Bericht: "Ins Land der Franken fahren …"

Pasquetta

Magnus
Stammrömer

"Ich will zur schönen Sommerszeit
ins Land der Franken fahren ..."

so heißt es in einem, in dem Frankenlied. Das und das Erinnern an warme Sommersonnentage soll helfen, ein wenig dem derzeitigen trüben November, wenigstens in Gedanken, zu entfliehen. Außerdem wurden hier schon mehrmals die Schönheiten Frankens beschrieben und wunderschön bebildert, so dass auch ich meinen - bescheidenen - Teil dazu beitragen möchte.

Auf den Spuren der Schönborns
und ihrer Baumeister
in Franken

Wo Franken liegt, das wissen wir. Aber wer waren die Schönborns und ihre Baumeister? Das heraus zu bekommen und Teile des schönen Frankenlandes kennen zu lernen, dazu nehmen wir das Angebot der diesjährigen Fahrt des hiesigen Ortskuratoriums der DSD gerne an und sind gespannt, was wir dabei entdecken werden.​

Am Dienstag, 31.07.2012 frühmorgens bringt uns der ICE vom quirligen Hauptbahnhof in Frankfurt
– nach einer stressigen U-Bahn-Fahrt: 13 Minuten Verspätung, schaffen wir es noch rechtzeitig zum Treffpunkt? ja, und auch der Zug nach Würzburg hat Verspätung - in einer guten Stunde nach Würzburg. Dort steigen wir in den Regionalzug nach Bamberg um und befinden uns schon mitten in Franken: weite hügelige Landschaft breitet sich neben der Bahnstrecke aus, kleine Ortschaften - erster Hinweis: die typisch fränkischen, spätgotischen „Echter-Spitzen“, benannt nach dem Fürstbischof Julius Echter, die noch viele Kirchtürme des ehemaligen Fürstenbistums Würzburg zieren.

In Bamberg weint der Himmel ein paar Tränen, was uns aber nicht weiter stört, denn wir werden mit dem Bus zum Domplatz hoch gefahren. Und schon scheint wieder die Sonne auf den weiten Platz, die Residenz und den Dom, dessen 1000jähriges Bestehen (des ersten Doms) dieses Jahr – auch von entsprechend vielen Touristen - gefeiert wird.

Der weite Domplatz eingerahmt von Dom, Alte Hofhaltung mit der Schönen Pforte und Neue Residenz, wird nicht umsonst als einer der schönsten Plätze Deutschlands bezeichnet und repräsentiert über sechs Jahrhunderte Kunst und Geschichte. Hier auf dem Domberg stand die Burg der Babenberger, hier baute Heinrich II. den ersten Dom und hier stand die Kaiser- und Bischofspfalz.


Die Alte Hofhaltung – mit ihrer mächtigen Renaissancefassade, mit Fenstererker und Treppengiebel und der Schönen Pforte wie ein Triumphbogen.



Über dem Mittelbogen: die Muttergottes, hinter ihr das Dommodell, getragen vom Stifter Heinrich II. und seiner Frau Kunigunde, neben ihnen die Patrone des Domes, der hl. Petrus und der hl. Georg. Seitlich lagern ein Mann und eine Frau – Allegorien für die beiden für Bamberg wichtigen Flüsse: der Main – träge, wie der ruhende Hund an der Seite des Mannes - und die Regnitz – lebhaft, wie das spielende Kind bei der Frau.


Die Neue Residenz – zu Beginn des 17. Jh. im Renaissancestil begonnen. 1695 treten dann „die Schönborns“ auf: Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn, dem wir auf unserer Fahrt durch Franken immer wieder begegnen werden, lässt den älteren Teil der Residenz umbauen und plant, den Domplatz mit einem repräsentativen Neubau einzurahmen. Dabei hatte er dem Domkapitel bei seiner Wahl schriftlich zusichern müssen, keine kostspieligen Neubauten errichten zu lassen. Aber nicht umsonst sagte man, der Fürstbischof sei vom „Bauwurm“ befallen. Angeblich äußerte er sich selbst so dazu: „Das Bauen ist eine Lust und kostet viel Geld, aber einem jeden Narren seine eigene Kappe gefällt.“ Das könnte für die ganze Familie Schönborn stehen, die Franken mit vielen herrlichen Barockbauten beglückte. 1697 erklärte der Papst die schriftliche Zusicherung Schönborns für ungültig und Lothar Franz konnte die Residenz bauen lassen. Die Pläne dazu erstellte der Hofarchitekt Leonhard (Johann) Dientzenhofer.

Die Bamberger Residenz wirkt im Vergleich zu anderen Barockbauten fast streng, nur Portal und Dachausbauten setzen Akzente. Bis auf den vierstöckigen Eckturm sind alle Flügel dreigeschossig. Als Baumaterial wurde nur bester Sandstein aus der Gegend verwendet. Für das Dach wurde Schiefer aus Thüringen verarbeitet, ein teures Material, das für Schlösser und wichtige Kirchen verwendet wurde.

Der Dom – aus dem frühen 13. Jahrhundert – entstanden zwischen Romanik und Gotik.

Adamspforte

Während der Domführung durften wir gleich Bekanntschaft machen mit der frech-fröhlichen Art der Franken. Wortgewandt in fränkischem Tonfall, angereichert mit vielen lustigen Anekdoten und doch professionell im geschichtlichen und kunsthistorischen Teil erklärte uns die junge Dame den Dom, seine Baugeschichte und Kunstschätze.

Bamberg – das Rom des Nordens: auch am Dom kann man diese Bezeichnung festmachen. Heinrich II. ließ ihn wie drei der vier Hauptkirchen Roms (der Petersdom, S. Giovanni in Lateran und S.Maria Maggiore) mit der Apsis „westen“ (d.h. eigentlich hat er zwei Chöre, den West- und den Ostchor), er ist ebenfalls dem hl. Petrus geweiht und die Stadt, wie Rom, ist auf sieben Hügeln erbaut. Und um noch einmal auf die Residenz zurück zu kommen: Schönborn beauftragte Leonhard Dientzenhofer in diesem Prachtbau das Kolosseum anklingen zu lassen – dreigeschossig mit angedeuteten dorischen, ionischen und korithischen Säulen. Nicht nur Heinrich II., auch die Barockbaumeister schauten nach Rom.


Und nun zum Dom: Im Westchor hinter dem Bischofsstuhl das Grab des Papstes Clemens II., das einzige erhaltene Grab eines Papstes nördlich der Alpen. Clemens war Bischof von Bamberg gewesen und der Stadt liebevoll verbunden, so dass er hier auch sein Grab haben wollte.
Am Westchor steigen wir zur Westkrypta hinab. Dort hatte man 1990 begonnen, im Zuge des Baues einer Bischofsgrablege, den nach dem Brand von 1185 mit Bauschutt aufgefüllten und zugeschütteten Raum wieder frei zu legen. Untersuchungen ergaben, dass die aufgefundenen Mauerreste zur Gründungskathedrale Heinrichs II. gehören.
Im ganzen Dom sind z.Zt. moderne Kunstwerke aufgestellt oder aufgehängt. Im Faltblatt dazu heißt es: „Der Titel der Ausstellung „gegenüber“ ist zugleich ihr Programm. Den im Dom befindlichen Kunstwerken treten temporär Arbeiten zeitgenössischer internationaler Künstler gegenüber. Dadurch erscheint Altbekanntes in einem neuen Licht, bisher Unverstandenes erhält einen überraschenden Zugang. In den Kunstwerken korrespondieren Vergangenheit und Gegenwart, aber auch das Sichtbare und das Unsichtbare, Himmel und Erde, ja letztlich der Mensch und sein Gott.“ Und so treffen wir u.a. an exponierter Stelle – über dem Kaisergrab – auf „moderne Kunst“ des Frankfurter Künstler Hans Steinbrenner.


Tilman Riemenschneider schuf für das heilig gesprochene Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde dieses prächtige Hochgrab. Die Deckplatte zeigt das kinderlos gebliebene Ehepaar, mit den Reichsinsignien, auf Kissen ruhend.


Kunigunde liegt auf der „schönen“, privilegierten Seite, zur Rechten Heinrichs. Sie war – und ist noch heute – vom Volk hochverehrt. (Fromme Bamberger sind noch heute davon überzeugt, dass Kunigunde mit ihrem Schleier, den sie als Nebel über die Stadt legte, diese vor den alliierten Bombenangriffen bewahrt hat.) (Die Wahrheit ist profaner: der Weihbischof Landgraf konnte den SS-Führer Martin überzeugen, von unsinnigen Verteidigungsaktionen abzusehen. Durch dieses Übereinkommen konnte eine Bombardierung der Stadt abgewendet werden.)

Das Grab besteht aus Solnhofener Kalkstein und zählt zu den schönsten Werken Riemenschneiders. Er hat es mit bekannten Szenen aus dem Leben der beiden Heiligen geschmückt. Sie werden wie die Menschen ihrer Zeit dargestellt, wie die Pilger, die zu ihrem Grab und zu den Reliquien kamen.


Kunigunde beweist mit ihrem Gang über die glühenden Pflugscharen ihre eheliche Treue, während der an ihr zweifelnde Heinrich sich bereits der ihm eingeflüsterten Verleumdung bewusst zu sein scheint. (Dieses „Gottesurteil“ war im Mittelalter nicht ungewöhnlich. Nachdem die Angeklagten über glühende Eisen gegangen waren wurden nach einigen Tagen die unbehandelten Brandwunden vom Verband freigelegt. War der Wundbrand infiziert galt das Gottesurteil als negativ, war ein Heilungsprozess sichtbar hatte die betreffende Person die Probe bestanden. So einfach war es und so rauh waren die Sitten.)



Auf dem zweiten Bild wird das Pfennigwunder dargestellt: Kunigunde verteilt den redlichen Lohn an die Bauhandwerker der von ihr gestifteten Stephanskirche, nur einer „bedient sich“ unredlich und verbrennt sich im wahrsten Sinne des Wortes die Finger.


Von Heinrich wird berichtet, wie er in Montecassino vom hl. Benedikt höchstpersönlich von seinem schmerzhaften Blasensteinleiden geheilt wurde. Dieser operative Eingriff soll der Legende nach auch der Grund für die Kinderlosigkeit des Kaiserpaares sein, da dabei auch andere Organe betroffen waren.


Die zweite Szene stellt die Seelenwägung Heinrich II. dar: der hl. Laurentius gibt des Ausschlag mit dem vom Kaiser gestifteten Messkelch. Die Waagschale der guten Taten senkt sich zu seinen Gunsten, der „Teufel“ ist zu leicht befunden.


Das Kaisergrab stand bis 1970 in der Mitte des Domes, genau in Blickrichtung des Bamberger Reiters. Hat das etwas zu bedeuten? Blickte der junge schöne Adlige auf das heilige Kaiserpaar? Wer ist er? König Stefan von Ungarn, der Schwager Heinrich II., der angeblich durch die Hochzeit mit Heinrichs Schwester Gisela zum Christentum übergetreten ist und mit ihm das ganze Ungarnvolk? Warum wurden der elegante, selbstbewusste Reiter und sein Pferd so hoch oben angebracht, auf einer Konsole mit Pflanzenmaske, erstarrt in der Bewegung? Nicht alle Geheimnisse müssen entschlüsselt werden.


Wir verlassen den doppelchorigen Dom, in dem schon immer auch visuell Bewegung zu erfahren war: in den verschiedenen Chören und an den verschiedenen Altären wurde die liturgischen Feste mit Umzügen dorthin gefeiert. Die Gemeinde und ihre kirchlichen Repräsentanten waren gemeinsam unterwegs, in Bewegung.

Marienpforte

Auch wir bewegen uns, wieder Richtung Bus – vorbei an der Marienpforte - mit der „Domgröte“ die eigentlich ein Löwe ist und noch von den Stufen des ersten Domes stammt.


Der Volksmund machte aus den Domstufen (=Domgreden) „Domkröten“, die der Sage nach zusammen mit einem Lindwurm der Teufel geschickt hatte, um den Dombau zu verhindern (natürlich hatte wieder einer der Dombaumeister seine Seele an den Teufel „verkauft“, um schneller, besser und höher zu bauen als der andere). Nachdem der Lindwurm gebannt war, versteinerten die Kröten und „zieren“ noch immer die Portale - und der Fürstenpforte.

Fürstenportal

Leider blieb keine Zeit das berühmte „Schlenkerla“ aufzusuchen und das ebenso berühmte Rauchbier zu verkosten. Das muss also noch nachgeholt werden!



Die nächste Station wird Schloss Weißenstein in Pommersfelden sein...
 
Liebe Pasquetta,

ganz herzlichen Dank für den Beginn Deines Berichts mit den wunderbaren Fotos!:thumbup: :thumbup: :thumbup:

Aber:
Pasquetta schrieb:
Wo Franken liegt, das wissen wir.

Na, so einfach ist es nun wirklich nicht :~ :~ :~. Selbst Christian Ude versetzte Aschaffenburg nach Oberfranken statt nach Unterfranken! :~ ;) :lol:. Aber über allem steht natürlich Mittelfranken! :]
 
Zuletzt bearbeitet:
Es freut mich, dass Ihr schon mitlest :nod: und:

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... leider konnte ich den Beitrag eben nur überfliegen
Macht nichts ;) - Eile mit Weile, ich habe ja erst begonnen mit erzählen. :~

Aber:
Pasquetta schrieb:
Wo Franken liegt, das wissen wir.

Na, so einfach ist es nun wirklich nicht :~ :~ :~.

Ich gebe mir Mühe :~ :twisted: und habe durch "abtrünnige" Söhne gelernt ;) (einer ist in Mittelfranken, einer in Unterfranken und die Freundin aus Oberfranken :~)!

Gruß
Pasquetta
 
Fortsetzung der "Frankenfahrt", Dienstag, 31.07.2012


Weiterfahrt nach Pommersfelden zum Schloss Weißenstein und für eine Übernachtung zum dortigen Hotel, dessen Zimmer sehr schön in den früheren Wirtschaftsgebäuden untergebracht sind, mit Blick hinaus auf die Wiesen und die leicht hügelige Landschaft rund um das Schlossgelände.


Bei einer anschaulichen Führung durch das Schloss Weißenstein erfahren wir Interessantes und Beeindruckendes über die Schönborns und ihren prächtigen Sommersitz. Leider herrscht im Schlossinneren absolutes Fotografierverbot, da der Besitz Privateigentum ist und - wie die nette Schlossführerin meinte - auch wir es sicher nicht gerne haben, wenn Fremde fotografierend durch unser Haus ziehen...


Stellen wir uns also vor: Lothar Franz von Schönborn hat in seine Sommerresidenz geladen. Ein heiterer Mensch soll er gewesen sein, liebenswürdig, klug, ein „barocker“ Genussmensch, rundlich und wohlgenährt blickt er von den Gemälden, der Kurfürst-Erzbischof von Mainz und Fürstbischof von Bamberg. Und nach eigenem Bekunden befallen vom „Bauwurm“. 1710 hatte er bei dem Dorf Pommersfelden ein Wasserschloss geerbt. Die Landschaft bezeichnete er als schön, aber diese „speluncam latronum“, diese Räuberhöhle, entsprach nicht seinem Repräsentationsansprüchen. Alle Gebäude sind „ganz vermorscht und verfaulet“. Außerdem verlief die Lehensgrenze durch das Gebiet des Wasserschlosses und auch die Residenz in Bamberg war nicht so prächtig geraten, wie er es sich gewünscht hatte. Also stand bald fest, ein ganz neues Schloss zu bauen. Der Entschluss wurde noch begünstigt, durch ein Geldgeschenk des Kaisers in Wien. (Lothar Franz von Schönborn hatte bereits 1707 die protestantische Prinzessin Elisabeth-Christine von Braunschweig „vom rechten Glauben“ überzeugt, so dass sie konvertierte und Karl, der spätere Kaiser, seine Elisabeth heiraten konnte. Und als Lothar Franz den umstrittenen Habsburger auch noch bei der Wahl auf den Thron verhalf, revanchierte dieser sich mit 100.000 Gulden. (Der höchstbesoldetste Beamte des Hofstaates hätte dafür fast 21 Jahre arbeiten müssen.)


Den Bauplatz für das neue Schloss fand man auf einer leichten Anhöhe südöstlich des Dorfes. Im Oktober 1711 wird der Grundstein gelegt.
„Über dem Pommersfeldischen riss bin ich mit meinem Bamberger baumeister begriffen und will erweisen, dass man auch hierzulanden etwas hübsch machen kann.“ schrieb Lothar Franz seinem Neffen nach Wien. Der genannte Baumeister ist Johann Dientzenhofer, (der jüngere Bruder von Leonhard) den Lothar Franz sogar nach Wien (und auch nach Italien) schickte, damit er den dortigen Architekten ein bisschen über die Schulter schauen solle. Die „herren virtuosi“, die Wiener Baumeister, mussten jedoch feststellen, dass Johann Dientzenhofer „schon alles weiß“.
Johann Dientzenhofer hat von Anfang an die Planung, zu seiner Unterstützung werden Johann Lukas von Hildebrandt und Maximilian von Welsch hinzugezogen. Die ersten Entwürfe sind so gewaltig, dass sogar der vom „Bauwurm“ besessene Lothar Franz bremst, denn „nicht allzeit werden fürsten alldahr wohnen“. Trotzdem ist er der Ansicht, dass durchaus etwas Besonderes entstehen solle „zur freudt und gemächlichkeit des hausherren“. Außerdem denkt er auch an „zukünfftige weib und kinder“, denen er ein „recht schönes und gemachliches cavaliershaus“ hinterlassen will.


Das Treppenhaus seines Schlosses entwirft der Fürstbischof selbst. Er stößt auf Kritik – auch bei renommierten Architekten – doch er beharrt auf die Verwirklichung: „Meine Stieg muß bleiben, als welche von meiner invention und mein meisterstuck ist.“ Er erklärt sich jedoch bereit, den Rat des Wiener Architekten Hildebrandt anzuhören, der auf einer Reise nach Mainz in Pommerfelden vorbei kommt.
Das Treppenhaus wurde die größte Attraktion des Schlosses, eines der bedeutendsten Treppenhäuser der Barockzeit überhaupt. 8000 Kubikmeter umbauter Raum dient der Hofzeremonie. Das Ansehen des Gastes wird darin deutlich, wie weit der Fürstbischof dem Ankommenden entgegengeht, auf welcher Stufe er stehen bleibt oder ob er sogar ganz oben, an der Balustrade gelehnt, auf den Gast wartet. Es war ein ausgeklügeltes „Treppentheater“, wer wo seinen Bückling machen musste und wie viele Schritte er zu tun hatte.


Hier unten wäre das Portal,
durch das die Kutschen in das "Stiegenhaus" fahren konnten
.

Nach 6 Jahren ist der Rohbau fertig, ein weiteres Jahr brauchen die Innenausstatter. Der kaiserliche Hofmaler Rottmayr wird für den Weißen Saal verpflichtet. Rottmayr war gerade geadelt worden, trug nun den Titel „von Rosenbrunn“ und reiste mit Gefolge an, was man bei Handwerkern und Künstler nicht gewohnt war. Spöttisch vermerkten die Franken, dass „der Rottmeyr von Rosenbrunn und malerei-wurmbockshausen mit seinem weib, tochter und tochtermann, einem bedienten, einem hund und 24 kisten angelangt sey.“ Peinlich war Lothar Franz darauf bedacht, nur das Beste zu bekommen. Und seine Erleichterung war groß, als sogar der wichtige französische Architekt Germain Boffrand feststellte, dass es selbst in Frankreich nichts Vergleichbares gäbe.


Stellen wir uns nun weiter Folgendes vor: Die Türen zum zweistöckigen, sonnig ockerfarben schimmernden Treppenhaus sind weit geöffnet. Wir blicken hoch zum farbenfrohen Deckenfresko von Johann Rudolf Byss - auf dem sich der Götterhimmel öffnet, ausgespannt zwischen den vier damals bekannten Erdteilen - und blinzelt uns da nicht der Künstler selbst zu?,- dann gehen wir nicht, sondern wir schreiten angemessenen Schrittes die Stufen des prächtigen Treppenhauses hinauf. Der berühmte Weiße Saal ist leider z.Zt. nicht zugänglich. Macht nichts, die anderen Räume sind ebenso beeindruckend. In der fürstlichen Gemäldegalerie - die noch von den heutigen Besitzern gepflegt wird - kann man die Sammelleidenschaft des Erbauers ahnen. Von den 2000 Gemälden, die Schönborn in seiner ungehemmten Kunstleidenschaft erworben hat, sind noch über 800 Exponate erhalten, darunter Gemälde von namhaften Künstlern wie van Dyck, Tizian, Rubens, Brueghel und Dürer – oder einfach nur schöne Bilder, wie die beiden uns zur genaueren Betrachtung empfohlenen Stillleben mit einer Fülle von wunderschönen Blumen, Früchten, Insekten und Schmetterlingen in allen Farben und Schattierungen.
Auch das wertvoll Gemälde "Susanna und die beiden Alten" von Artemisia_Gentileschi, eine der ganz wenigen Malerinnen ihrer Zeit, kann wieder an seinem angestammten Platz bewundert werden. Es befand sich bis vor kurzem auf einer Sonderausstellung "Roma al tempo di Caravaggio" im Palazzo Venezia in Rom. Nun ist es wieder unversehrt zurück im Schloss Weißenstein und erzählt anrührend im Bild der biblischen Susanna, die von den beiden Alten zu unrecht der Unzucht angeklagt wird, indirekt vom Schicksal der Malerin selbst. Auch ihr gelang es ebenso nicht, ihre Unschuld zu beweisen und sie musste sich im Laufe der Ermittlungen und nach damaligen Gebräuchen demütigenden Folterungen und Untersuchungen unterwerfen. Das Thema der „Susanna und die beiden Alten“ taucht im künstlerischem Schaffen von Artemisia Gentileschi immer wieder auf.

Der Goldene Saal – das Nussbaumkabinett – wir schreiten über eingelegte Fußböden, müssen uns zurückhalten, über die kostbare Wandtäfelung zu streichen – fotografieren ist sowieso verboten – das Spiegelkabinett – halt - hier hinein muss noch ein zweiter Blick möglich sein: das verhältnismäßig kleine, aber sehr repräsentative Spiegelkabinett ist vom Kunstschreiner Ferdinand Plitzner mit wunderbaren Intarsien ganz ausgelegt worden. Es soll das älteste noch vollständig erhaltene Spiegelkabinett sein und erstrahlt noch immer im Glanz seiner Spiegel.
Das Schlafzimmer – das Arbeitszimmer mit kostbaren chinesischen Vasen und Miniaturen und einem Schreibtisch, auf dem Schildplatt-Einlegearbeiten glänzen – das Speisezimmer mit einer gedeckten Tafel - die üppige Porzellandekoration in Form einer Gartenanlage, verschiedene schöne dünnwandigen Trinkgläsern und das Extra-Sahne-Tässchen für kleine Naschereien bei jedem Gedeck - das alles gibt Einblicke in den herrschaftlichen „Alltag“ seiner Zeit.

Und dann gibt es noch ein Glanzstück in diesem Schloss, auf das Lothar Franz von Schönborn besonders stolz war: die Sala terrena, der Gartensaal. Die aufwändig gestaltete Muschelgrotte gilt als eines der wenigen erhaltenen Beispiele von Grottenarchitektur und noch dazu in einer solchen Qualität. Johann Dientzenhofer plante hier ein freitragendes Gewölbe mit enorm dicken Mauern, das den darüber liegenden Marmorsaal tragen musste. Der Gartensaal ist im Verhältnis zu seiner Größe ziemlich niedrig und wirkt dadurch wie eine Grotte. Aber wie wurde diese ausgeschmückt! Glaskugeln (urspünglich aus Murano), Perlmutt, Spiegeln, schimmernde und glänzende Steinchen und Muscheln zu Fischen und allen möglichen Wassertieren zusammengesetzt und an die Wände dekoriert, bei Kerzenlicht sicher ein tausendfaches Glitzern und Funkeln.


Schloss Weißenstein bei Pommersfelden gehört zu den vornehmsten Schlossbauten des 18. Jahrhunderts. Vermutlich liegt es an der abgeschiedenen Lage, dass es weitgehend original erhalten ist. Noch heute befindet es sich im Besitz der Schönborns, die dort ihren Sommersitz haben.



Im gegenüberliegenden Marstall ist ein Teil des Hotels- und Restaurantbetriebes untergebracht. Der ursprünglich als Barockgarten geplante Park, den Balthasar Neumann vollenden sollte wurde im ausgehenden 18. Jh. in einen englischen Landschaftspark umgewandelt. Gegen einen kleinen Obolus hätte man in ihm lustwandeln können.


Wir sind nur noch ein bisschen auf dem Schlossgelände spaziert, haben die Außenansicht dieser prächtigen Sommerresidenz bewundert und die vielen Eindrücke erst einmal sinken lassen, bevor wir uns zum Abendessen ins Schlossrestaurant begeben haben. Dieses Ambiente, Essen und Trinken und die Gespräche haben den ersten Tag auf den Spuren der Schönborns gut abgeschlossen. Der Wind spielt in der großen Linde vor dem Hoteltrakt, die schöne Stimmung einer lauen Sommernacht liegt über dem Schlosshof.




Morgen fahren wir dann weiter durchs schöne Frankenland...
 
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VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

-> leider reichte es eben auch wieder nur für ein "Überfliegen" des Textes - aber allein schon die schönen Bilder machen viel Spaß ...
 
Schön diese beiden Wirkstätten der Schönborns, die ich ja auch in diesem Jahr besucht habe, aus einem etwas anderen Blickwinkel wiederzusehen.

Vielen Dank Pasquetta
 
Liebe Pasquetta,

ganz herzlichen Dank für diese tolle Fortsetzung Deines Berichts! :thumbup:
Ups, ich kenne meine Heimat nicht wirklich gut! :blush:

Liebe Grüße
dentaria
 
Schloss Weißenstein habe ich in diesem Jahr auf unserem Weg zum Forentreffen besucht. Die Führung war gut, aber Pasquettas Ausführungen liefern deutlich mehr Informationen, wofür ich mich nochmals bedanke.

Das Treppenhaus ist wirklich prächtig. Balthasar Neumann und Tiepolo haben es besichtigt, bevor sie an die Konstruktion die noch größere und prächtigere Treppenanlage der Residenz in Würzburg gingen. Die Ähnlichkeit war für mich aber frappierend.

Die im Bamberg Kapitel angesprochene frech-fröhliche Art der Franken wirkt manchmal sehr scharfzüngig und zynisch. Nicht umsonst liegt die "bayrische" Karnevalshochburg Veitshöchheim in Franken.

Dass Kunigunde rechts von Heinrich liegt, finde ich normal. Schließlich ging ein Kavalier links der Dame. So konnte er mit der meist stärkeren Rechten schnell den Degen auf seiner linken Seite ziehen und die Dame im Bedarfsfall schützen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Asterixinchen, dentaria und Ludovico
danke für Eure Rückmeldungen :nod:

Schön diese beiden Wirkstätten der Schönborns, die ich ja auch in diesem Jahr besucht habe, aus einem etwas anderen Blickwinkel wiederzusehen.

Es folgen noch weitere Schönheiten, die wir dem "bauwurmbefallenen" Schönborns verdanken. ;)

Ups, ich kenne meine Heimat nicht wirklich gut! :blush:

dentaria, kein Grund für :blush: (für meine nähere Umgebung könnte auch ich nicht die Hand ins Feuer legen :~) Wenn die Fotos aussortiert sind folgen weitere "schönbornsche Schönheiten". Du kannst sie ja dann als Anregung für Spontanausflüge in Deine nähere Umgebung nehmen. :]

Gruß an alle die mitlesen
Pasquetta


 
Danke, Ludovico, für Deine ergänzenden Ausführungen :!:

Die Führung war gut, aber Pasquettas Ausführungen liefern deutlich mehr Informationen, wofür ich mich nochmals bedanke.
:blush: Zuviel der Ehre ;) Ich muss nach einer Reise immer nochmal nachlesen, dann kann ich sie doppelt genießen.

Die im Bamberg Kapitel angesprochene frech-fröhliche Art der Franken wirkt manchmal sehr scharfzüngig und zynisch. Nicht umsonst liegt die "bayrische" Karnevalshochburg Veitshöchheim in Franken.
Das könnte wohl wahr sein (soviel Erfahrung mit Franken habe ich - noch - nicht). Veitshöchheim kommt später noch - und das "scharfzüngige Karnevalistische" wird, meiner Meinung nach, zur Fastnachtszeit eventuell und manchmal durch die Altneihauser Feierwehrkapell'n überboten. :lol:

Schließlich ging ein Kavalier links der Dame. So konnte er mit der meist stärkeren Rechten schnell den Degen auf seiner linken Seite ziehen und die Dame im Bedarfsfall schützen.
So ist es gut (oder sollte es sein :~) im realen Leben ;), aber die "schöne Seite" auf dem (Toten-)Ruhebett finde ich auch schön. (Übrigens ist mir aufgefallen, dass auch die Grabmale in der Abtei_Fontevrault so angeordnet sind: rechts vom Herrn die Dame.)
 
Mittwoch 01.08.2012

Man schläft gut in den Schlosshotelbetten und das reichhaltige Frühstück schmeckt in der gesunden Landluft ausgezeichnet.

Ein feiner Dunstschleier liegt über dem Schlosshof. Die mächtige Linde vor dem Hoteltrakt erstrahlt in leuchtenden Grün. Was für eine schöne Morgenstimmung.

Wir sind durch die von der Morgensonne erhellte Landschaft auf der Fahrt nach Ebrach, hügelige Felder und Wald wechseln ab, Bauerngärten voll Sommerblumen und Gemüse, Getreidefelder gesprenkelt mit Kamille und leuchtend roten Mohnblumen, Maisfelder in denen Sonnenblumen blühen und am Wegrand sonnengelber Rainfarn – wieder die für die fränkische Landschaft typischen spitzen Kirchtürme, „Echter-Spitzen“. Wie heißt die Landschaft, durch die wir hier fahren: ist es noch der an Karpfenweihern reiche Aischgrund oder schon der Steigerwald?

Ebrach – der Name setzt sich zusammen aus „Eber“ und „Bach“, was sich später noch aufklären wird.
Wir werden eine professionelle Führung durch die Klosterkirche und Teile der Klostergebäude haben.

Aber noch ist Zeit, vorher einen Rundgang durch den Abteigarten zu machen, zum Herkules-Antäusbrunnen und vorbei an den blühenden Rosenrabatten.




Mitten in der Abgeschiedenheit eines Tales umgeben von Wäldern gründete der fränkischen Edelfreie Berno 1127 das erste rechtsrheinische Zisterzienzerkloster, in das Mönche aus Morimond kamen. Der erste Abt, Abt Adam, war in kirchlichen und weltlichen Kreisen sehr einflussreich. Er war Vertrauter des heiligen Bernhard von Clairvaux, für Konrad III. unterwegs und stand in Kontakt mit Hildegard von Bingen. Unter ihm erlebte das Kloster eine erste Blütezeit. Umfangreiche Schenkungen des fränkischen Adels und der Fleiß der Zisterziensermönche vermehrte den Wohlstand.







Die erste Klosterkirche dürfte die kleine Michaelskapelle gewesen sein, geweiht am 7. Oktober 1134 und erneuert mit dem Baubeginn der großen Klosterkirche.



Die Michaelskapelle ist eines der bemerkenswertesten Bauwerke dieser Zeit auf deutschem Boden, noch romanisch begonnen zeigt sie schon frühgotische Elemente nach der Art, wie die Zisterzienser im Burgund bauten. Sie war als Grablege für den Klostergründer Berno gedacht. Aber die Geschichte, wieso Kloster Ebrach ausgerechnet hier an dem Bachlauf entstand, ist auch hörenswert.


Die Legend sagt, eigentlich sollte an einer anderen Stelle gebaut werden, aber nachts haben zwei Kröten – wie schon in Bamberg wieder diese Tiere – das Erbaute wieder zum Einsturz gebracht, so dass kein Fortgang des Baues möglich war. An einer anderen Stelle – eben jener, wo jetzt die Klosterkirche steht – habe zur gleichen Zeit ein Eber einen goldenen Abtsstab aus dem Boden gewühlt. Da erkannte man Gottes Fingerzeig und wusste, wo man bauen sollte. Der Altar der Kirche wurde dort errichtet, wo der Abtsstab lag, den Eber nahm man ins Klosterwappen auf und der Name des Ortes war gefunden: Eb(e)r(b)ach.


1200 wurde dann mit dem Bau der neuen Klosterkirche begonnen, die 1285 geweiht wurde. Außen nüchtern und ohne besondere Bauzier veränderte sich die Art zu Bauen jedoch mit der Zeit auch bei den Zisterziensern. Schon mit der mächtigen Fensterrose (Kopie, das Original befindet sich im Bayerischen Nationalmuseum in München) verstießen die Mönche gegen ihre Auffassung von Askese. (Bernhard von Clairveaux wetterte gegen den beginnenden Bauluxus. Ein interessantes Zitat aus einer Streitschrift von 1123: „„Ich übergehe der Kirchen ungeheure Höhe, maßlose Länge, überflüssige Breite, verschwenderische Steinmetzarbeit und die Neugier reizenden Malereien, die den Blick der Betenden auf sich lenken und die Andacht verhindern und für mich gewissermaßen den alten Ritus der Juden repräsentieren. … Außerdem … was machen dort jene lächerlichen Monströsitäten, … was sollen dort unreine Affen? Was wilde Löwen? Was monströse Zentauren? … Mit einem Wort, so viel, so wunderbare Mannigfaltigkeit verschiedener Geschöpfe erscheint überall, dass man eher in den gemeißelten als in den geschriebenen Werken liest; sich lieber den ganzen Tag damit beschäftigt, derlei zu bestaunen, als das Gesetz Gottes zu bedenken. Wenn man sich der Albernheiten schon nicht schämt, warum gereuen dann nicht die Kosten?“ (aus: Bamberg Stadt und Umgebung, Christine Freise-Wonka)

Noch heute ist die Kirche ein beeindruckendes Beispiel frühgotischer, zisterziensischer Baukunst. Auch die barocke Ausstattung durch Materno Bossi, aus der, für die Würzburger Residenz arbeitenden, Hofstuckateurfamilie Bossi, und die großartige Rokokoorgel schmälern den Eindruck nicht sehr. Die gotische Gliederung bleibt erkennbar.




Die Innenausstattung ist so reichhaltig, dass wir nur schauend, staunend und bewundernd alles auf uns wirken lassen können: Pfingstwunder-Darstellung, Bernhardsaltar (aus Alabaster und Marmor) mit der Darstellung des „Bernhardskreuzes“ (Jesus löst sich vom Kreuz um den zweifelnden Bernhard zu umarmen, ein zisterziensisches Thema), Katharinenkapelle, Grabmale verschiedenster Art –
(Die Fotos sind leider unscharf,
aber damit man sich eine ungefähre Vorstellung machen kann
sollen sie doch hier ihren Platz haben
.)




Diese nach "bäuerlicher" Malweise dargestellte Geburt Christi
ist zwar nichts Berühmtes, gefiel mir aber gut, da es eher selten ist,
dass man Josef mit dem Kind auf dem Arm sieht.



und die schöne Spiegelung in den glänzenden „Marmor“-Pfeilern.


Die ursprünglichen Klosterbauten waren wohl sehr bescheiden. Aber der zunehmende Wohlstand führte dazu, die Gebäude den barocken Repräsentationsansprüchen anzupassen. Man berief den schon bewährten Leonhard Dientzenhofer, der eine große Anlage um mehrere Innenhöfe plante. Als Dientzenhofer 1707 starb geriet der Bau ins stocken, erst mit einem neuen Abt und neuen Plänen eines neuen Architekten – welcher genau, weiß man nicht mehr sicher, Joseph Greising wird erwähnt, aber auch Balthasar Neumann, ging die Bautätigkeit weiter.

Besonders schön ist die Schauseite der Klosteranlage zur Straßenseite hin, mächtige Säulen, Skulpturen und reich geschmückte Erker zieren die Fassade. Durch das Hauptportal gelangt man zum beeindruckenden Treppenhaus (das auf Balthasar Neuman zurück gehen und das Treppenhaus von Schloss Weißenstein als Vorbild haben soll) und von dort in den Kaisersaal.

"Ihr könnt mich mal gern haben :p"
scheint der Kleine zu meinen.




Der Treppenaufgang wird flankiert von Wappen tragenden, Zunge bleckenden Löwen und auf dem Deckenfresko des Treppenhauses sind wieder die absonderlichsten, da damals nur vom Hörensagen bekannten, Tieren zu entdecken.

In den ehemaligen Gemächern des Abtes gibt es ein kleines Museum zu Kloster, Land und „Leute“, bis hin zu einer originalen Haftzelle von 1985, die wir sehen, bevor wir – aufgeschlossen mit einem großen Schlüssel und sofort wieder verschlossen, als wir im Korridor sind – nach einem Blick durch vergitterte Fenster hinab in einen der schönen Innenhöfe, den Kaisersaal betreten.
Zur Erklärung der Situation: Die Abtei Ebrach wurde 1803 im Zuge des Säkularisation aufgelöst, die Kirche wurde Pfarrkirche des Ortes und das Klostergebäude wird seit 1851 als Haftanstalt genutzt, heute als Jugendvollzugsanstalt mit Verwaltungstrakt, darum nur mit „Auf- und Zuschließer“ zu besichtigen. Wenn es nicht „schwarzer Humor“ wäre, könnte man sagen: „Selten so einen schönen Knast gesehen.“

Der prächtige Kaisersaal, nach Plänen Balthasar Neumanns, ist überreich mit Stuck und Naturstein, sogenannten Ebracher Marmor, ausgestattet und bildet den würdigen Rahmen für z.B. Konzerte des „Ebracher Sommers“.


Wir verlassen diesen Prachtbau, beeindruckt, aber auch ein bisschen bedrückt ob der Spannweite der Nutzung so eines Gebäudes. Dazu passt dann noch das große Relief auf der Innenseite des Treppenaufganges: der junge, stürmische Amor mit seinem Pfeil am Beginn und der alte, müde Chronos, in der Hand das fast abgelaufene Stundenglas, am Ende des Tages - Morgen und Abend, der Lauf der Zeit...


Wo ein schöner Fleck ist, da schmeißt der Teufel ein Kloster hin oder einen Edelmann!“ - aus Grimm'sches Wörterbuch


Fortsetzung folgt ;)
 
.

VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für die Fortsetzung mit den vielen, vielen schönen Bildern


Ich freue mich darauf den Bericht weiter zu verfolgen ...
 
Stimme Asterixinchen voll zu
- wunderschöne Bilder, die Lust auf mehr machen.

:thumbup::thumbup::thumbup:

Ich sollte angesichts der Tatsache, dass auch Deutschland schöne Ecken hat, auch mal wieder einige Ausflüge in die nähere oder weitere Umgebung machen.
 
Hallo Asterixinchen und Annie -
danke für Eure Rückmeldung und

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Ich freue mich darauf den Bericht weiter zu verfolgen ...

damit die Pause nicht zu lang wird, geht es gleich weiter.

Ich sollte angesichts der Tatsache, dass auch Deutschland schöne Ecken hat, auch mal wieder einige Ausflüge in die nähere oder weitere Umgebung machen.

Oh ja, das meine ich auch - und nehme es mir immer wieder mal vor. Wenn nur die nostalgia nach südlicheren Gefilden nicht so groß wäre... :~ ;)

Saluti :D
Pasquetta
 
Mittwoch, 01.08.2012
Fortsetzung unseres Treffens "mit den Schönborns und ihren Baumeistern"

Weiterfahrt nach Wiesentheid zum Schloss der jetzigen Schönborns, in dem sie noch immer wohnen.


Es kann nur von außen angeschaut werden. Sehr schön, sieht frisch restauriert aus, wie auch die Balthasar Neumann-Kirche St. Mauritius gegenüber.
Die Bedeutung Wiesentheids hängt aufs engste mit der Geschichte der Familie Schönborn zusammen. Als unter Rudolph Franz Erwein von Schönborn 1701 das Schloss ausgebaut wurde entwickelte sich auch der Ort zu einem kleinen barocken Residenz- und Amtsstädtchen. Die Hauptstraßen-Achse ist auf das Schloss ausgerichtet. Am Schlossplatz gegenüber des Fassadentraktes des Schlosses beherrscht die barocke Pfarrkirche von Balthasar Neumann mit ihrem Westturm das Bild.

Nach Osten geht die Kanzleistraße ab, mit den prächtigen sogenannten Beamtenhäusern. In ihnen waren Wohnungen, Verwaltungsräume und Wirtschaftsgebäude der Schlossverwaltung untergebracht. Gegenüber befindet sich hinter einer Mauer der zum Schloss gehörende – heute öffentliche – Schlosspark.

Diese ursprünglich als Barockgarten geplante Anlage wurde Mitte des 19. Jh. im englischen Stil umgewandelt und großflächig erweitert zu einem Landschaftsgarten.

Aber der Reihe nach.
Über die frühe Baugeschichte des Schlosses weiß man nicht viel. Aber ein wenig von der wechselhaften Geschichte des Schlosses und seiner Bewohner sollte doch sein. Die alte, wesentlich kleinere Schlossanlage und ein Teil des Dorfes waren im Mittelalter ein Lehen der Grafen von Castell, bis 1547 Valentin Fuchs von Dornheim „das „Sitzlein“ mit 23 Hausgütern und Feldlehen“ erwarb und im Laufe von vier Generationen das „Sitzlein“ zum Schloss ausgebaut wurde. Die Witwe des letzten Fuchs von Dornheim in Wiesentheid, Anna Maria, heiratete den Grafen Johann Otto von Dernbach, an den nun Schloss und Dorf fielen. Dessen dritte Gattin, Maria Eleonore Gräfin von Dernbach (geb. von Hatzfeld-Gleichen = da erklärt sich das Wappen) übernahm nach seinem Tod, nachdem es keine Nachkommen gab, die Regierungsgewalt und heiratete 1701 – und hier kommen die Schönborns in Spiel – Rudolph Franz Erwein von Schönborn. Dieser hatte ein erfolgreiches Studium in Rom und Paris hinter sich, war den schönen Künsten zugetan und es schien ihm eine diplomatische Karriere vorgegeben, bis dem jungen kaiserlichen Kammerherrn die Liebe zu Eleonore (in anderen Quellen heißt es:“die Machtpolitik seines Oheims Lothar Franz“ ;)) dazwischen kam. So wurde er nun – d.h. seit der testamentarischen Schenkung Eleonores 1704 – Graf und natürlich auch Schlossbesitzer zu Wiesentheid. 1714 verkauft der Graf von Castell seine letzten ihm noch gehörenden Wiesentheider Besitztümer für 20.000 fl an das Haus Schönborn.

Seit dieser Zeit ist Schloss und Grund voll im Besitz der Grafen von Schönborn, die bis heute hier residieren. Von hier aus werden auch die Schönbornschen Besitztümer weltweit verwaltet. Anfang des 18.Jh. wurden umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt. Aus dieser Zeit stammt auch das prächtige Portal mit dem Schönborn-Hatzfeld'schen Doppelwappen.

Seitdem hat sich das Äußere des Schlosses kaum mehr verändert. - Die Einsicht, wie es innen aussieht blieb uns natürlich verwehrt. Bis auf die zwei, in den seitlichen Höfen geparkten sportlichen Nobelkarossen bekamen wir nichts zu sehen.

Dann schauen wir noch in den frei zugänglichen Schlosspark, der einst einer der schönsten Ziergärten Frankens gewesen sein soll, der heute in etwa wie ein englischer Park angelegt ist.

Aus einen sicherlich schon vorher vorhandenen Schlossgarten, mit Hirschgehege, wollte Graf Rudolph Franz Erwein von Schönborn eine Lustgarten französischen Stils machen. Dafür musste Gelände dazu erworben werden und Häuser abgerissen. Um 1722 waren die Baumaßnahmen soweit abgeschlossen und man konnte eine imposante Gartenanlage bewundern mit über 200 Sandsteinfiguren und einem „Lusthaus“, das wahrscheinlich Balthasar Neumann geplant hatte und dessen Grundmauern man 1950 zwischen Schlossweiher und Gärtnerei wieder entdeckte. Ich habe Daten zum Garten gefunden, die beeindruckend sind: in der großen Orangerie zählte man 1719 um die 800 Bäume. Rudolph Franz Erwein war ein leidenschaftlicher Liebhaber der Gartenbaukunst und züchtete erfolgreich Pfirsiche, Aprikosen, Pomeranzen, Zitronen, Orangen, Gewürznelken und Feigen. Er versuchte sich sogar an Ananas – in der damaligen Zeit eine ganz seltene Kostbarkeit. Da könnte heute noch jeder Gärtner neidisch werden. Im Schlossgarten gab es u.a. ein Labyrinth, einen Entensee, eine Voliere, Gewächshäuser und kunstvoll gestaltete Beete. Eine riesige Samson-Skulptur stand im Parkteich, es gab Wasserspiele, einen künstlichen Wasserfall und eine Wasserkaskade. Allerdings war es fast nicht möglich, für all diese Wasserspiele den nötigen Wasserdruck aufzubauen, so dass die Leitungsröhren, gleich aus welchem Material, nicht standhielten und zu reparaturanfällig waren. Die Parkalleen waren mit doppelreihigen Roßkastanienbäumen gesäumt, von denen man hin und wieder noch eine entdecken kann. 1830 unter Franz Erwein Damina Josef von Schönborn wurde der Barockgarten in einen Landschaftsgarten umgestaltet. Aus dem Wasserbecken wurde ein natürlich geformter See und es entstand ein weitläufiger Park nach englischem Vorbild, mit gewundenen Wegen, Wiesen und einem Wäldchen.
Heute ist alles vor und, soweit einsehbar, auch hinter den Mauern etwas verwildert und zugewachsen, auch wenn sich noch schöne Blicke auftun, in diesem „Landschaftspark mit Weitblick“.


Wir verlassen den Schlosspark und gelangen auf die bereits weiter oben erwähnte Kanzleistraße. Das schöne, schlossartige Gebäude mit großem Innenhof und Schönbornwappen, flankiert von zwei Löwen, im Giebel über der Einfahrt, wird der „Seehof“ genannt. Vielleicht gab es hier einmal einen See oder Sumpf, der trocken gelegt wurde, als die Häuser gebaut wurden. Oder es ist eine Anspielung auf den Schlossparkweiher.


Es gab eine Fasanerie und kurze Zeit auch eine Bierbrauerei. Die Kanzleihäuser dienten auch als Wirtschaftsgebäude, da Ställe und Scheunen nach dem Umbau des Schlosses Anfang des 18. Jh. dort keinen Platz mehr hatten. Außerdem wohnten die Bediensteten der gräflichen Verwaltung in den Häusern an der Kanzleistraße. Man sieht heute noch, dass die „Zuarbeiter“ keine einfachen Bauern waren.


Zurück zum Schlossplatz haben wir einen schönen Blick hin zum Rathaus. Das Portal des hübschen Rokokobaues zieren die Wappen des Marktes Wiesentheid und der Grafen von Schönborn, jeweils, wenn auch in abgewandelter Zusammensetzung, mit den drei Heidekrautstengel auf einer Wiese (Wiesentheid – auch wenn es an anderen Stellen heißt, der Ortsname hänge mit dem Wisent, dem Wildrind, zusammen) und dem Schönborn'schen Löwen (der Löwe und der „Fränkische Rechen“) mal hinter und mal vor dem Heidekraut, mal sieht er nach links und mal nach rechts...

Aber nun stehen wir am sogenannten „Schlossberg“ vor dem wohl eindrucksvollsten Gebäude Wiesentheids: der Pfarrkirche St. Mauritius, eine Stiftung des Grafen Rudolph Franz Erwein von Schönborn, entstanden 1727-1732 nach Plänen von Balthasar Neumann und eingeweiht am 02.11.1732 vom Bruder des Bauherrn, dem Fürstbischof von Bamberg und Würzburg, Friedrich Karl von Schönborn. Was für Familienfeste mögen solche Ereignisse wohl gewesen sein!


An der Fassade, über dem Rundbogenportal, ist die Inschrift angebracht „EXTRVOR EXISTO ET ORNOR PRO HONORE DEI SUM CONSECRATA“ (Ich bin gebaut, ich bestehe und bin geschmückt zur Ehre Gottes, ich bin geweiht). Darüber halten zwei Löwen, die Wappentiere des Hauses Schönborn, das Schönborn-Hatzferld'sche Famlienwappen In den Nischen stehen Statuen des hl. Franziskus und der hl. Eleonore, Namenspatrone des Stifters und seiner Gattin, sowie des hl. Mauritius, Schutzpatron der Kirche.


Das absolute „Highlight“ ist jedoch die barocke Innenausstattung und hier vor allem das bedeutendste Deckengemälde des italienischen Freskomalers Giovanni Francesco Marchini. Man erliegt der Illusion, dass die Kirchendecke eine hohe Kuppel ist. Marchini hat die Kunst der Architekturmalerei hier voll ausgelebt.
Besonders gut beschreibt die St. Mauritius-Kirche ein Artikel aus "Monumente" vom Oktober 2009, der hier zitiert sei:

"Bis Rom nur ein paar Schritte -
Wie man sich in Wiesentheid verzaubern lassen kann"





Es ist Mittagszeit – Zeit für eine Pause, die man günstigerweise hier im beschaulichen Weisentheid machen sollte – aber schafft man es dann noch rechtzeitig zur gebuchten Führung in Castell? Wie sich herausstellt, ist Castell noch beschaulicher, ländlicher und nur mit einer offenen Gaststätte bestückt: oben im Schloss der Weinstall,
der jedoch nicht auf einen solchen „Ansturm“ eingestellt war und entsprechend lange benötigte, alle, die es wollten, zu verköstigen. :~ ;)


Pause unterm Weinlaub...
 
Liebe Pasquetta,

ein wunderbarer Bericht über eine offensichtlich sehr gelungene Kunstreise in auch mir ganz unbekannte Ecken unserer weiteren Umgebung.
Wie schon gesagt wurde:

Man sollte viel mehr das eigene Land bereisen - wenn nur nicht der Drang nach Süden so groß wäre ... :~

Vielen Dank für diesen spannenden Bericht!

Liebe Grüße

Angela
 
... über eine offensichtlich sehr gelungene Kunstreise in auch mir ganz unbekannte Ecken unserer weiteren Umgebung.

Oh ja, das war sie, die "Kunstreise" und auch ich habe - zwar geahnt - nicht gewusst, bzw. mich halt bisher nicht darum gekümmert, wie viele schöne große und kleiner Orte es "gerade mal um die Ecke" in Franken zu entdecken gibt.
Es freut mich, dass auch Du mitgelesen hast. :nod:
Liebe Grüße
Pasquetta
 
Weiter geht es durch das schöne Frankenland:


Mittagshitze - Sonnenblumen in den Vorgärten recken ihre vollen Blüten der Sonne entgegen - die Amsel sitzt im Hollerstrauch und pickt die dunklen, reifen Beeren - die Dorfstraße führt menschenleer bergauf - nicht einmal die Spatzen pfeifen von den Dächern...



Mit Verspätung begann die Führung durch Castell, jedoch die freundliche, kompetente Dame, der es anzumerken war, dass ihr die Präsentation der versteckten Schönheiten Castells am Herzen lag, begleitet uns mit ihren Erklärungen gut durch den Ort.

An die 1200 Jahre Geschichte sind in Castell zu erahnen. 816 wird Castell erstmals urkundlich erwähnt. Der Ortsname leitet sich vom lateinischen „castellum“ her. So liegt es nahe, dass bereits zu dieser Zeit eine Burganlage existierte, die dann der Stammsitz der gleichnamigen Adelsfamilie wurde, die wiederum seit 1057 urkundlich in Castell belegt ist. Bereits um 1266 ist Castell in eine „obere Burg“ auf dem Schlossberg und in Alt-Castell auf dem Herrenberg aufgeteilt, sowie - man schenke dem besondere Beachtung! - sind, wie auch bereits in der Stiftungsurkunde, etliche Weinberg namentlich verzeichnet, d.h. mit Lagennamen, die sich bis heute erhalten haben.

Im Bauernkrieg werden beide Burgen zerstört. Die auf dem Herrenberg bleibt Ruine, während man das „Alt-Castell“ schnell wieder aufbaut. Die Reformation wird durch die Grafen Castell in Grafschaft und Dorf eingeführt und ein Jahrhundert später hatte der Dreißigjährige Krieg auch hier Mord, Plünderungen und Verwüstung gebracht.
In dieser schwierigen Zeit sticht ein Datum heraus, das durch neuere Forschungen im Fürstlich Castell'schen Archiv – das im noch näher zu erwähnenden ehemaligen „Wildbad“ untergebracht ist - belegt worden ist. Am 5. April 1659 brachte ein Casteller Bote „gegen einen Botenlohn von 1 Schilling und 3 ½ Pfennigen“ 25 „Östreicher Fechser“ - also Silvaner-Reben! – von Obereisenheim am Main nach Castell. Angeblich hielt sich die Frau des Wirtes und Gerbers Kraus aus Obereisenheim zur Kur im Wildbad Castell auf und erzählte – vielleicht sogar „von Badezuber zu Badezuber“, den Weiblein und Männlein saßen oft stundenlang, wahrscheinlich nur durch dünne Wände getrennt, gemeinsam im Heilwasserbad - dem Amtmann Körner, dass ihr Mann Stecklinge der sogenannten „Ostreicher“-Rebe habe. Das Interesse war geweckt und der Handel bald perfekt.
Es wurde beschlossen, probeweise 25 dieser neuartigen Fechser zu kaufen. Lt. Aufzeichnungen wurde der Kaufpreis von 8 Schiling 3 ½ Pfennigen erst am 5. November 1659 gezahlt. Somit ist das Jahr 1659 die älteste urkundliche Erwähnung des Silvaners in Franken.
Wieder andere Quellen sagen, dass die Silvaner-Rebe über die Abteil Ebrach, die Tochterklöster in Österreich hatte, nach Castell gekommen ist. Aber das eine schließt ja das andere nicht aus. Hauptsache die Silvaner-Rebe wurde in Franken, wo sie besonders gut gedeiht, heimisch und liefert noch heute „den Frankenwein“.

Unser Dorfspaziergang begann am Schlossplatz beim Fürstlich Castellschen Schloss, das im ausgehenden 17. Jh. die alte Anlage oben auf dem Schlossberg ersetzte. Die fürstliche Familie war für bequemere Wohnverhältnisse und mehr Repräsentation. Es entstand eine barocke Dreiflügelanlage – die erste in Franken -, zweigeschossig mit mächtigem Mansarddach, massiv aus Sandsteinquadern.


Über dem Eingangsportal die Wappen des Bauherren einer der späteren Umbauphasen(Graf Friedrich Ludwig - rot-silbern geteilt) und seiner Gemahlin (einer Prinzessin zu Hohenlohe – zwei schwarze Leoparden), gehalten von zwei kauernden Löwen. Noch heute ist das, mit einem großen angrenzenden Schlossgarten schön an einem Hang gelegene Schloss in Familienbesitz der Fürsten von Castell-Castell und kann nicht besichtigt werden.



Wir laufen weiter durch das Dorf, vorbei an schönen herrschaftlichen Häusern, an der Filiale der Fürstlich Castell'schen „Credit-Cassa“ (die älteste Bank in Bayern, die seit 1774 für ihre Kunden in der „Grafschaft“ da ist),

hinauf zum Kirchplatz und zur St. Johannes-Kirche. So beeindruckend wie sie sich uns heute präsentiert, wurde die ev.-luth. Grafschaftskirche St. Johannes an die gleiche Stelle einer älteren Kirche 1784-92 erbaut, Baumeister war Joseph Albert aus Tirol.


Außen ähnelt sie vielen fränkischen Barockkirchen, wie sie Balthasar Neumann gebaut hat, während das Innern der Kirche im schönsten Frühklassizismus erstrahlt. Die Kirche ist ein großartiges Beispiel des protestantischen Kirchenbaus des ausgehenden 18. Jh.: Pietismus – der auf Schmuck verzichtet, da den Gottesdienstbesucher nichts ablenken soll - und Aufklärung – Ornamente und Kanzelaltar im typischen „Markgrafenstils“ - prägen den Innenraum.

Der Kanzelaltar ist aus grau-weißem und rotem Casteller Alabaster gestaltet, der ein bedeutendes Exportgut der Grafschaft war.

Die neue Orgel hat noch das Originalgehäuse aus dem Jahr 1788. Betritt man die Kirche, staunt man vor allem über das Licht, das sie erfüllt und erst in zweiter Linie fallen auch die sparsamen Verzierungen und Ausschmückungen auf.

Die ungewöhnliche Größe der Kirche für ein Dorf wie Castell geht auf die Herrschafts- und Kirchengeschichte des Ortes zurück. Durch die Einführung der Reformation in der Grafschaft, gründeten die Grafen Castell eine kleine Landeskirche, deren Zentrum in Castell lag. Castell ist noch heute Dekanatssitz für viele umliegende Kirchengemeinden.

Wir verlassen den Kirchplatz und gehen bergab zum ehemaligen Wildbad, einem zweigeschossigen Renaissancebau mit Volutengiebeln von 1601. Das Casteller Wildbad wird bereits 1399 erstmals urkundlich erwähnt und war als Kur- und Heilbad beliebt und gern besucht. Von weit her kamen die Kurgäste um im heilenden Bitterwasser zu baden und in der schönen Landschaft zu kuren. Erst Ende des 17. Jh. wurde das Kurbad geschlossen und das schöne Gebäude wurde zum Sitz der „Obersten Regierungs- und Justizkanzlei“ umfunktioniert. Und im September 1806 verkündete hier ein „königlich-bayerischer Kommissär“ das Ende der Grafschaft Castell und deren Einverleibung in das Königreich Bayern.


Erwähnen sollte man noch, dass in diesem Gebäude der Archivrat, Historiker und Schriftsteller August Sperl von 1902 bis 1907 das Fürstlich Castell'sch Archiv einrichtete, das mit seinen „rund 1000 laufenden Regalmetern und ca. 8000 Urkunden“ Einblick gibt in die Belange der früheren Gemeinden der Grafschaft Castell. August Sperl (1862-1926) ist es also zu verdanken, dass das umfangreiche Archiv geordnet und verzeichnet wurde, ebenso verfasste er ein Standartwerk zur Geschichte des Hauses „ Castell“ und schreib etliche historische Romane, die in der fränkischen Landschaft spielen (so beschrieb er z.B. im Roman „Der Bildschnitzer von Würzburg“ das Leben Tilman Riemenschneiders oder in „Richiza“ die ersten Kreuzzüge) und noch als Hörbücher (gelesen von Alexander Graf zu Castell-Castell) und antiquarisch zu erhalten sind. Sperls Werke, verfasst in einem eher gemütlichen Schreibstil, wurden in Deutschland bis in die 1930er Jahre zum Teil in hohen Auflagen verlegt. Erst Ende der 1990er Jahre wurden ausgewählte Werke – vor allem als "Horchbücher" - wieder aufgelegt, um „Bücher, die keiner mehr liest“ dem Vergessen zu entreißen und einer breiten Öffentlichkeit neu zugänglich zu machen. - Wer weiß, vielleicht würde es sich zum besseren Verständnis der vergangenen Jahrhunderte, tatsächlich lohnen, einmal in ihnen zu lesen...
„Wer in der Zukunft lesen will,
muß in der Vergangenheit blättern“
(André Malraux)

Auch der nächste Besichtigungspunkt hat mit der Vergangenheit – wenn auch nicht so ferner – zu tun. „Wir brauchen die Erinnerung an früher, um die Zukunft besser zu verstehen und mitgestalten zu können. … Was ich sehe kann ich besser begreifen und verstehen.“ Unser engagierte Castell-Kundige machte Halt bei der Museums-Scheune. 2009 kaufte die Gemeinde Castell eine alte, abbruchreife Barockscheune mit einem Gewölbekeller, und baute sie zu einem Museum für Weinbaugeschichte um, ist Castell doch für seine guten Weine bekannt. Außerdem wird das Leben und Arbeiten in einem ehemaligen herrschaftlichen Dorf anhand von Ausstellungsstücken gezeigt und die schön restaurierte Mühle für Treffen und Veranstaltungen genutzt.

Dann ging es weiter bergab, vorbei an der ehemaligen Fürstlich Castellschen Meierei – nicht immer ist behutsam restauriert worden, oft wurde „Altes“ rigoros durch Neubau ersetzt...
Wir verlassen den freundlichen Ort, der sich so schön beschaulich präsentiert zwischen Weinbergen, Feldern, Wald und Obstwiesen.



Nächsteund letzte Station für heute wird Kitzingen sein.
 
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