Auf den Spuren von Michelangelo und Raffael im Rom und Umbrien der Renaissance

Lieber Ludovico,

wieder einmal ganz herzlichen Dank für Deine Ergänzungen! :thumbup:

So ganz klein ist diese Wallfahrtskirche nun auch wieder nicht. Ich finde sie ganz schöne geräumig.

Ich habe sie ja leider nur aus der Ferne gesehen und mein Augenmaß ist miserabel! :blush:

Liebe Grüße
dentaria​
 
Da es ja leider oft nicht gestattet ist, Originalwerke von Raffael zu fotografieren, möchte ich die Fotos der Kopien nutzen, um einige Gemälde näher zu beschreiben. Zunächst zwei Gemälde aus seiner fühen Phase in Umbrien, wohin er nach dem Tod seines Vaters und Lehrers ging.​

Vermählung Marias



Dieses Altarbild entstand 1504 im Auftrag der Familie Albizzini aus Città di Castello.
Raffael übernahm dabei wesentliche Elemente der Vermählung Marias seines Lehrers Perugino.
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Raffael übernahm das Motiv zwar bis ins Detail, änderte diese aber derart, dass Perginos Werk im Vergleich veraltet wirkt.
Während Perugino seine Personen parallel zum unteren Bildrand gruppiert, bilden sie bei Raffael einen Halbkreis und haben dadurch mehr Platz für ihre Individualität, was sich in mehr Plastizität und Einzigartigkeit zeigt.
Der Priester wirkt bei Perugino wie ein starrer Pfeil in der Bildmitte im Gegensatz zu Raffaels Priester, der durch die Neigung des Kopfes mehr Anteilnahme am Geschehen zeigt.
Bei Raffael ist:
-Maria schöner
-Josef jünger
-Marias Ausschnitt weicher
-Rührung in den Gesichtern
-Der Tempel bis ins Detail ausgearbeitet
-Die Perspektive besser gewählt
-Das Licht- und Schattenspiel natürlicher
-Die Landschaft besser ausgearbeitet​

Das Gemälde ist heute in der Pinacoteca di Brera in Mailand​

Marienkrönung


Auch dieses Gemälde entstand 1504 und befindet sich nun in der Pinakothek der Vatikanischen Museen.
Auftraggeber war Leandra Oddi aus Perugia und das Vorbild war das gleichnamige Werk Pinturicchios.​

Die Apostel stehen um den antiken Sarg und schauen wie gebannt in den Himmel, wo Maria zwischen Engeln und Cherubinen gerade gekrönt wird.
Durch die perspektivische Darstellung des Sarges entsteht eine große räumliche Tiefe.
Irdischer und himmlischer Bereich sind strikt getrennt.
Jeder Apostel ist sehr individuell ausgearbeitet und hat genügend Raum.
Besonders ausdrucksvoll sind die Hände dargestellt.
Der Sarg ist leer und zurück blieb nur der Gürtel in der Hand des Apostels Thomas.
Weiße Lilien und Rosen sind Zeichen der Reinheit Marias (verstärkt durch das weiße Gewand von Thomas), die rote Rose ist ein Symbol für das Leid und den Schmerz im Leben Marias.
Der Faltenwurf der Gewänder ist hier natürlicher als bei der Vermählung Marias.​

Ebenfalls in diese Zeit fallen kleine Bilder für den Hof von Urbino.
Der Traum des Ritters 17,1cm x 17,1 cm
Der heilige Georg mit dem Drachen 28,5cm x 21,5cm
Die drei Grazien 17cm x 17cm​
 
Zuletzt bearbeitet:
Raffael in Forenz und Perugia

Im Jahr 1504 ging Raffael zunächst nach Florenz und konnte dort u.a. die Werke von Leonardo da Vinci und Michelangelo studieren.
Von Leonardo übernahm er besonders die Schrägstellung der Frauenfiguren vor einer offenen Landschaft - vor allem für seine vielen Madonnen. Dadurch erreicht er eine natürlichere Beziehung von Mutter zu Kind.
Raffel war der einzige dieser 3 Meister der Renaissance in Italien, der Frauen liebte.
Auch die Fresken Giottos wirkten auf den jungen Raffael positiv.
Die ersten Auftäge in Florenz waren Porträts, deren Kunst er bereits von seinem Vater erlernt hatte:​

Agnolo Doni


Die harten und markanten Gesichtszüge weisen Agnolo Doni als einen Mann der Tat aus.
Der entschlossen wirkende Bankier hat einen harten Blick mit einer magnetischen Anziehungskraft. Verstärkt wird diese Härte durch das tiefe Schwarz der Weste mit den edlen Goldköpfen. Die große und ebenmäßige Nase läßt ihn fast adelig erscheinen. Sein krauses Haar ist ein Zeichen seiner großen Lebenskraft.​

Maddalena Doni


Maddalene war absolut keine Schönheit, aber durch einige Tricks läßt Raffael sie attraktiver erscheinen.
Durch die kostbaren Juwelen erscheint sie edler. Der goldene Dunst des Sonnenunterganges sorgt für ein milderes Licht auf Landschaft und Kleid. Die eleganten Ärmel vermitteln ein Gefühl von Schönheit, das sich auch auf das Aussehen der Frau auswirkt. Bei der strengen Frisur stehen einzelne Haarsträhnen ab, die Maddalena lebendiger und weicher erscheinen lassen. Auch hier erinnert die Dreiviertelansicht an Mona Lisa. Raffael setzt Lichteffekte ein, um die weiche Haut und die kostbare Kleidung zu betonen.
Die beiden Originale befinden sich in der Galleria Palatina in Florenz.​

Im Jahr 1505 geht Raffael nach Perugia.​

Grablegung Christi


Auftraggeberin dieses 1507 vollendeten Gemäldes war Atalanta Baglioni.
Es sollte an den Tod ihres Sohnes Grifonetto erinnern, der Opfer einer Familienfehde
bei der Bluthochzeit am 14. Juli 1500 wurde. Das beste Motiv um den Schmerz der Mutter dazustellen war die Grablegung.
Aufgestellt wurde das Bild in der Familienkapelle in San Francesco in Prato.
Die aktivste und attrakivste Figur ist der Mann - mit den vom Wind verwehten Haaren - im Zentrum. Die dargestellte Anstrengung des Mannes betont die Körperlichkeit des Leichnams Christi.
Die Jungfrau Maria sinkt schmerzerfüllt in die Arme einer jungen Frau mit kunstvoller Frisur. Diese soll wohl die Schwiegertochter darstellen und hat die gleiche Körperdrehung wie Michelangelos Maria im Tondo Doni. Dies kann durchaus als Hommage an Michelangelo gedeutet werden.
Die Mimik der Figuren wirkt ausdrucksvollaber nicht theatralisch. Die Figuren haben genügend Bewegungsfreiheit und haben dadurch die Starre früherer Zeiten verloren.
Der Leichnam hat eine fahle Farbe, die durch das rosa Lendentuch noch verstärkt wird. Die roten Kleidungsstücke der umgebenden Personen rücken Christus in den Mittelpunkt. Die Figur hinter ihm hat den gleichen Gesichtsausdruck und auch die gleiche Kopf- und Schulterhaltung. Dies bewirkt eine Verdopplung des Schmerzes.​

Das Gemälde wurde sehr berühmt und veranlaßte den Kunstsammler und Papstnepoten Scipione Borghese dazu, dieses Gemälde zu entwenden und in seine Sammlung aufzunehmen.
Zu sehen ist es daher heute in der Galleria Borghese.​
 
Zuletzt bearbeitet:
Raffael in Rom

Im Jahr 1508 wurde natürlich auch Papst Julius II. auf den jungen Künstler aufmerkam und berief ihn nach Rom. Dort sollte er in erster Linie die Stanzen im Vatikan ausmalen, aber es entstanden sehr wohl noch viele andere Kunstwerke bis zu seinem frühen Tod.
Hier zunächst eine Auswahl seiner römischen Frauenporträts, wobei die beiden ersten heute in der Galleria Palatina in Florenz zu sehen sind.​

La Velata
Die Dame mit dem Schleier


Das Gemäle entstand in den Jahren 1514 bis 1515.
Auf dem Kopf trägt die Dame wertvollen Schmuck, ihr Blick aber ist in die Ferne gerichtet! Ängstlich? Erwartungsfroh?
Die rechte Hand ist teilweise vom Schleier bedeckt, aber der Zeigefinger schiebt sich deutlich unter den Ausschnitt, als wolle sie das Kleid zusammenhalten.
Das beherrschende Element ist aber der Linke Puffärmel. Er wirkt unordentlich, bewegt, voluminös und luxeriös. Er steht damit im Gegensatz zum schlichten Schleier als Versprechung von Sinnlichkeit und Weiblichkeit.
Raffael zeigt dem Betrachter eine schöne Frau, die gerade dabei ist, sich auszuziehen und will natürlich diese Stimmung erzeugen.
Dieses Gemälde kann man als Huldigung der weiblichen Schönheit ansehen.​

An den Ohrläppchen erkennt man, dass es sich hier nicht um das gleiche Modell handelt, wie bei der FORNARINA.​

Madonna della Sedia


Über die Entstehungsgeschichte dieses Bildes ist nichts bekannt, aber es wird stilistisch ebenfalls in die Zeit von 1514 bis 1515 eingeordnet.​

Zu diesem Gemälde gibt es eine schöne Legende:
Einst konnte sich ein Eremit vor Wölfen auf eine Eiche retten. Er wäre aber dennoch verloren gewesen, wenn ein junges Mädchen nicht die Wölfe hätte vertreiben können.
Der Eremit versprach danach sowohl dem Mädchen als auch der Eiche ewigen Ruhm.
Jahre später kam ein berühmter Maler in das Haus des Mädchens, die sich inzwischen zu einer wunderschönen Mutter entwickelt hatte. Angetan von dem innigen Mutter-Kind-Bild, wollte er es sofort malen. Da er keine Leinwand bei sich hatte, nahm er für das Gemälde den Boden eines alten Eichenfasses - aus eben jenem Baum.
So kamen Mädchen und Eiche zu ewigem Ruhm.

Im 19. Jahrhundert war das Bildnis so bekannt und oft kopiert, dass ein Album all dieser Kopien angelegt wurde, welches sich heute im Londoner British Museum befindet.
Das innige Verhältnis wird durch die Stirn-an-Stirn-Berührung noch gesteigert.
Ungewöhnlich ist, dass sowohl Mutter, als auch Kind, den Betrachter anblicken.
Das Tondo-Format war allerdings typisch für die florentinischen Madonnen-Darstellungen im 15. Jahrhundert.
Neues Element ist der orientalische Schal der - anscheinend wohlhabenden - Frau,
unten den sich das Kind kuschelt.​

La Fornarina

Dieses Bildnis ist älter und entstand erst 1518/19.
Eine junge Frau sitzt in der Dämmerung vor einem Myrtenstrauch.
Hier ist aus dem Versprechen des oberen Gemäldes schon viel mehr geworden. Die Frau ist halbnackt und bedeckt ihre Blöße mit einem durchsichtigen Schleier, der die Nacktheit mehr betont als kaschiert.
Am linken Arm befindet sichein Band mit dem Schriftzug: "Raphael Urbinas" - mehr Besitzanzeige als Signatur!​

An Details der Farbgebung erkennt man, dass das Gemälde bei seinem Tod noch unvollendet war.
Das leicht gebräunte Gesicht lebt vom Wechsel von hell und dunkel.​

Im 16. Jahrhundert wurde das Gemälde oft kopiert, aber niemandem gelang es, die Sinnlichkeit des Originals nachzuahmen!​

Heute kann man das Gemälde im Palazzo Barberini in Rom bewundern.​
 
Zuletzt bearbeitet:
Agnolo Doni


Die harten und markanten Gesichtszüge weisen Agnolo Doni als einen Mann der Tat aus.
Der entschlossen wirkende Bankier hat einen harten Blick mit einer magnetischen Anziehungskraft. Verstärkt wird diese Härte durch das tiefe Schwarz der Weste mit den edlen Goldköpfen. Die große und ebenmäßige Nase läßt ihn fast adelig erscheinen. Sein krauses Haar ist ein Zeichen seiner großen Lebenskraft.​

Verstärkt werden die geschilderten Wesenszüge auch durch das ausladende, energische Kinn.

Dentaria, vielen Dank für die Bildbeschreibungen, die mich unseren Todi Besuch noch einmal erleben lassen. Sicher werde ich mich mit den einzelnen Bildern in dem Bericht noch näher befassen.

Gruß Ludovico
 
Das ist ein Reisebericht vom Feinsten - durch die Anreicherung mit interessanten historischen Erläuterungen und den wunderbaren Fotos ist es wirklich ein Vergnügen zu lesen, und ich habe darüber ganz die Zeit vergessen und einen Termin verschwitzt:blush:. Das Heimweh hast Du wieder kräftig angefacht! Orvieto ist auch ein zauberhaftes Städtchen- ich liebe sehr die kleinen Gässchen in der Nähe des Domes, und die Keramiken, viel mit Blau und Gelb, die noch in den kleinen Werkstätten hinter den Verkaufsräumen hergestellt werden.
 
Das ist ein Reisebericht vom Feinsten - durch die Anreicherung mit interessanten historischen Erläuterungen und den wunderbaren Fotos ist es wirklich ein Vergnügen zu lesen, und ich habe darüber ganz die Zeit vergessen und einen Termin verschwitzt:blush:. Das Heimweh hast Du wieder kräftig angefacht! Orvieto ist auch ein zauberhaftes Städtchen- ich liebe sehr die kleinen Gässchen in der Nähe des Domes, und die Keramiken, viel mit Blau und Gelb, die noch in den kleinen Werkstätten hinter den Verkaufsräumen hergestellt werden.

Ups, das wollte ich nicht! :blush:

Aber es freut mich natürlich sehr, das Dir - als größter Romkennerin des Forums - mein Bericht gefällt.
Ich hoffe sehr, dass Du auch die noch vielen Fortsetzungen mit Genuß lesen wirst.

 
Das ist ein Reisebericht vom Feinsten - durch die Anreicherung mit interessanten historischen Erläuterungen und den wunderbaren Fotos ist es wirklich ein Vergnügen zu lesen, und ich habe darüber ganz die Zeit vergessen und einen Termin verschwitzt:blush:. Das Heimweh hast Du wieder kräftig angefacht! Orvieto ist auch ein zauberhaftes Städtchen- ich liebe sehr die kleinen Gässchen in der Nähe des Domes, und die Keramiken, viel mit Blau und Gelb, die noch in den kleinen Werkstätten hinter den Verkaufsräumen hergestellt werden.

Ups, das wollte ich nicht! :blush:

Aber es freut mich natürlich sehr, das Dir - als größter Romkennerin des Forums - mein Bericht gefällt.
Ich hoffe sehr, dass Du auch die noch vielen Fortsetzungen mit Genuß lesen wirst.


Das war ein liebes Kompliment:blush: - vielen Dank! Aber leider nicht die Realität- ich lese hier immer wieder mit Staunen und Bewunderung wieviel tiefe und fundierte Kennntnisse mit uns geteilt werden. Ich kann leider nur mit den Dingen des täglichen Lebens punkten - 13 stündiger Job, Kinder aufziehen, Geschäftshaushalt - und- Urlaub in Deutschland;) haben mir, trotz einer Passion für all das was Du und andere so liebevoll beschrieben habt, nicht die Gelegenheit gegeben es auszuleben. Ich habe noch genau so viel zu entdecken - und ich freue mich darauf, wie alle Rom-Anfänger, mit dem Bonus dass die Sprache usw. kein Hinderniss darstellt.
P.S. - das Abbiegen hat nicht funktioniert8O - der Titel soll zu lang sein- vielleicht kann sich einer der Moderatoren erbarmen?
 
Nach den Damen nun noch Männerporträts.​


Das Gemälde entstand 1517/18 und zeigt Papst Leo X. mit seinem Cousin und Nachfolger Giulio de´Medici, dem späteren Clemens VII. und dem Kardinal Luigi de´Rossi.​

Das Bild entstand anläßlich der Vermählung seines Neffen Lorenzo II. de´Medici mit der französischen Prinzessin Madeleine de la Tour.
Es war damals durchaus Brauch, dass Prominente nicht persönlich auf Festen zugegen waren, sondern von ihrem Gemälde vertreten wurden.
Der Personenkult galt mehr den Bildnissen als der realen Person.
Vor sich auf dem Tisch hat Leo X. ein Johannes-Evangelium liegen, was ein Hinweis auf seinen Taufnamen (Giovanni) hinweist. Die goldene Kugel, in der sich ein Fenster spiegelt, ist dem Familienwappen der Medici entlehnt.​

Die drei Personen wirken ungewöhnlich steif (Terminprobleme?), stehen in keiner Beziehung zueinander und wurden zu verschiedenen Zeiten gemalt.
Bei den Farben beschränkt sich Raffael auf die der Passion Christi, also rot und weiß.
Leo wirkt kraftlos und abwesend.
Die Mutter des Bräutigams war so begeistert von dem Bild,
dass es einen Ehrenplatz an der Festtafel bekam.​

Zu sehen ist das Gemälde in den Uffizien von Florenz.​



Dieses Bildnis des Grafen Baldassare Castiglione entstand in den Jahren 1514/15.​

Auch hier wieder eine begrenzte Farbwahl, grün und schwarz.
Diese Farben wurden sehr viel später von Manet bei dem Porträit der Berthe Morisot wieder aufgenommen, vielleicht eine Hommage an den großen Maler der Renaissance.
Der einzige Bruch in dem Ton-in-Ton-Spiel stellen die blauen Augen dar, welche den Betrachter fixieren.
Der Pelz weist auf den Reichtum des Grafen hin.​

Das Bild ist heute im Pariser Louvre zu sehen.​



Das Selbstbildnis mit Freund aus den Jahren 1519/20 ist eines der letzten Werke Raffael.​

Hier lassen sich sehr gut die Merkmale seiner Porträts darstellen.​

-Es zählt nicht nur, wer die Person ist, sondern auch, wie sie ist
-Die Augenbrauen wirken wie mit dem Zirkel gezogen
- Die Augen sind mandelförmig
- Das Gesicht ist oval mit einem kleinem Kinn​

Daher wurde teilweise vermutet, Raffael würde immer mit den gleichen Modellen arbeiten.​

Auch diese Bild hängt nun im Louvre in Paris.​
 
Zuletzt bearbeitet:
Raffaels Fresken und sein architektonisches Werk werde ich dann jeweils vor Ort beschreiben.​

Zurück in Rom bin ich mit der 36 nach Termini gefahren,
wo mich dieses "Highlight"x( der Kunst erwartete:​


Eigentlich eine Beleidigung des Papstes! :(

Der Anblick des Kolosseums vor dem Hotel entschädigte mich dann wieder und ein wunderschöner Tag neigte sich dem Ende entgegen.​

 
Pünklich um 7 Uhr am nächsten Morgen stehe ich vor dem Petersdom.
Der Blick fällt zunächst auf den Obelisken.​


Dieser Obelisk ist zum einen ein wundervolles Beispiel für die wechselhafte Geschichte der Stadt Rom,
zeigt aber auch die Schwierigkeit, sich während eines Besuches auf eine Epoche zu beschränken.​

Nach Rom gebracht in der Antike, an seinem Platz aufgestellt in der Renaissance, wunderbar von Bernini umrahmt im Barock und in der Gegenwart (fast) jeden Mittwoch das Zentrum des Vatikan!
Daher erhält er auch ein eigenes ausführliches Kapitel.​
 
Der Vatikanische Obelisk


Der Obelisk wird auch die "Nadel des heiligen Petrus" genannt.
Mit 25,37 Metern ist es die zweithöchste der römischen Stelen.​

Herkunft
Da dieser Obelisk nicht beschriftet ist, weiß man zwar, dass er aus Ägypten stammt, aber nicht die Umstände seiner Herstellung.
Hier einige der Theorien:
- Der Auftraggeber verstarb vor der Fertigstellung und so geriet der Obelisk in Vergessenheit und wurde daher nicht beschriftet.
- Der Obelisk wurde von einem römischen Kaiser bewußt ohne Inschrift bestellt.
- Kleopatra ließ ihn als Monument für Caesar schaffen.​

Transport nach Rom
Kaiser Caligula ließ den Obelisken im Jahr 37 nach Rom bringen und ihn auf der Spina seines Circus aufstellen.
Der ursprüngliche Standort liegt bei der Sakristei des Peterdoms und ist durch eine beschriftete Platte gekennzeichnet.
Plan
Für den Transport wurde ein eigenes Schiff gebaut, für welches man ca. 1000 Tonnen Linsen als Ballast brauchte. Als Kaiser Claudius in Ostia einen neuen Hafen baute, wurde es versenkt und diente als Fundament einer Mole. Überreste fand man beim Bau der Flughafens Fiumicino.​

Der Circus des Nero
Auch einer der Nachfolger des Caligula - Kaiser Nero - über nahm den Circus mit seinem beachtlichen Obelisken. Nach dem großen Brand in Rom wurden die frühen Christen verfolgt und starben hier den Martyrertod. Der Legende nach wurde Petrus hier gekreuzigt und begraben.
Unter Kaiser Konstantin entstand hier der Vorgängerbau des Petersdoms. Bereits im 15. Jahrhundert gab es Pläne, den Obelisken auf den Vorplatz von Alt-St. Peter zu versetzen, man verzichtete aber wegen der großen technischen Probleme darauf. Papst Paul III. beauftragte Mitte des 16. Jahrhunderts Michelangelo mit dieser Aufgabe, der sich aber aus Angst vor einem Scheitern verweigerte.​

Neuer Standort
Erst unter Papst Sixtus V. gelang 1586 die Verlegung des Obelisken.
Bereits 1586 schrieb er einen Wettbewerb aus, an dem sich über 500 Architekten und Ingenieure beteiligten, aber keiner der Beiträge konnte den Papst überzeugen. So beauftragte er kurzerhand seinen Lieblings-Architekten - Domenico Fontana - mit dem Vorhaben.
Dieser fertigte zunächst ein Modell eines Transportgerätes, ermittelte das Gewicht des Obelisken (330 Tonnen) und berechnete die benötigten Hilfsmittel. Fontana hatte freie Hand bei der Rekrudierung des Personals und hatte freien Zugriff auf jegliches Material, welches er nach vollbrachtem Werk auch behalten durfte.
Der Obelisk wurde angehoben, auf eine rollende Plattform gelegt und am neuen Standort wieder aufgestellt.​


Fünf Hebel, 40 Winden, 800 Menschenund 140 Pferde wurden für die Aufstellung benötigt.​


Als der Obelisk lag, konnte auch die Bronzekugel der Spitze - heute in den Kapitolinischen Museen - untersucht werden.
Nein, sie enthielt nicht die Asche von Julius Caesar!


Fontana wurde reich entlohnt und bekam noch die Aufträge zum Aufrichten von drei weiteren Obelisken:
Vor dem Lateran, vor Santa Maria Maggiore und auf der Piazza del Popolo.​
 
Zügig durchschreite ich den von Bernini gestalteten barocken Petersplatz​


Bernini gestaltete den Platz von 1656-1667 im Auftrag Alexanders VII Chigi.
Die quergelagerte Ellipse mißt 340x240m. Die Kolonaden bestehen aus 284 Säulen und werden von 140 je 3,20m hohen Heiligen gekrönt.​


Bernini hatte mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen:
-Die Kassen waren leer, die Kirche stand kurz vor dem Staatsbankrott
-Das Gelände war unregelmäßig bebaut, d.h. viele Gebäude mußten gekauft und abgerissen werden
-Die Fassade des Petersdoms ist im Verhältnis zu ihrer Höhe zu breit.
-Der Obelisk steht nicht in der Mittelachse der Fassade​

 
Die Baugeschichte des Petersdoms bis Nikolaus V.


Eigentlich wollte ich nur über die Baugeschichte des Petersdoms unter Raffael und Michelangelo schreiben. Dabei mußte ich aber bemerken, dass man deren Anteil nur verstehen kann, wenn man sich mit der gesamten Baugeschichte befasst - und die hat es in sich!​

Gelände in der Antike
In der Antike befand sich hier der Circus des Caligula und des Nero.
Dazu ein Übersichtsplan.​


Blau = Antiker Circus
Rot = Alt-St.Peter
Schwarz= Petersdom mit Petersplatz​

Der Legende nach wurde der Apostel Petrus hier im Jahr 67 hingerichtet und neben dem Circus in einer bestehenden Nekropole bestattet.
Mitte des 2. Jahrhunderts wurde eine Abgrenzung zwischen christlicher und nichtchristlicher Nekropole errichtet, die sogenannte "Rote Mauer". Über der Stelle, an der man das Grab des Petrus vermutete, wurde eine mit Säulen gerahmte Nische in die Mauer geschlagen. Dieses Tropaion = Grabdenkmal war nach Osten, zur aufgehenden Sonne, ausgerichtet.
Um seinen Namen auf der Mauer eingravieren zu lassen, waren hohe Spenden nötig!

Kirchbau unter Kaiser Konstantin
Unter Kaiser Konstantin - und auf seine Kosten! - sollte nun hier eine Erinnerungsstätte für Christen gebaut werden. Etwa im Jahr 320 begannen die Planungen auf diesem Gelände für die Basilika. Durch die Ausrichtung der Gedenkstätte ergab sich auch jene der Kirche -
von Ost nach West.
Dies war auch von großem Vorteil für die Besucher, die ja aus Osten, von der Stadt Rom kamen.
Für den Bau mußte das hügelige Gelände nivelliert werden, also wurde im Norden Erde abgebaut, um im Süden aufgeschüttet zu werden. Auch wurden dadurch die Friedhöfe aufgelassen.
Der Grundstein wurde wohl zwischen 317 und 322 vom Kaiser selbst gelegt und schon am 18. November 329 wurde die Kirche von Papst Silvester I. geweiht.​

Alt-St.Peter war eine Typisch frühchristliche Kirche:
5 Schiffe, Querschiff und eine halbrunde Chorapsis.
Die Maße waren beachtlich:
Obwohl die Kirche ja nur an 2. Stelle nach der Lateranbasilika stand!
Fassadenlänge: 64 Meter
Querschiffbreite: 24 Meter
Hauptschiffhöhe: 30 Meter
Seitenschiffhöhe: 18 bzw. 15 Meter
Länge der Kirche: 90 Meter
Mit Atrium und Torbau sogar 208 Meter


Die Rotunde 1 wurde Ende des 4. Jahrhunderts als Mausoleum der Ehefrau des Kaisers Honorius erbaut, der Heiligen Petronilla geweiht und 1513 für einen Konterpfeiler des neuen Petersdom zerstört.
Die Rotunde 2 war noch aus severischer Zeit, dem Heiligen Andreas geweiht und wurde auch als Santa Maria delle Febbre bezeichnet.
In dieser Kapelle waren die ersten Grabstätten der beiden Borgia-Päpste, Alexander VI. und Calixtus III.

Im Atrium stand ein Brunnen für die rituellen Waschungen.
Er war mit dem Pinienzapfen geschmückt, der sich heute in den Vatikanischen Museen befindet.​


Unter Papst Gregor I. (590-604) wurde der Apsisboden erhöht und eine Krypta angelegt.
Dadurch wurde eine Confessio geschaffen und über dem Grab ein Hochaltar gebaut.​

Änderungen unter Nikolaus V. (1447-1455)
Aufgrund des instabilen Untergrundes kam es zu Neigungen der Längsmauern. Leone Battista Alberti erstellte bereits 1451 ein Mängelgutachten. Außerdem schielte Rom neidisch nach Florenz und dem neuen Dom mit der wundervollen Kuppel.
So wurde ab 1455 durch Bernardo Rosselino das Querschiff ummantelt und die Apsis verlängert - allerdings nur mannshoch!​

 
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