Im Rom des Gian Lorenzo Bernini

Caro Seneca,
Als ich Dein letztes Posting lass, musste ich an den hl. Benedikt von Nursia denken. Er gibt seinen Mönchen mit auf den Weg, das rechte Maß zu halten. Männern fällt das schon schwer. Nicht umsonst weist weißt er so eindringlich darauf hin. Tue das, was Du tun kannst - und das aus ganzen Herzen. Und das, was noch nicht wirklich geht, das muss halt ein wenig warten ...

dentaria hat schon Recht, wenn sie meint:
Bitte pass auf Dich auf!
 
Mein nächstes Ziel ist der Vier-Ströme-Brunnen Berninis.​

Der Weg führt mich über das Pantheon​



Die Piazza della Rotonda ist noch fast menschenleer​


Auf dem Brunnen das Wappen von Papst Clemens XI.​


Der Hinweis auf Papst Clemens XI., der den Obelisken 1711 hier aufstellen ließ​


Schöne Brunnen liegen auf dem Weg​


Vorbei an Sant´Ivo alla Sapienza​


Die Kuppel von Sant`Andrea della Valle von der Morgensonne beleuchtet​


Eigentlich möchte ich gerne die Piazza Navona durch die Kirche
Nostra Signora del Sacro Cuore di Gesù betreten.
Da jedoch gerade schon ein Gottesdienst stattfinde, verschiebe ich der Besuch auf später am Tag​

 
Die Piazza Navona liegt fast menschenleer vor mir.​

Bereits im Jahr 85 ließ Kaiser Domitian hier ein Stadion für athletische Wettkämpfe errichten. Wo heute Häuser, Palazzi und Kirchen stehen, waren einst die Tribühnenplätze für mehr als 30.000 Zuschauer. Reste sieht man am nördlichen Ende des Platzes.
Aus dem griechischen Wort "agon" für Wettkampf entwickelte sich durch diverse Verballhornungen der heutige Name. Zentrum des Platzes ist
Berninis Vier-Ströme-Brunnen

Der Auftrag
Innozenz X. Pamphilj wollte seine Zeit als Papst nutzen, um seine Familie zu verherrlichen und aus dem kleinen Palazzo an der Piazza Navona ein Zentrum barocker Architektur zu machen: Palazzo,
Familienkirche mit Grablege und Brunnen. Den Auftrag für den Bau des Brunnens erhielt Bernini von Papst Innozenz X. Pamphilj, der eigentlich kein Freund Berninis war. So lud er diverse Architekten zu
einem Wettbewerb ein, aber Bernini war nicht darunter. In dem Entwurf von Borromini sind bereits Flachreliefs der 4 Flüsse mit Obelisken zu sehen. Bernini verschaffte sich im Wettbewerb aber einen unlauteren Vorteil, indem er ein Modell der Brunnenanlage fertigte.
Es gibt 2 Versionen dieser Geschichte.
:arrow:Nicolo Ludovisi, der eine Papstnichte geheiratet hatte, aber auch Freund Berninis war, forderte ihn auf, ein Modell herzustellen. Dieses zeigte der Prinz dann dem Papst, der so begeistert war, daß er
ausrief:" Dieser Entwurf kann von niemand anderem sein als Bernini, und dieser Streich nur vom Fürsten Ludovisi, worauf man sich notwendigerweise Berninis wird bedienen müssen, denen zum Trotz,
die das nicht wollen, denn wenn man will, daß seine Entwürfe nicht gebaut werden, dann darf man sie nicht zu Gesicht bekommen".
:arrow:Die 2. Version ist weniger schmeichelhaft. Danach hat Bernini das Modell aus Silber gearbeitet und der habgierigen Schwägerin des Papstes, Donna Olimpia verehrt, die großen Einfluß besaß.
Als der Brunnen vollendet war und das Wasser endlich floß, war der Papst so begeistert, dass er ausrief: "Cavaliere Bernini, ihr habt mir mit dieser Gefälligkeit das Leben um 10 Jahre verlängert!"​

Der Obelisk

Es handelt sich nicht um ein ägyptisches Original, sondern Kaiser Domitian gab ihn im Jahr 81 in Assuan in Auftrag und ließ ihn beim Isis-Heiligtum aufstellen. Im 4. Jahrhundert wurde er von Kaiser
Maxentius in dessen Circus in der Nähe der Sebastianskatakomben aufgestellt. Dort lag er das gasamte Mittelalter über, zerbrochen aber sichtbar. Eigentlich wollte ihn schon der große Obelisken-Papst
Sixtus V. wieder aufstellen lassen, verstarb jedoch bevor er dies in Angriff nehmen konnte. Innozenz X. ließ ihn 1648 zur Piazza Navona bringen, wo er seinen Stadtpalast hatte errichten lassen.
Interessanterweise ist die Piazza Navona der ehemalige Circus des Auftraggebers Domitian. Ein Jahr später krönte Bernini mit ihm seine Brunnenkonstruktion und setzte an die Spitze eine Taube mit
einem Olivenzweig aus dem Wappen des Papstes - statt üblicherweise eines Kreuzes. Der Brunnen zeigt die ganze - damals bekannte - Welt die von der Christenheit beeinflußt wurde und den
Obelisken als Papst, dem der desamte Erdball huldigt.​

Die Figuren
Den Figuren sind Tiere und Pflanzen der entsprechenden Kontinente zugeordnet, die durch die personifizierten Flüsse dargestellt sind:
Die Donau - von Antonio Raggi: Die vor Anstrengung gekrümmten Gliedmaßen halten das Papstwappen. Der Donau ist das starke Pferd als Zeichen der Stärke des Christentums zugeordnet.​


Der Nil - von Jacopantonio Francelli: Das Gesicht ist verschleiert, da die Quelle damals noch nicht bekannt war. Ein Füllhorn verweist auf die Fruchtbarkeit des Landes, ergänzt von einem Löwen und
einer Palme.​

Der Ganges - von Claude Poussin: Er hält ein großes Ruder als Zeichen seiner Schiffbarkeit.​

Der Rio de la Plata - von Francesco Baratta: Als Symbol für den Reichtum fallen ihm Münzen aus der Tasche. Ergänzt wird er von einem Feigenkaktus. Seltsamesweise hat die Figur negroide Züge.​

Die Figuren könnten auch ihre Bedeutung für das Christentum darstellen: Der Ganges hat sich halb abgewandt, da der Kontinent erst teilweise christianisiert ist; Der Nil zieht sich gerade das Tuch der Unwissentheit vom Kopf; Der Rio de la Plata steht für den neuen Reichtum der Päpste; Die Donau als christliches Europa mit dem Wappen des Papstes als Zentrum des Christentums.​

Das Politikum
Für die Bevölkerung Roms galt damals: Nur ein Papst, der vor Teuerung und Hunger schützt, ist auch ein guter Papst. Daher mußte der Papst einen Schutzmechanismus errichten, um die arme
Bevölkerung vor der Gier der Oberschicht zu schützen. Das wichtigste Element war hierbei die Brotpreiskontrolle, durchgeführt von Getreidebehörde "Abbondanza". Dieser Verpflichtung hatte der Papst bereits seit Gregor dem Großen (590-604) nachzukommen. In wirtschaftlich schlechten Zeiten wurde aber nicht der Brotpreis erhöht, sondern das Gewicht des Brotes reduziert, in der Hoffnung, die Römer würden das nicht bemerken. Aber die kleinen Leute registrierten es sehr wohl und es gab häufig Demonstrationen unter dem Motto: "Schweres Brot, heiliger Vater!" Im Jahr 1648 kam es wegen Mißernten zu einer großen Hungersnot in Rom und es mußte Weizen zu hohen Preisen importiert werden. Da Innozenz X. für seine Prestigebauten auf der Piazza Navona viel Geld benötigte, sank das
Gewicht des Brotes auf die Hälfte des Mindestgewichts. Treibende Kraft war auch hier wieder die verhaßte Schwägerin des Papstes, die im Volk als "Päpstin" bezeichnet wurde, da sie einen übergroßen
Einfluß hatte. Aber nicht nur beim Brot war die Politik sichtbar. Um die steigenden Kosten der Bauten auf der Piazza Navona decken zu können, wurden neue Steuern auf Fleisch und Salz erhoben, was
die Versorgungssituation weiter verschlechterte. Der Vier-Ströme-Brunnen erhielt daher vom Volk den Namen "Hungerbrunnen".


 
Morgenstund´ hat Gold im Mund - das trifft auf Rom ganz besonders zu, wenn alles noch menschenleer und still ist... :nod:

Und dank Deiner anschaulichen Beschreibungen, Dentaria, werde ich mir die vier Ströme auf der Piazza Navona (hoffentlich) endlich merken können! ;)
 
Danke wieder einmal für die Hintergrundinformationen. Die Geschichte mit dem Brotpreis erinnerte mich an die Menschen, bei denen der Sprit bzw. das Tanken auch nicht teurer wird.
 
Liebe dentaria,
ich glaubte ja einiges über den Vier-Ströme-Brunnen zu wissen, aber Deine Recherchen haben mir viel Neues aufgezeigt. Herzlichen Dank dafür!

Padre
 
Und dank Deiner anschaulichen Beschreibungen, Dentaria, werde ich mir die vier Ströme auf der Piazza Navona (hoffentlich) endlich merken können! ;)
Das hoffe ich auch ;) - und sage herzlichen Dank für diese ausführlichen Beschreibungen! :thumbup:
 
Morgenstund´ hat Gold im Mund - das trifft auf Rom ganz besonders zu, wenn alles noch menschenleer und still ist... :nod:

Ja, das stimmt! Ich liebe meine Morgenspaziergänge.

Danke wieder einmal für die Hintergrundinformationen. Die Geschichte mit dem Brotpreis erinnerte mich an die Menschen, bei denen der Sprit bzw. das Tanken auch nicht teurer wird.

Wobei das mit dem Sprit ja "nur" ein Selbstbetrug ist im Gegensatz zum Brotgewicht!

Liebe dentaria,
ich glaubte ja einiges über den Vier-Ströme-Brunnen zu wissen, aber Deine Recherchen haben mir viel Neues aufgezeigt.

Es freut mich immer besonders, wenn ich für Dich Neues entdecke!

Und dank Deiner anschaulichen Beschreibungen, Dentaria, werde ich mir die vier Ströme auf der Piazza Navona (hoffentlich) endlich merken können! ;)
Das hoffe ich auch ;) - und sage herzlichen Dank für diese ausführlichen Beschreibungen! :thumbup:

Gerne - so schwierig ist das mit den Strömen gar nicht! ;)
 
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VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für die Fortsetzung


;) Als Leser (und Seher des Filmes) von Illuminati habe ich mich schon diverse Male fragt wie denn wohl bei der geringen Wassermenge im Becken des Vier-Ströme/Flüsse-Brunnens ein Mensch ertrinken kann - außer ...
 
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;) Als Leser (und Seher des Filmes) von Illuminati habe ich mich schon diverse Male fragt wie denn wohl bei der geringen Wassermenge im Becken des Vier-Ströme/Flüsse-Brunnens ein Mensch ertrinken kann - außer ...

Ja, das ging mir genau so :]. Ich hab zwar nur das Buch gelesen, aber diese Frage drängt sich mir regelmäßig auf, wenn ich vor dem Brunnen stehe.

Danke dentaria, für die ausführliche Beschreibung des Brunnens! Ich bin bei meinem Rom-Aufenthalt lange davor gestanden und rundherum gegangen, mit "unserem" Bernini-Buch in der Hand ;).

Deine morgendlichen Bilder haben eine ganz besondere Stimmung. :thumbup:Wunderschön! Danke auch dafür!
Wir waren diesmal nachmittags und abends auf der Piazza Navona; ich sehe schon, dass ich mir diesen Platz auch mal in morgendlicher Ruhe zu Eigen machen.
Kennst du den Film "Gente di Roma"? Da sitzen 2 alte Männer am späten Abend auf diesem Platz. Sehr stimmungsvoll.
 
Ich denke, die Piazza Navona muss man, wie viele andere Plätze, zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten besuchen, um den Charakter richtig zu erfassen.
 
Ja, Du solltest Dir die Piazza Navona unbedingt mal sehr früh ansehen! :nod:


Sag mal, wie früh warst du denn da eigentlich unterwegs?

Bisher war ich meinem BEVA zuliebe immer erst nach einem (nicht zu frühen) Frühstück mit ihm gemeinsam unterwegs.
Ich glaube, ich muss mal allein nach Rom und Manches in meinem Tempo zu meinen Zeiten erkunden... :~ :~ :~
 
Sag mal, wie früh warst du denn da eigentlich unterwegs?

Das war am 21.2.2010 um 7.45h.
Da war ich im Hotel Sole al Pantheon und habe den Spaziergang vor dem Frühstück gemacht.
Das wäre doch auch für Dich eine Möglichkeit! :idea:​

COOL!!! Ich wusste gar nicht, dass es das auch gibt. :thumbup:
Das wär was für mich - als Ureinwohnerin einer alpinen Adventmarkts-Hochburg :lol:

Nun, ich mache um die Innenstadt von Nürnberg während des Christkindles-Markt immer einen großen Bogen! ;) :~​
 
Das war am 21.2.2010 um 7.45h.
Da war ich im Hotel Sole al Pantheon und habe den Spaziergang vor dem Frühstück gemacht.
Das wäre doch auch für Dich eine Möglichkeit! :idea:​
Ok, 7:45 ist gar nicht so früh, wie ich anfangs gedacht hatte ;)
(der Februar erklärt, dass es kurz vor 8 für mich ausschaut, als wäre es halb sieben... )
Das ist für mich beim nächsten Rom-Besuch auf jeden Fall ein Muss: irgendwann richtig früh eine Runde zu einigen Lieblingsplätzen zu drehen. :nod: :thumbup:

Nun, ich mache um die Innenstadt von Nürnberg während des Christkindles-Markt immer einen großen Bogen! ;) :~

Das mach ich meistens auch, zumindest privat. Aber manchmal lässt es sich beruflich nicht vermeiden, und dann bin ich ganz froh, wenn ich das Gewuse und Gewurschtel hinter mir habe :~ :~ :~
Aber Weihnachtsmarkt in Rom ist ein ungewohnter Gedanke. Gefällt mir ;)
 
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