Spaziergang durch Rom

Den Janusbogen habe ich häufig vor Augen. Da gibt es ein Familienbild mit meiner heutigen BEVA in Schwarz/Weiß vor dem Janusbogen. Es müsste Ende der 60er Jahre aufgenommen sein.
Dieses "müsste" lässt darauf schließen, dass es nicht anlässlich einer Hochzeit dort aufgenommen wurde (denn sonst wäre zumindest ja Jahr bekann) ... und schon gar nicht der deiner B. :D
Du lässt mich ja schnell altern :~:blush:; ich ziehe gleich los und besorge mir einen Krückstock.
:lol: 8O :lol:​


Aber doch ganz im Gegenteil :!: .... wenn ich doch schreibe, dass ihr beide eben noch nicht Ende der 60-er Jahre geheiratet haben könnt ... ;)
Mittlerweile hat sich Näheres dazu herausgestellt:
Heute bedauere ich etwas, dass ich zu sehr auf meine Verwandtschaft Rücksicht genommen habe. Meine damalige Verlobte wollte nämlich schon immer gerne in Santa Costanza heiraten.
Vielleicht kannst du einen Hochzeitsgottesdienst zu einem besonderen Hochzeitstag in Santa Costanza nachholen?! Das wäre doch schön :nod:
Aber nicht den vierzigsten.
Demzufolge ist 1973 terminus post quem. :idea:
 
Jetzt wird's aber höchste Zeit weiterzugehen, bevor mir noch das Efeu um die Füsse wuchert.

Gleich hinter dem Forum Boarium erreiche ich die Stelle, an der in ältesten Zeiten die Hirten ihre Herden durch den Tiber führten, bevor dann in der Königszeit der Pons Sublicius gebaut, die erste hölzerne Tiberbrücke. 170 v.Chr. wurde er dann durch den steinernen Pons Aemilius ersetzt, der noch bis Ende des 16. Jahrhunderts in Gebrauch war. Seine verbleibenden und für Fussgänger unerreichbaren Reste stehen heute immer noch mitten im Tiber; mittlerweile trägt er den passenden Namen Ponte Rotto, was so viel wie "zerstörte Brücke" bedeutet.



Auch wenn die Tiberschifffahrt der Vergangenheit angehört; in vergangenen Zeiten war der Fluss einer der wichtigsten Versorgungswege, um die Stadt mit Weizen, Öl und anderen wichtigen Produkten zu versorgen. Kleine Lastkähne, codicarii genannt, transportierten ihre Ladungen von den Seehäfen Ostia (und später Portus) den Tiber hinauf bis in den städtischen Hafen. Diese codicarii waren als 'Treidelschiffe' konzipiert, d.h. als Antrieb fungierten Ochsen (und manchmal auch Menschen), die die Kähne flussaufwärts zogen.


Der im Jahre 62 v.Chr. erbaute Pons Fabricius ist die best erhaltendste (und IMHO schönste) Brücke des alten Roms und führt den Besucher auf die Tiberinsel. Die Bauanordnung des damaligen 'Strassenbeauftragten' Lucius Fabricius ist heute noch deutlich zu lesen - bei den Römern musste damals schon alles seine Ordnung haben. Übrigens hatten die Brücken damals auch schon keinen besseren Ruf als heute, denn schon Martial berichtet von einer "armseeligen Prozession von altem Gerümpel, das unter eine Brücke gehört." Darüber hinaus waren sie in Suizidkreisen recht beliebt. Juvenal spricht in seiner Frauensatire einen gewissen Postumus an, der hochzeiten möchte: "Bist du denn wahnsinnig geworden? Du willst heiraten, obwohl sich dir in der Nähe der Pons Aemilius anbietet?"


Nachdenklich ob dieser Worte entdecke ich hinter einem Baum versteckt eine mahnende Gestalt... (jedenfalls glaube ich, dass es hier war, denn dieses Foto ist schon etwas älter, aber weil es eines meiner Lieblingsbilder ist, möchte ich es euch nicht vorenthalten.)


Roma bella mi apare
 
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....
Diese codicarii waren als 'Treidelschiffe' konzipiert, d.h. als Antrieb fungierten Ochsen (und manchmal auch Menschen), die die Kähne flussaufwärts zogen.


Toller Abstecher zu den antiken Brücken von Rom :thumbup: :nod:. Besonders die Details und die Bilder und Geschichten dazu gefallen mir gut. Ich bin gespannt und freue mich auf weitere storielle di Roma ;).

Grüße
Pasquetta

Apropos: kannst Du meiner Unwissenheit :? abhelfen und mich aufklären, was das immer wiederkehrende

Roma bella mi apare

bedeutet? :roll: Ich bin nur (ein bisschen :~) neugierig... :blush: :twisted:
 
Der Tempel des Asklepios

auf der Tiberinsel ist wieder so ein Bauwerk, von dem es keine Überreste gibt. Er gehörte zu einem heiligen Bezirk, der für Kult und Inkubation erforderlich war, und das in der Form eines flussaufwärts fahrenden Schiffes. Als im Jahre 293 v. Chr. in Rom eine Epedemie ausgebrochen war, befragte man die Sibyllinischen Bücher, wie man die Krankheit überwinden könne. Die Lösung war der griechische Heilgott Asklepios, den man jedoch erst einmal aus Epidauros, seiner bedeutendsten antiken Heilstätte, holen musste. Seine Therapie bestand vor allem in der Inkubation, dass heisst, die Kranken legten sich an heiliger Stelle nieder und bekamen im Traum Hinweise, welcher Heilmittel sie sich bedienen sollten, wenn die Heilung nicht schon vorher durch ein Wunder vollbracht war. Gemäß der Anweisung machte sich also eine Gesandtschaft auf nach Griechenland, und Asklepios folgte der freundlichen Einladung in die Urbs. Freiwillig segelte er in Inkarnation einer Schlage mit über das Meer und entlang des Tibers, bestimmte aber den Ort, wo er verweilen sollte, selbst. Wie es geschah, schildert uns Ovid:

Als zum Haupt der Welt, zu der römischen Stadt sie gelangt war,
richtet die Schlange sich auf, und oben gelehnt an den Mastbaum,
regt sie den Hals und späht umher nach gelegenem Wohnsitz.
In zwei Teile begibt sich der Strom mit umfliessenden Wellen -
Insel heisst die Statt, und neben dem Land in der Mitte
streckt er sich rechts und links mit zwei gleichmässigen Armen.
Dahin wendet sich jetzt zu gehen die phöbische Schlange
aus dem latinischen Kiel, und gekehrt in die himmlische Bildung
setzt sie dem Jammer ein Ziel und erscheint heilbringend der Hauptstadt.



Die Tiberinsel war nicht einfach so da, sondern entsprang getreu der römischen Tradition aus einer mystischen Sage. So soll sie im Anfang er römsischen Republik durch die Aufstauung des als sacrum den Unterirdischen geweihten tarquinischen Getreides entstanden sein. Das machte Sinn, denn bis dahin war sie unbewohnt und durch die sandigen Anschwemmungen auch nicht wirklich kultivierbar. So verwundert es nicht, dass sich bald nach dem Tempel noch andere Heiligtümer dort hinzugesellten. Livius berichtet uns von einem Tempel des Jupiter Iurarius, ein anderer wurde aus Strafgelder dem Faunus erbaut. Aber - viel wichtiger - auch die Flussgottheit Tiberinus hatte hier ihre Kultstätte, von derem lokalen Festtag im Dezember die amiternischen Fasten unterrichten. Der Tiber bedeutete für die Römer nicht nur die Grenze zur Abwehr von Feinden, nicht nur die Verbindung zur weiten Welt mittels der Schifffahrt, sondern auch Fruchtbarkeit. Darum verehrte man den Flussgott vor allem auch als Spender des lebenbringenden Wassers. Wenn Trockenheit herrschte ertönte von überall her der Ruf "Adesto Tiberine cum tuis undis!" - Erscheine, Tiberinus, mit deinen Wellen!


Sämtliche Tempelanlagen, von welchen die Insel ausschliesslich in Anspruch genommen war, sind verschwunden, und schon seit dem frühen Mittelalter sind moderne Gebäude an ihre Stelle getreten. Heute heisst die Insel von der Kirche des hl. Bartholomaeus, die auf den Resten des Asklepiostempels errichtet wurde, "Insula di S. Bartholomeo".




Was noch erhalten ist, sind die travertinverkleideten Peperinblöcke an der Ostspitze, die, als Schiffsbug ausgebaut, eine um einen Stab gewundene Schlange, einen grottig erhaltenen Kopf des Asklepios und ein stierkopfartiges Element für die Vertäuung zeigen.





Ein Kupferstich aus dem frühen 17. Jahrhundert zeigt die Tiberinsel als Phantasieschiff. Auf der linken Seite erkennt man den Tempel des Asklepios; die Sakralbauten auf der rechten Seite sind archäologisch nicht nachweisbar. Man weiss lediglich von einem Obelisken in der Mitte, der wie ein Schiffsmast gewirkt hat.



Ein Quinar der Republik aus dem Jahre 87 v. Chr. ist dem Gesamtkomplex von Asklepios und der Tiberinsel gewidmet. Auf seiner Vorderseite ist der Kopf des Neptun mit Dreizack abgebildet, der unter anderem auch für die fliessenden Gewässer und damit auch für den Tiber zuständig war. Die Rückseite zeigt den Altar des Asklepios unmissverständlich durch die sich um ihn windende Schlange. Vor ihm eine mit Kranz und Palmzweig schreitende Victoria, deren genaue Bedeutung noch nicht abschliessend geklärt ist. Nach Grueber "Coins of the Roman Republic in the British Museum" bezieht sie sich auf die damals abgehaltenen Spiele, auf die die Denare des Dossenus Bezug nehmen, die jeweils Jupiter, Juno und Minerva in Triumphialquadrigen zeigen. Ebenso möglich wäre eine direkte Verbindung zu einem damaligen Ereignis, beispielweise einer Seuche, die besiegt werden konnte. Es könnte sich natürlich auf den generellen Sieg (i.S.v. Grösse und Macht) der Medizin beziehen; wie so oft ist hier weiterhin der Forschungsgeist gefordert.




Der (Silber)Quinar war eine römische Silbermünze und wurde ca. 211 v. Chr. nach der ersten Münzreform eingeführt. Als Untereinheit des neu eingeführten Denares, der neuen Standardmünze des römischen Reiches, lag sein Wert bei 1/2 Denar und wog ursprünglich etwas unter zwei Gramm. Da der römische Münzfuss auf dem As basierte, besass er einen Umrechnungskurs von fünf Assen; die ersten Ausgaben des Quinars waren daher mit der Wertzahl V versehen.


Roma bella mi appare...
 
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Nur einen Steinwurf vom Tiber entfernt markiert das Teatro di Marcello das Theaterviertel des antiken Roms. Die massiven Travertinblöcke des völlig freistehenden und gut erhaltenen Theaterbaus faszinieren mich immer wieder auf's neue; bei Tag...


und in der Nacht.


Hier im südlichen Teil des Marsfeldes war sozusagen 'Kultur' angesagt, denn neben dem Marcellustheater gab es noch zwei weitere, die in unmittelbarer Nähe lagen, sich aber leider nicht erhalten haben. Aber dazu später mehr. Im römischen Theater ging es etwas gesitteter zu als im Circo; während im letzteren Männlein und Weiblein beliebig durcheinander dem Treiben frönen durften, gab's in den Kulturarenen eine nach den Geschlechtern getrennte Sitzordnung: Kerle unten, die Mädels oben. So mancher handfeste Ehestreit nahm hier seinen Anfang, wenn 'er' dabei erwischt wurde, unauffällig hinauf zu den obersten Rängen zu schielen. Denn 'sie' merkte es damals schon, wie Ovid in seiner Elegie Amores II,7 witzig beschreibt:

"Ich schaute, mich umdrehend, hinauf zu den obersten Rängen des marmornen Theaters: Schon suchst du dir aus den vielen Frauen eine aus, derentwegen du leiden willst."

Gleich neben dem Theater erhebt sich der Portico d'Ottavia. Hinter dem Eingangsbereich lag ein ganzer Komplex von Säulenhallen, Tempeln (der Juno Regina und des Jupiter Stator), eine Bibliothek und eine Kurie.



Zur Zeit wird an der Portico kräftig gearbeitet, daher zeigt sie sich zur Zeit ein wenig schamvoll verhüllt. Vor drei Jahren hab' ich den Grabungshelfern ein wenig über die Schulter schauen dürfen; ich wär' am liebsten runtergestiegen und hätte mitgebuddelt, aber leider waren auch die Chefarchäologen in unmittelbarer Nähe.




Im Mittelalter wurde der Bereich um die Portico in einen Fischmarkt umfunktioniert, wovon dieser Kupferstich von Benoist aus dem Jahre 1870 zeugt. Die damals integrierte kleine Kirche erhielt so den treffenden Namen 'Sant' Angelo de Pescheria'.


Apropos Fisch, da ich ein wenig Hunger verspüre, probiere ich gleich nebenan im Ghetto in der Via del Portico D'Ottavia eine der leckeren Artischocken, gerade richtig als kleines prandium, wie der alte Römer die kleine Mahlzeit zwischendurch nannte. Hier gibt es viele kleine und gemütliche Restaurants, die sich durch das Ghetto bis zur Via Arenula ziehen, unter anderem die 'La Taverna del Ghetto', bei der ich mich ein wenig verwöhnen lasse, bevor ich meinen Spaziergang fortsetze.




Roma bella mi appare
 
Lieber nummis durensis,
der Gang mit Dir durchs antike Rom ist für mich sehr lehrreich und unterhaltsam. Du hast einige Details gezeigt, auf die ich bisher nicht geachtet habe. Danke für Deine Führung. Auch die Artischocken habe ich mit Dir genossen; beim letzten Romaufenthalt habe ich leider den Gang durchs Ghetto nicht geschafft.
 
Ich schließe mich Ludovico ROB einfach mal an - bis auf die Artischocken, da ist mir die allgegenwärtige Handpizza doch viel lieber. ;)
Vielen Dank für die interessanten Beschreibungen.
 
Lieber nummis durensis,
der Gang mit Dir durchs antike Rom ist für mich sehr lehrreich und unterhaltsam.
... beim letzten Romaufenthalt habe ich leider den Gang durchs Ghetto nicht geschafft.

Dafür waren wir in dieser Ecke täglich, da wir direkt dort gewohnt haben.
Vielen Dank auch von mir für die lockeren und sehr interessanten Berichte. Gerne gehe ioch mit Dir weiter durch Rom, bis ich selbst dazu komme, meinen Bericht fertig zu schreiben! ;)

Liebe Grüße

Angela
 
Ich freue mich sehr, dass es so gut gefällt; das macht mich jetzt ein wenig verlegen :blush:

Lieber nummis durensis,
der Gang mit Dir durchs antike Rom ist für mich sehr lehrreich und unterhaltsam. Du hast einige Details gezeigt, auf die ich bisher nicht geachtet habe.

Um so mehr freut's mich, dass ich mit dem ein oder anderen neuen 'Ausblick' erfreuen kann, was bei einigen 'alten Hasen' hier bestimmt nicht einfach ist. Aber das ist doch das schöne an solch' einem Forum: Man lernt voneinander. Mein römisches Blut (ja, hier in der Gegend gab's auch Römer) gerät in Wallung, wenn Diana mit Pfeil und Bogen (und Nudelholz) über die Via Sacra huscht, aber von vielem anderen in der ewigen Stadt hab' ich so viel Ahnung wie die Kuh vom Sonntag.

An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an all' die fleissigen aktiven Forumsmitglieder hier, vor allem aber auch für den herzlichen, freundlichen und unvoreingenommen Empfang. Dank euch schreibe ich bereits an einer neuen 'must-see-Liste' :)


Anm.: Mein "Spazierung durch Rom" ist natürlich nicht an einem Tag zu schaffen. Es sei denn, man macht es so wie die Griswolds...

Clark Griswold - Grand Canyon - YouTube

Ich bin einfach an einem meiner Lieblingsorte losgelaufen und entscheide dann immer spontan, wie und wo es weiter geht. Mal sehen, wann ich das erste Mal in den Bus oder die Metro steigen muss.
 
Mein römisches Blut (ja, hier in der Gegend gab's auch Römer) ...
Ja, die gab es hier - wohne ja selbst nicht ganz so furchtbar weit weg. ;)


... gerät in Wallung, wenn Diana mit Pfeil und Bogen (und Nudelholz) über die Via Sacra huscht, aber von vielem anderen in der ewigen Stadt hab' ich so viel Ahnung wie die Kuh vom Sonntag.
Ebenso geht es mir - mit umgekehrtem Vorzeichen: Von so ziemlich allem in der urbs hab' ich mehr Ahnung als von den Details ihrer Antike.
Abgesehen einzig von Dianas Nudelholz, versteht sich. :twisted:


Darum vermag ich mich Ludovicos Kompliment durchaus anzuschließen. :nod:
 
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Halo,nummis durensis,
bisher habe ich Deine Wege durch Rom aus der Stille mitverfolgt. Ich bin, was das antike Rom angeht, ein völliger Laie. Die Art, wie Du schreibst gefällt mir sehr :nod: Herzlichen Dank dafür und dafür!

Herzlichen Gruß
Padre
 
Nach diesen kulinarischen Es(s)kapaden wäre ich beinahe in eine meridiatio gefallen - so nannten die alten Römer ihr Mittagsschläfchen, und bevor mir noch Efeu um die Füsse wuchert, nehme ich die nächste Gasse rechterhand und stehe nach wenigen Schritten vor meiner unangefochtenen Nummer eins der römischen Brunnen.

Viel muss und sollte man über die Fontana delle Tartarughe auf der Piazza Mattei nicht schreiben und anstelle des oft zitierten "Brunnengedichtes" von C. F. Meyer möchte ich hier einfach nur meinen Lieblingsdichter Rainer Maria Rilke sprechen lassen:


Zwei Becken, ein das andre übersteigend
Aus einem alten runden Marmorrand,
und aus dem oberen Wasser leis sich neigend
zum Wasser, welches unten wartend stand,

dem leise redenden entgegenschweigend
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand
ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend
wie einen unbekannten Gegenstand;

sich selber ruhig in der schönen Schale
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,
nur manchmal träumerisch und tropfenweis

sich niederlassend an den Moosbehängen
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis
von unten lächeln macht mit Übergängen.











Nach dieser schwärmerisch poetischen Schweigeminute laufe ich noch die wenigen Schritte bis zur Via delle Botteghe Oscure. Das ist das Stückchen Strasse, das die Piazza Venezia mit dem Torre Largo Argentina verbindet, und das neuerdings auch per Schienenstrang der Tram Linea 8. Heute erinnert fast nichts mehr daran, dass hier auf dem Marsfeld einst die grössten Theater der Antike gestanden haben. Erst 1981 haben die Ausgrabungen am Theaterkomplex des Lucius Cornelius Balbus Minor begonnen und sinnigerweise hat man gleich ein kleines Museum darüber gebaut. Die Crypta Balbi ist das kleinste der vier Museen im Verbund des 'Museo Nazionale Romano'. Der kleine Obolus von sieben Euronen berechtigt gleich zum Besuch aller vier und gilt drei Tage.



Die Crypta ist architektonisch nett gestaltet; hier hat man erfolgreich moderne Elemente mit alten Steinen verkuppelt. Zwar findet man hier keine Sensationen, aber die Reste der Säulenhalle und Exedra im Untergeschoss sind recht eindrucksvoll.






In umittelbarer Nähe des Theaters befand sich die Porticus Minucia, damals eine der wichtigsten Anlaufstellen für die römischen Bürger. Hier war die Ausgabestelle der Getreiderationen an die Bevölkerung der Stadt. Die Verteilung des Korns erfolgte teilweise sogar kostenlos, war aber durch die Cura annonae nach guter alter Väter Sitte genau geregelt. Es gab sogar einen Praefecti annonae, der darüber wachte, dass das mühevoll aus den Provinzen herbeigeschaffte Getreide auch nur die römischen Bürger bekamen, die in Listen erfasst wurden. Die Münzen zeugen von der Wichtigkeit der Getreideversorgung; zahlreiche Prägungen zeigen die personifizierten Gottheiten Annona, Abundantia oder Ceres, die allesamt für's Korn zuständig waren. Als Beispiel ein Denar des Septimius Severus mit der rückseitigen Abbildung der Annona. Als Attribute hält sie Getreideähren und ein Füllhorn und stützt ihren Fuss auf einen Schiffsbug. Sie sollte bewirken, dass die Ernte in den Erzeugerländern gut ausfiel, die Getreideschiffe sicher das Meer überquerten und so die Bevölkerung von Rom satt wurde.





Ganz besonderst gefreut hat mich die Ausstellung eines Münzfundes in seinem Kontext; hier zählt nicht die einzelne Münze, sondern das Gesamtbild der Fundstelle, wo nicht nur Numismatisches entdeckt wurde. Schön schaurig, schaurig schön.




Roma bella mi appare
 
nummis durensis schrieb:
Viel muss und sollte man über die Fontana delle Tartarughe auf der Piazza Mattei nicht schreiben und anstelle des oft zitierten "Brunnengedichtes" von C. F. Meyer möchte ich hier einfach nur meinen Lieblingsdichter Rainer Maria Rilke sprechen lassen:
Ich korrigiere ungern: Beide Gedichte haben mit dem Schildkrötenbrunnen auf der Piazza Mattei nichts zu tun. Das Gedicht Conrad Ferdinand Meyers kann sowohl auf die beiden Brunnen auf dem Petersplatz bezogen werden als auch auf die Fontana dei Cavalli Marini in der Villa Borghese. Und Rilkes Gedicht "Römische Fontäne", das hier zitiert wird, trägt sogar den eindeutigen Untertitel "Borghese" und ist entstehungsgeschichtlich eindeutig von der Fontana dei Cavalli Marini angeregt. Eine Aufnahme, die das plausibel macht, findet sich hier VILLA BORGHESE.

Gruß
tacitus
 
nummis durensis schrieb:
Viel muss und sollte man über die Fontana delle Tartarughe auf der Piazza Mattei nicht schreiben und anstelle des oft zitierten "Brunnengedichtes" von C. F. Meyer möchte ich hier einfach nur meinen Lieblingsdichter Rainer Maria Rilke sprechen lassen:
Ich korrigiere ungern: Beide Gedichte haben mit dem Schildkrötenbrunnen auf der Piazza Mattei nichts zu tun. Das Gedicht Conrad Ferdinand Meyers kann sowohl auf die beiden Brunnen auf dem Petersplatz bezogen werden als auch auf die Fontana dei Cavalli Marini in der Villa Borghese. Und Rilkes Gedicht "Römische Fontäne", das hier zitiert wird, trägt sogar den eindeutigen Untertitel "Borghese" und ist entstehungsgeschichtlich eindeutig von der Fontana dei Cavalli Marini angeregt. Eine Aufnahme, die das plausibel macht, findet sich hier VILLA BORGHESE.

Gruß
tacitus

Das ist natürlich richtig und ich hätte den Hinweis dazusetzen sollen. Entstehungsgeschichtlich hat es keinen Bezug, aber man kann es wunderbar gedanklich transferieren, wie ich finde. :)

Danke für die ergänzende Erklärung.
 
Das ist natürlich richtig und ich hätte den Hinweis dazusetzen sollen. Entstehungsgeschichtlich hat es keinen Bezug, aber man kann es wunderbar gedanklich transferieren, wie ich finde. :)

Das geht mir mit diesen beiden Gedichten auch so und es gibt (nicht nur in Rom! ;)) herrliche Brunnen, wo man Gedicht und von Hand Geschaffenes gut in Einklang bringen kann.

Vielen Dank für diese Eindrücke! Sowohl der Schildkrötenbrunnen als auch die Crypta Balbi gefallen auch mir sehr!
 
Nach so vielen 'alten Steinen' muss ich unbedingt...... noch mehr alte Steine gucken und laufe von der Crypta Balbi den flammneuen Strassenbahnschienen entlang bis zum Largo di Torre Argentina.



Schon in der republikanischen Zeit lag hier ein kleiner Tempelbezirk, der in den 20'er Jahren des letzten Jahrhunderts ausgegraben wurde, wobei Wohngebäude und eine kleine Kirche, die dort standen, weichen mussten. Die Tempel selbst können nicht mit Sicherheit zugeordnet werden, doch hat man im Zuge der Grabungsarbeiten einen überlebensgrossen Kopf (1,46 m!) der Fortuna gefunden, so dass man zumindest den Rundtempel als Kultstätte der Glücksgöttin verifizieren kann. Leider hab' ich bisher nicht rausfinden können, wo das Köpfchen letztendlich gelandet ist.




Am westlichen Ende des Bezirks sieht man noch die armseeligen Überreste der riesigen Portikus des Pompeius, dem sich das gleichnamige Theater anschloss. Das Pompeiustheater, 55 v. Chr. eingeweiht, war das älteste und grösste der Stadt; Plinius bezeugt eine Kapazität von nicht weniger als 40000 Plätzen. Die Portikus war, Ovid folgend, ein beliebter Ort zum 'Baggern', ebenso zum Abkühlen an heissen Sommertagen und noch heisseren Flirts. Ovid spricht sogar von der Pompeiae umbrae, dem 'Schatten des Pompeius', wohl eher der Grösse des Prachtbaus als der Erfolglosigkeit der Liebschaftssuchenden wegen. Der Portikus angeschlossen waren zahlreiche Räume und Säle, von denen einer eine welthistorische Bedeutung erlangt hat: In der Curia Pompei, die wie die Kurie auf dem Forum für Senatsitzungen bestimmt war, wurde an den Iden des März 44 v.Chr. Caesar gemeuchelt.

Auf der Tafel bekommt einen Eindruck von der einstigen Grösse des gesamten Bereichs: Rechts unten unter dem mit rot eingekreisten Tempelbezirks des Largo Argentina lag das Theater des Balbus, links die riesige Portikus des Pompeius mit dem angeschlossenen Theaterbau.


Der kleine Tempelbezirk liegt ein ganzes Stück unter dem heutigen Strassenniveau. Leider darf man nicht hinabsteigen, was allerdings den vielen possierlichen Grossstadttigern, die sich im Schatten der Ruinen räkeln, gerade recht ist. Hier finden sie nicht nur ein Plätzchen der Ruhe, sondern auch ihr Futter, das gute Menschenseelen dort für sie bereitstellen, was dem Platz seinen landläufigen Namen 'Katzenforum' eingebracht hat. Anscheinend hat sich das in Katzenkreisen schnell herumgesprochen, denn es gibt viele dort, auch wenn man mal nur wenige oder gar keine sieht. Nicht alle sind so fotogen und postieren sich auf Kommando in Reichweite der Kameralinse. Ausnahmen bestätigen die Regel.



Leider ist der Platz im Laufe der Zeit zu einem touristischen Verkehrsknotenpunkt mutiert. Seit vor kurzer Zeit die Endhaltestelle der Tram auf die Piazza Venezia verlegt wurde, hat es sich gottlob ein wenig entschärft.



Und wie gewohnt findet man nur einen Steinwurf entfernt eine kleine Oase der Ruhe inmitten der Grossstadthektik. Direkt an der ersten Tramhaltestelle Richtung Tiber liegt die Piazza Cairoli, die vor allem am Morgen zu einem kurzen 'chill-out' einlädt - garantiert mit freien Bänken und ohne Schlangestehen. Findige Einheimische nutzen die hübschen alten Bäume, um die ein- oder andere Geschäftsidee zu verwirklichen... mein Freund, der Baum.





Roma bella mi appare
 
Lieber nummis durensis,
vielen Dank, dass ich dich auf deinem Spaziergang durch Rom begleiten darf! Seit meinem Besuch im vergangenen Jahr habe ich mir vorgenommen, mich mehr mit dem antiken Rom (und dem, was davon noch zu sehen ist) zu beschäftigen. Dein Weg durch die urbs füllt meine "To-see-Liste" ziemlich rasch ;)
 
Lieber Nummis Durensis,
wieder einmal ein interessanter Abschnitt. Besonders den Plan habe ich mir gut angesehen. Er macht deutlich wo ganau die bekannten Objekte der Antike standen.
 
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