigenen Beinen zu stehen, anfreunden konnte, ging ich in die Küche und kochte Pasta mit Gemüse und Tomatensauce. Selten hat das auf der Terrasse sitzen, Essen und Wein trinken soo entspannend gewirkt! Wir vergriffen uns dann auch noch an der DutyFree Whisky Flasche und tranken einige Whisky-Colas…eine Terrasse müsste man haben, man sieht die Sonne untergehen, wurde von Schnaken gestochen, von Motten umschwirrt anstatt von Männern, sah Fledermäuse herumflattern und entfernt Hunde krakeelen…es versteht sich von selbst, dass nach einer Dusche der Schlaf nach diesem Tage wie von selbst kam…
 
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Hallo und Moin, Moin Aurelia!

Ich hatte eben noch Zeit Deinen wirklich sehr, sehr schönen und anschaulichen Bericht zu lesen ---> DANKE !!! :)
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung ( die ich doch sicherlich in ein paar paar Tagen, wenn ich wieder da bin, fertig ist, oder ??? )


Gruß - Asterixinchen :)
 
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Hi Aurelia..

das klingt alles mehr mehr als abenteuerlich.. wow.....

hoffe, es geht bald weiter..!!!

LG
Maus
 
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Vor meinem geistigen Auge sehe ich gerade Aurelia inmitten von Thunfischfragmenten in einer köstlich mediterran duftenden Fischhalle stehen. Und muss schmunzeln...

Der Bericht ist sooo klasse, das gibt's gar nicht!

Ingo
 
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Ach, so viel Lob...das da mal nicht abdrehe :) Aber ein paar Minuten in einer Fischhalle und ich bin wieder auf dem versifften Boden der Tatsachen ;)
 
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Hallo aurelia,
irgendwie habe ich den Eindruck, Madeira hat dich (zumindest bis zu diesem Berichtsstand) nicht wirklich überzeugen können:twisted: . Wird es denn noch besser?
....ich gebe zu, dass ich auch gewisse, auf keinerlei festen Erkenntnissen beruhende, Vorurteile über das Eiland habe..:roll:

Gruß gengarde
 
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Das ändert sich noch, keine Sorge. Ist schlicht und einfach keine Liebe auf den ersten Blick, aber das wird mir in südlichen Gefilden wohl eh nie möglich sein...ich schreibe weiter, es bleibt spannend :)
 
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Donnerstag:

Ich kann nicht behaupten pünktlich mit Sonnenaufgang zum ersten Mal erwacht zu sein. Nein, wir hatten schon reichlich Bekanntschaft mit den kleinen fliegenden Biestern namens Schnaken gemacht und mich stechen die ja sowieso immer. Lustig aber, dass es meinen Freund der die lieben Kleinen absolut nicht gewöhnt ist, noch schlimmer erwischt hatte. Das Highlight geschah aber nachts als er sich im Halbschlaf lautstark über die „bloody buzzy things in my ear“ mokierte und mir in abwehrender Geste einen Seitenhieb verpasste. Wir lachen heute noch…

Mit dieser Vorgeschichte schafften wir es erwartungsgemäß auch nicht rechtzeitig genug aus dem Bett zukommen um den ca. 10h Bus zu erreichen. Egal, von dem um 12.15h wußten wir ja immerhin schon mal das er auch fährt. Es blieb noch Zeit auf der Terrasse rumzugammeln und mit halbem Ohr die Gespräche unserer Nachbarn aufzuschnappen. Manchmal machte es mich ja leicht aggressiv; die hatten ein Auto und fuhren kaum und wir? Pah.
Aber nichts gegen unsere holländischen Nachbarn aus Apartment A, so als kleiner Exkurs am Rande. Diese beiden gehören zu den zufriedensten und fröhlichsten Menschen dieser Welt, jede Wette. Egal man wir an ihnen vorbeigingen, immer saßen sie draußen, lassen und strahlten. Ich sage das nun völlig frei von Ironie; diese beiden machten einfach Spaß und waren mir sofort äußerst sympathisch ohne je mehr als 2 Worte mit ihnen gewechselt zu haben. Wenn sie das hier eines Tages zufällig mal lesen sollten; bleibt wie ihr seid, dass wirkt auf Außenstehende schon besser als Yoga und Hanf zusammen 

Zurück zur Busfahrt, Kurve und Kurve näherten wir uns wieder dem umwölkten Funchal und mir wurde es von Kurve zu Kurve schummriger. Als wir ausstiegen, widerstand ich meiner Versuchung den guten Ratze nachzuäffen und d erstmal den Boden zu küssen. Nein, wir gingen direkt, immer den Seilen nach, zu den Telefericos – der Seilbahn hoch nach Monte. Meine bisherigen Seilbahn-Erlebnisse beschränkten sich auf Skifahren in Tirol und gehören damit zur traumatischen Sorte. Zum Glück gab es hier immerhin schon mal keine Österreicher, wenn auch die Anlage aus diesem tollen Land stammte. Wir lösten Hin- und Rückfahrkarten plus den Eintritt in den Jardim do Monte Palace. Machte happige 22Euro pro Kopf, aber was macht man nicht alles im Urlaub
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Auf ging’s in die nächste freie Kabine. Hier waren die Leute immerhin so dezent, sich meistens nicht mehr dazu zu setzen sondern jedem seinen Freiraum zu lassen. Ich drohte meinem Freund mit einem schmerzhaften Tod wenn er hier schaukeln und wippen würde was er auch einsah und ich dann die Fahrt somit sogar nett fand. Unglaublich was sich aus dieser Perspektive zum Teil für ein Budenzauber offenbarte! Und auch die Straßen sahen von hier oben noch halsbrecherischer aus. Wenn der Himmel jetzt noch blau gewesen wäre…der Mensch kann ja nicht alles haben.

Nach ungefähr 20Minuten kamen wir ganz oben an und gingen erstmal in den Garten. Ein bisschen entmutigend war, dass man hier das Gefühl hatte den halben Berg schonwieder runter zu gehen um zur Seilbahn wieder hoch zu müssen. Die Pflanzen waren sehr üppig und grün und hingen durch die große Feuchtigkeit schwer an ihren Plätzen. Ich erfreute mich an einer Hecke voller Begonien (und hoffe hiermit auch, dass mein von dort stammender Ableger auf meiner Fensterbank angehen wird) und an der ein oder anderen Pflanze die man sonst nur aus dem Topf kennt. Doch insgesamt fand ich den Garten nicht soo dolle…viel Gefälle, dicke Kois im Teich und viel grün. Im Sonnenschein wäre es sicherlich besser gewesen! Trotzdem verging die Zeit hier im Fluge, wir rasteten vor dem Rheingau-Style-Schlößchen der Besitzer, klassifizierten jede Person in deutsch, englisch oder sonstiges und ich erfuhr per SMS von der chaotischen Lage am Flughafen Heathrow. Ahja, in Anbetracht dieser Tatsache wirkte die Weltabgewandheit und Beschaulichkeit hier nun wieder sehr beruhigend.

Wir stiegen schnaufend wieder zum Ausgang und ließen uns im nicht außergewöhnlich hübschen aber zeitgemäß europäischen Café an der Seilbahnstation nieder um Tee zu trinken und lustigen Sandkuchen mit Beeren bedeckt zu essen. Wenn das Wetter sich mal entscheiden könnte, wäre es wirklich hilfreich. Wir gingen noch ein paar Meter hin zu einer winzigen Kirche in der irrigen Annahme dies sei die berühmte Wallfahrtskirche von Monte. Ansonsten war hier nichts und da ich eh nicht so in der Stimmung war, setzten wir uns wieder in den Lift und fuhren zusammen mit einem holländischen Paar wieder ins Städtchen. Ich dachte schon, dass wir das „Programm“ oben nicht voll ausgenutzt hatten, aber daß wir im Prinzip alles verpasst hatten, war mir dann doch nicht bewusst. Wir hatten uns nicht die berühmten Korbschlittenfahrer angeschaut, wir waren nicht im angeblich so schönen Ort Monte selbst und die Kirche die wir gesehen haben war auch eine andere. Na ja, das nächste Mal…

Wieder unten gingen wir durch die Altstadt und dann wieder in das uns nun schon wohlbekannte Gebiet. Wir fanden den Platz vor dem Rathaus der in so vielen Reiseführern abgebildet ist mit seinen hübschen schwarz-weißen Bodenplättchen und noch ein paar für uns neue Läden, aber nichts konnte ich mich zum Kauf einladen. Bei „Mango“ auch wieder das Trauerspiel der Winzlingssgrößen. Somit entschieden wir uns einen Bus früher zu nehmen (man musste da ja wohl Zeitpuffer einbeziehen*lach) und waren gerade wieder auf dem Weg zu „unserem“ Supermarkt als wir einen von der Konkurrenz entdeckten und dann einfach dort alles erledigten.
Ich war innen kurzzeitig echt am Verzweifeln: Ich hatte mir ja vorgenommen hier jeden Abend zu kochen was ich auch sehr sehr gerne mache, aber: Ich fand hier praktisch keine Zutaten! Fleisch fiel aus, da man dafür a)mit den Metzgern persönlich ein ungezwungenes Gespräch auf Portugiesisch hätte führen müssen und b) alles Fleisch noch so sehr nach Tier aussah. Da blieb nicht viel außer viel Pasta, Salat, Eieromelettes und meinen wohlweißlich mitgebrachten Maggi-Tütensüppchen. Auf der Suche nach ein paar Flaschen Wein für den weiteren Bedarf kamen wir in einen hinteren Bereich des Ladens und vor mir tat sich eine Wunderwelt auf – es gab doch tatsächlich einen kleinen Schrank mit Tiefkühlprodukten! Ja, es gab Pizza-Minis die wir in unserem Grillofen backen könnten! Ein weiteres Abendmahl war gerettet! Zumindest morgen dann wenn wir einen fahrbaren Untersatz hätten und solche Lebensmittel einfacher abtransportieren konnten! Mit beruhigten Nerven gingen wir zur Bushaltestelle an der Küste und siehe da; es kam ein Bus namens 60! Und wenn der nun auch noch die richtige Route fuhr, waren wir gerettet :)

So nahmen wir wieder in einem der Teufelsbussen Platz und ich kämpfte die ganzen 40Minuten gegen eine ziemliche Übelkeit an; wilder Fahrstil gepaart mit moderatem Heimweh. Zurück stiegen wir vor lauter überschwänglicher Freude den richtigen Bus erwischt zu haben ein bisserl zu früh aus aber kamen dann am frühen Abend wesentlich weniger erschöpft „zu Hause“ an.
Das Fernsehprogramm gestaltete sich aufgrund der Londoner Vorkommnisse wenig abwechslungsreich, aber irgendwann fanden ich dann doch wieder lustige Musikanten oder ähnlich hirnerweichender Schrott und ich konnte damit vor meinem Freund wieder merkwürdiges Deutschtum zelebrieren. Der Abend klang dann traditionell sehr entspannt mit Omelettes, Weißwein, Whiskey-Cola und einem wohlverdienten Lavendelschaumbad aus und abgesehen von den fliegenden Drecksbiestern gab es eine weitere geruhsame Nacht mit noch geruhsamerem Meeresblick.
 
AW: Von Mietwagen, Waschstraßen und anderen Erlebnissen

Sag mal Aurelia,

machst Du Dir eigentlich Notizen während der Touren?

Wie auch immer, Deine "Geschichten so nebenbei" peppen Deine Erlebnisse immer wieder auf.

Danke, weiter so.......... :thumbup: :thumbup: :thumbup:
 
AW: Von Mietwagen, Waschstraßen und anderen Erlebnissen

Hallo und Moin, Moin Aurelia!

Vielen Dank :) auch für diesen Teil .... ich lese Deine Geschichten immer wieder sehr gerne !!! Wann geht es weiter ???


Gruß - Asterixinchen :)
 
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