Rom etwas anders erlebt

Spoleto; Umbrien Teil 2

Als wir morgens aufwachten, hatten wir vom Hotelfenster aus dieses Bild.​


Nach dem italienischen Frühstück machte ich noch einige Aufnahmen in der reizenden Morgenstimmung.​


Dann fuhren wir los zum Treffpunkt. Unterwegs wurden wir telefonisch informiert, dass sich die Abfahrt um eine halbe Stunde verzögern würde. Ich nutzte die Zeit für einige weitere Fotos unten vom Tal aus.



Das mittlere Foto deutet es an. Im Winter wird es in dieser Gegend sehr kalt. Anders als in Rom fällt hier häufig Schnee. Deshalb verbringen unsere Gastgeber den Winter auch überwiegend in der römischen Wohnung.​

Nach den nächsten Fotos ging es endlich los nach Spoleto.​


Spoleto ist eine alte Stadt im Südosten Umbriens. Sie wurde etwa 800 vor Christus gegründet. Schon früh schloss die Stadt ein Bündnis mit Rom. Spoleto leistete Hanibal beim Sturm auf Rom heftigen Widerstand. Als stets papsttreue Stadt wurde Spoleto im 12. Jdt. von Barbarossas Truppen zerstört. Dem Papst war die Stadt bis zur italienischen Einigung stets treu ergeben.​

Die Altstadt von Spoleto ist am Hang gebaut. Über der Stadt thront die Rocca Albornoziana. Auf der Burg, die im 14. Jdt. erbaut wurde, herrschte auch drei Jahre lang Lucrezia Borgia. Nach dem letzten Weltkrieg diente die Burg als Kerker mit Hochsicherheitstrakt für Mitglieder der Brigade Rossi und der Mafia.​

Wir parkten an einer der vielen Kirchen Spoletos, vor San Domenico. Wie viele Kirchen in Umbrien und der Toskana sind die Außenmauern gestreift; hier weiß und rosa.​


Innen hat man diesen Blick.​


Spoleto ist Erdbebengebiet. Im Rahmen der Renovierung nach dem letzten Erdbeben wurden einige Reste alter Fresken freigelegt.​


In Spoleto kann man viele romantische, enge Gassen durchstreifen.​


Aus statischen Gründen sind die Häuser in den Gassen häufig durch Bögen verbunden.​


Dann tritt man aus einer Gasse heraus auf einen der Plätze mit Blick auf einen Palast oder eine Kirche.​

Es gibt nur wenige breitere Straßen. Der Autoverkehr ist in der Altstadt stark eingeschränkt.​


Weiter geht es durch die Gassen. Auf dem mittleren Foto hatten wir kurz einen Blick auf die Rocca, die Burg.​


Plötzlich sahen wir auf diesen schönen Platz, der mich sehr an den Campo in Siena erinnerte.​


Die flachen, breiten Stufen führen hinunter zum Dom Santa Maria Assunta. Der Dombau wurde im 12. Jahrhundert begonnen, musste aus finanziellen Gründen aber unterbrochen werden. Das Obergeschoss wurde während der Gotik errichtet. Für den Kirchenbau wurden viele Steinquader von alten, römischen Bauten verwendet. Auffallend sind die acht schönen Rosetten. Die Mittelrosette gilt als eine der schönsten in Umbrien.​


Hier noch einige weitere Details außen.​


Nun ein erster Blick ins Innere.​


In der Apsis strahlt Filippo Lippis letztes Werk, ein Freskenzyklus mit Szenen aus dem Leben Marias: Verkündigung, Geburt Jesu, Tod Marias und die Krönung.​



Die Darstellung der Verkündigung am Seitenportal der Marienkirche in Würzburg mit dem kleinen Jesuskind, das auf einem Höhrrohr aus dem Mund von Gottvater zum Ohr Marias rutscht, finde ich allerdings origineller (s. Bericht Forentreffen Würzburg).​

Auch ein Pinturicchio Fresko ist in einer Seitenkapelle zu sehen.​


Hier noch einige weiter Eindrücke aus dem Kirchenraum.​



Nach der Dombesichtigung stiegen wir wieder die flache Treppe hinauf zur Stadt.​




Wir folgten dem Pfeil nach Ponte delle Torri. Unterhalb der Burg läuft ein angenehmer, ebener Weg rund um den Burgberg. Von vielen Stellen aus hat man eine herrliche Sicht in das Umland. Zunächst ein Blick zurück auf den Dom.​


Auf dem rechten Foto sieht man deutlich, dass die Schmuckfassade einfach vor die Mauer des Domes gesetzt wurde.​

Zu dem nächsten Foto gibt es einiges zu berichten.​


Links, in der Mitte des Bildes sieht man einen schwarzen Kasten. Er ist der Eingang zu einer langen Rolltreppe. Wie auch in Perugia soll die Treppe helfen die Oberstadt weitgehend vom Autoverkehr freizuhalten. Dann ist die Stadtmauer deutlich zu erkennen. Außerhalb der Mauer stehen unten in der Ebene neuere Häuser. Viele Einwohner haben bereits die Häuser in der Oberstadt verlassen, die mühsam zu erreichen, eng und schwer zu beheizen sind. Viele Römer der Mittel- und Oberschicht haben in den Häusern der Altstadt Wohnungen eingerichtet, wo sie Wochenden und den Urlaub verbringen.​

Meine Aufmerksamkeit wurde von diesem Gebäudekomplex angezogen.​


Ich gehe davon aus, dass es sich um das Kloster San Ponziano handelt. Besonders die Krypta der Klosterkirche aus dem 12. Jdt. soll sehr interessant sein. Korinthische Säulen und Fresken aus dem 13. und 15. Jdt. sind dort zu sehen. Ich füge hier einmal einen Link zu einem entsprechenden Bericht von drhoette ein. Dort findet Ihr auch etwas zu anderen Kirchen, für die wir keine Zeit hatten.​

Wir spazierten weiter und sahen bald auf dieses Bauwerk.​



Es ist der Ponte delle Torri. Der mächtige Aquädukt überspannt mit 230 m Länge und 80 m Höhe das Tessino-Tal. Er führt zu einem Verteidigungsturm auf der anderen Seite. Goethe hat das Bauwerk irrtümlich als römisch antik eingestuft. Eine Gedenktafel zu Ehren unseres Dichterfürsten ist hier aufgestellt.​


Zurück in der Altstadt​


schauten wir uns noch zwei antike Bauwerke an; zunächst den Drususbogen.​


Der Bogen wurde zu Ehren zweier Konsuln des Kaisers Tiberius im Jahre 23 errichtet. Die Hälfte des Bogens steht heute unter dem Straßenniveau, wie das mittlere Foto zeigt.​

Das zweite Objekt ist das römische Amphitheater, das 3000 Besuchern Platz bot.​


Wir schlenderten nun durch Spoletos Gassen zurück zu unseren Autos.​


Die folgende Straße ist eine der breiten Einkaufsstraßen Spoletos.​


In Spoleto gibt es noch einige interessante Kirchen (siehe Link oben), für deren Besichtigung uns aber die Zeit fehlte. Wir fuhren nun zu einem Lokal in der Nähe Spoletos. Bei einem leichten Mittagessen nahmen wir Abschied von unseren lieben Gastgebern. Bei der Rückfahrt durchquerten wir bei Orte noch eine Gewitterfront. Bei starkem Regen und Hagel war für einige Minuten nicht ans Weiterfahren zu denken. Schließlich kamen wir aber wieder wohlbehalten in Rom an.​


Umbria, du siehst uns ganz bestimmt wieder.​
 
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In der Apsis strahlt Filippo Lippis letztes Werk, ein Freskenzyklus aus dem Leben Marias: Verkündigung, Geburt Jesu, Tod Marias und die Krönung.






Seit ich in deiner Übersicht im ersten Post "Spoleto" las, hoffte ich auf Filippo Lippi. Vor einigen Jahren habe ich mich in ihn und seine Werke "verliebt", voriges Jahr hatte ich in Prato Gelegenheit, einige davon ganz aus der Nähe zu sehen. Und ich war einfach hingerissen...
Vielen Dank für die wunderbaren Bilder!!! :thumbup: Du hast mir damit eine riesengroße Freude gemacht!
(Und mich wieder darin bestärkt, endlich selbst mal den Weg nach Spoleto zu finden...)

Ich freue mich schon auf die Fortsetzung deines Berichtes!
 
Caravaggiolina, diesen Gefallen habe ich Dir sehr gerne getan. Ich hoffe, dass ich mit einigen Szenen in Rom auch Dein Interesse wecken kann. Die Natur Umbriens kommt noch einmal im letzten Kapitel meines Berichtes zum Zuge.
 
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Pehda, schön dass Dir der bisherige Bericht gefällt. Zur Natur in Umbrien wird es natürlich im wesentlichen Fotos geben. Das eine oder ander finde ich ganz gelungen. Jetzt folgen aber erst mal zwei etwas formalere Kapitel, bevor es dann zur Kür geht.
 
Hallo Ludovico,
vielen Dank für Deine Fortsetzungen! Umbrien habe ich bisher noch nicht besucht. Deine Beschreibungen und Photos machen mich neugierig auf diesen Teil Italiens.

Einen schönen Abend wünscht
Padre
 
Danke Padre. Eigentlich verpflichtet Dein Nickname zu einem Aufenthalt in Umbrien. Für das Studium des Möchtums wäre das sicher ein idealer Ort. Schon vor Benedikt ließen sich hier v.a. syrische Mönche nieder.
 
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Nationalfeiertag - Parade

Der italienische Nationalfeiertag am 2. Juli bezieht sich auf die Gründung der Republik 1946. Traditionell findet an jedem Jahrestag in Rom auf der Via dei Fori Imperiali eine Militärparade statt. Natürlich dort; schließlich hat Musolini die Straße extra für solche Anlässe bauen lassen.
Wegen der Finanzkrise wurde das Budget schon im letzten Jahr auf 2 Mio€ halbiert und in diesem Jahr um eine weitere halbe Million reduziert. So wurde auf die kostspieligen Attraktionen Flug- und Reiterstaffel sowie auf schwere Fahrzeuge verzichtet. Da ich erst zum zweiten Mal an diesem Datum in Rom war, wollte ich mir das Spektakel trotzdem mal anschauen.

Mir ging es nicht darum möglichst nah am Geschehen zu sein. Ich wollte nur einen Eindruck gewinnen. Ich versah also meine Spiegelreflex mit einem ordentlichen Teleobjektiv, steckte noch eine Kompaktkamera als Reserve ein und zog mit einer Flasche Wasser bewaffnet los.
An der Metrostation Cavour stieg ich aus. Oben angekommen sah ich, dass die Straße für den Autoverkehr gesperrt und auch der Fußgängerverkehr reglementiert war. Ich suchte mir also einen Weg durch Monti Richtung Kolosseum. Oberhalb des Amphitheaters kam ich an der Mauer heraus. Rechts und links drängten sich die Zuschauer, Italiener wie auch Touristen. Schließlich fand ich an der Mauer ein kleines Plätzchen und zog meine Kameras aus dem Rucksack.



Ein Extrafoto für Gaukler.​


Rollskier wären bei den Temparaturen angebracht gewesen.​


Lange Reihen von Soldaten und Soldatinnen zogen in Reih und Glied im Gleichschritt vorbei,​


zu entsprechender Musik,​


dazwischen immer wieder Fahnen.​


Vor mir saß ein Mann in mittleren Jahren auf der Mauer, der nach einiger Zeit äußerte, dass er mehr Platz brauche. Geduldig zog ich die aufgestützten Arme noch ein wenig weiter zurück, damit er sich lang ausstrecken konnte. Als er wieder nach einiger Zeit äußerte, dass er schon seit 7 Uhr hier und ich ja spät gekommen sei, riss mir langsam der Geduldsfaden. Ich musste mich zusammenreißen um ruhig zu fragen "und damit haben sie das Recht auf zwei Quadratmeter Platz erworben"? Da er sich danach ruhig verhielt, zog ich schließlich weiter. Die Parade war ja nicht mein wichtigstes Ziel an diesem Tag.​

Ich schlenderte nach links Richtung Celio und schoss einige weitere Fotos, wo sich Lücken zwischen den Zuschauern auftaten.​


Wie man hier schon sehen kann, war es keine reine Militärparade sondern eher eine Parade der Sicherheitskräfte, wie man auch auf einigen der folgenden Fotos erkennen kann. Jedenfalls beherrschten die Damen mit dem roten Kreuz auf der Brust den Gleichschritt perfekt.​

Ich ging weiter zur Biegung hinter dem Kolosseum, wo sich die einzelnen Gruppen formierten.​


Das Polizeiaufgebot war enorm, sowohl für die Absperrung der Straßen als auch für die Absicherung des Paradeweges.​



Wieder einige Schritte weiter noch ein paar Fotos.​


Da der direkte Weg zum Circus Maximus versperrt war, ging es weiter zum Ludus Magnus, der alten Gladiatorenkaserne hinter dem Kolosseum.​


Dann war die Parade für mich vorbei. Angenehm für mich war, dass hinter dem Kolosseum eine lange Reihe Toilettenhäuschen aufgestellt waren.

Auf dem Weg zum Roseto parkten hinter dem Circus Maximus einige Mannschaftsbusse.


Wer großen Spaß an solchen Veranstaltungen hat, sollte sich sehr früh direkt an der Strecke, am besten auf der Via dei Fori Imperiali oder auf der Piazza Venezia einen geeigneten Platz suchen. Wer nur mal einen Eindruck gewinnen möchte, der kann es machen wie ich. Und, wer überhaupt kein Interesse an so etwas hat, der verpasst auch nicht viel. Er sollte aber daran denken an diesem Tag das Gebiet zwischen Kolosseum und Piazza Venezia weitläufig zu umgehen. Vielleicht wäre der Besuch des Quirinals, wo auch immer besondere Veranstaltungen zum Nationalfeiertag stattfinden für mich eine bessere Idee gewesen.​
 
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Lieber Ludovico,
herzlichen Dank für Deinen Bericht über die Parade zum italienischen Nationalfeiertag. Auch wenn die Mittel für die Parade gekürzt wurden, war es wohl trotzdem ein großes Spektakel. Mir persönlich ist solch ein militärisches Gedöns eher suspekt, aber wenn ich in Rom gewesen wäre, dann hätte ich es mir sicher auch angesehen.

Herzlichen Gruß
Padre
 
Lieber Ludovico,
herzlichen Dank für Deinen Bericht über die Parade zum italienischen Nationalfeiertag. Auch wenn die Mittel für die Parade gekürzt wurden, war es wohl trotzdem ein großes Spektakel. Mir persönlich ist solch ein militärisches Gedöns eher suspekt, aber wenn ich in Rom gewesen wäre, dann hätte ich es mir sicher auch angesehen.

Herzlichen Gruß
Padre

Das geht mir ähnlich. Als ich am 31.5. mit Amica Rom einen kurzen Besuch abstattete haben wir überall die Tribünen an der Via dei Fori Imperiale gesehen. Jetzt weiß ich auch warum.

Ich gehöre wohl eher zu den Leuten die an so einem Tag das Gebiet weiträumig meiden. Militärparaden sind so gar nicht mein Ding. Und ich rechne es der Regierung hoch an dass sie auf das viel teurere Spektakel verzichtet hat.
 
Lieber Padre, liebe Tizia,
so ganz will oder kann man auf das traditionelle Spektakel nicht verzichten Es säumen doch immer noch viele Menschen, oft mit Fähnchen in den Landesfarben bewaffnet, den Weg der Parade. Wie viele andere Nationen, haben die meisten Italiener doch ein ganz anderes Verhältnis zu den Symbolen der Nation als wir Deutschen.

Lieber Padre, die Objekte des nächsten Kapitels dürften Dir wohl kaum suspekt sein ;) :nod:.
 
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Lieber Padre, liebe Tizia,
so ganz will oder kann man auf das traditionelle Spektakel nicht verzichten Es säumen doch immer noch viele Menschen, oft mit Fähnchen in den Landesfarben bewaffnet, den Weg der Parade. Wie viele andere Nationen, haben die meisten Italiener doch ein ganz anderes Verhältnis zu den Symbolen der Nation als wir Deutschen.

Auch im römischen Alltag ist mir immer aufgefallen, dass man vielen Leuten in Uniform begegnet. Und zwar nicht nur aus dem militärischen, sondern auch dem zivilen Bereich, was es bei uns ja kaum noch gibt.

Ich hätte diese Parade sehr gerne gesehen, nicht zuletzt deshalb, weil sowas bei uns ja praktisch nie veranstaltet wird. Aber in aller Frühe einen guten Platz sichern...? :?

Jedenfalls vielen Dank, Ludovico, für diese ungewöhnlichen Eindrücke aus Rom.
 
Ich hätte diese Parade sehr gerne gesehen, nicht zuletzt deshalb, weil sowas bei uns ja praktisch nie veranstaltet wird. Aber in aller Frühe einen guten Platz sichern...? :?

Es ist aber so, wer nah am Geschehen sein will, möglichst in der Nähe des Podestes für den Präsidenten, der muss das frühe Aufstehen in Kauf nehmen.
Vielleicht könnte man auch jetzt schon mal anfangen Beziehungen zu knüpfen. Dan könnte im nächsten Jahr eventuell eine Einladung als Ehrengast herausspringen :~;).
 
Siebenkirchenwallfahrt, Teil 1

Da ich ursprünglich aus dem Fränkischen komme, ist mir das Wallfahren von Kind an vertraut. Im Frankenlied heißt es bekanntlich "Wallfahrer ziehen durch das Land mit fliegenden Standarden". Alljährlich zogen mehrere Gruppen mit Fahnen, Blechmusik und einem Wagen für das Gepäck und die Fußkranken an unserem Haus vorbei. Natürlich kenne ich die sieben Pilgerkirchen in Rom schon lange. Als dann Padre hier mit seiner Siebenkirchenwallfahrt auftauchte, reifte in mir die Idee, das auch einmal anzugehen, und zwar zu Fuß.

Ich stöberte etwas im Internet und stieß auf zwei interessante Artikel. Der Artikel im kath-net war sehr informativ. Die Siebenkirchenwallfahrt hat eine sehr lange Tradition, die bis in die späte Antike zurückreicht. Philipp Neri ließ diese alte Tradition im 16. Jahrhundert wieder aufleben und machte die Siebenkirchenwallfahrt populär. Doch das Wallfahren ist ein gesellschaftliches Ereignis, zu dem eine Gruppe Gleichgesinnter gehört. Auch die gemeinsamen Mahlzeiten gehören dazu. Ich aber war allein. Die üblichen Gebete und Gesänge einer Wallfahrt sind auch nicht auf Solisten sondern auf Chöre zugeschnitten. Außerdem fragte ich mich, wie weit ist das? Welche Strecken muss ich gehen?

Da stieß ich auf den zweiten Artikel, der mich zu folgendem Link führte: Wallfahrt-Kevelar (Vorsicht das ist ein gescannter Text von einem gebundenen Heft; die erste und die letzte Seite sind auf einem Blatt abgebildet usw.). Dahinter versteckte sich überraschend die fertig ausgearbeitete Siebenkirchenwallfahrt Rom. Damit waren die meisten meiner Fragen beantwortet. Blieb noch das Thema Gebetstexte. Die meisten Texte in dem Dokument sprachen mich nicht an. Ich kam schließlich zu dem Entschluss mich ohne feste Texte auf den Weg zu machen. Das Ziel war klar, ein Tag Auszeit vom Touristentrubel nehmen und den langen Weg von Kirche zu Kirche zum Nachdenken nutzen. Es wurde also keine Wallfahrt sondern eine Pilgerwanderung.

Da trockenes, sonniges Wetter angesagt war, packte ich in meinen Rucksack nur ein Brot, zwei Stücke Obst, eine Wasserflasche, das Dokument aus dem Internet und für alle Fälle einen großen Stadtplan. Auf den weiten Weg zog ich gut eingelaufene Schuhe und bereits getragene Socken an (ich war schließlich mal bei der Bundeswehr). Auf den Kopf kam noch eine Schirmmütze (zu viel Sonne schadet der Schönheit 8):D). Natürlich wollte ich das Ganze auch dokumentieren. Die große Spiegelreflex ließ ich in der Wohnung und steckte nur meine beiden Kompaktkameras ein, eine für draußen und eine für drinnen. So bepackt stand ich um halb sieben hier,


vor dem noch leeren Petersplatz. Wegen der Renovierungsarbeiten an den Kolonnaden sind die Kontrollen jetzt auf der linken Seite. Dort boten sich diese Bilder,


etwa zweihundert Menschen, darunter viele Ordensleute und Geistliche. Wir mussten noch eine viertel Stunde warten und konnten schließlich nach dem üblichen Check passieren.

Als ich den Dom betrat, strebten die meisten der Besucher zielstrebig einen Seitenaltar an.


Es war der Altar mit dem Sarg von Johannes Paul II. Ich begab mich zu einer Gruppe von etwa 25 Personen vor dem ruhenden Johannes XXIII, meinem Lieblingspapst. Die Messe war in Italienisch. Durch den einheitlichen Ritus konnte ich gut folgen, auch wenn ich bei weitem nicht alles verstand. Störend für die Andacht fand ich den lauten Gesang von der großen Gruppe. Der Petersdom ist zwar groß, doch im wesentlichen gebaut für große Papstmessen. Für mehrere Gruppen sollten eigentlich stille Messen vorgeschrieben werden.

Das Petrusgrab unter dem Papstaltar ist natürlich das geistliche Zentrum des Petersdomes und sollte damit auch für mich der Ort für das Gebet sein. Dort herrschte aber schon reger Verkehr. So kam mir der Gedanke, diesmal einige der Kunstwerke zum Gegenstand meiner Gedanken zu machen. Einmal nicht die Brille aufsetzen, mit der ich sonst die Werke betrachte, sondern mich auf den religiösen Gehalt zu konzentrieren. Das klappte gut. Wenn die meisten der zahlreichen Papstgrabmale auch nicht geeignet schienen, so fand ich doch einige Objekte:



den sonst belagerten Petrus mit dem erhobenen Finger und dem Himmelsschlüssel​



den Stuhl Petri und die Taube darüber​


die Insignien an den Vierungspfeilern, wie hier das Schweißtuch der Veronika​


die vier Tugenden an Berninis Grabmal für Alexander VII, oder gar den Tod mit dem Stundenglas​


und schlussendlich Michelangelos Pieta, meine Pieta. Wie oft habe ich schon davorgestanden und über die beiden Personen der Skulptur nachgedacht.​

Natürlich gehört für mich auch das Grabmal für Johannes den XXIII dazu. Dieses habe ich fast schon so oft betrachtet wie die Pieta. Für ein Foto war es aber zu dunkel.​

Das folgende Bild zeigt das Getümmel vor dem Seitenaltar mit dem Sarg von Johannes Paul II.​


Ich verließ die Kirche,​


setzte mich an die Kolonnaden und verzehrte eine Banane. Als ich dann zurück wollte, um die Toiletten aufzusuchen, sollte ich noch einmal durch die Sicherheitsschleusen. Die Warteschlange war mir aber zu lang. Ich kann nur sagen, schlechte Organisation. An so einem Platz den Zugang zu den Toiletten so zu erschweren ist schon ein starkes Stück.​

Auf ging es zum längsten Teilstück nach Sankt Paul vor den Mauern. Ich hatte zunächst überlegt, ob es sinnvoll wäre über den Gianicolo zu laufen, wählte aber dann doch die vorgeschlagene flache Strecke durch den Borgo Santo Spirito Richtung Trastevere, an der Villa Farnesina vorbei (ach), zu Santa Maria in Trastevere, grobe Richtung Santa Cecilia, zur Porta Portese, über den Tiber und durch Testaccio, wo ich vorher noch nie gelaufen bin.​


Als ich hinter dem Friedhof an der Pyramide vorbeiging, fiel mir plötzlich das kleine runde Gebäude neben der Stadtmauer auf.​


Ich trat näher.​


Das Gebäude und das dahinterliegende Gelände entpuppten sich als Soldatenfriedhof.​


Ein kurzes Gedenken der Gefallenen und schon ging es weiter durch die Stadtmauer auf die Viale Ostiense. Die Strecke durch Garbatella war mir bereits vom Besuch der Centrale Montemartini im Juli 2011 her bekannt. Schließlich entdeckte ich hinter dieser modernen Skulptur​


mein nächstes Ziel, Sankt Paul.​



Bereits vor der Kathedrale macht man Bekanntschaft mit Paulus. Der große Verbreiter der Lehre Jesu, fast immer mit dem Schwert abgebildet.​


Petrus und Paulus an der Eingangspforte​


Warum erwähnt Paulus den obersten Apostel nicht in seinen Briefen, obwohl sie doch zur gleichen Zeit in Rom gewesen sein sollen? Wolte er ihn schützen?​

Sankt Paul war blau bestuhlt. Nur wenige Besucher waren zu sehen.​


So konnte ich mich hinter dem Papstaltar in der Nähe des Grabes von Paulus niedersetzen und in Ruhe meinen Gedanken nachgehen, die mir beim Betrachten der Objekte um mich herum durch den Kopf gingen.​


Ich hätte auch noch im Kreuzgang wandeln können. Da mein nächstes Ziel, San Sebastiano auf der Via Appia Antica, bereits um 12 Uhr schließt, zog ich es aber vor weiterzuziehen.​

Eine kurze Betrachtung des Bildes, das die Bekehrung des Saulus zeigt,​


dann ging es über die Viale Ostiense hinweg die lange Via delle Sette Chiese ostwärts. Diese Strecke fand ich zum großen Teil angenehm. Es ging überwiegend durch bessere Wohngegenden, teilweise durch Fußgängerzonen.​


Als ich diese Bilder vor mir sah, wusste ich, dass es bald geschafft war.​


Ich war auf dem Gelände angekommen auf dem die Katakomben an der Via Appia liegen. Nicht mehr weit, rechts herum, dann stand ich vor San Sebastiano.​


Auch hier war wenig Betrieb.​


Durch die Pforte​


trat ich in das Innere.​


Natürlich steht hier der heilige Sebastian, der Märtyrer, der unter dieser Kirche in den Katakomben begraben wurde, im Mittelpunkt. Warum nur wird er immer mit den Pfeilen abgebildet, die ihn nicht töten konnten, wo er doch erschlagen wurde?​



Auch die Figur des Salvator Mundi, das letzte Werk von Bernini (eine interessante Geschichte dazu von Claude) gäbe genügend Stoff zum Nachdenken.​

Ich setzte mich zur Meditation in eine Bank vor dem Altar, wohin keine Besucher kamen.​

Wohin gehst Du?​


Diese Frage stellte sich, was den Fußweg betrifft, nicht; etwa für den geistigen Weg?​

Ich ließ mich bei Brot und Wasser im Schatten auf einer der Steinbänke nieder.​

- Mittagspause, Ende Teil 1 -​
 
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Lieber Ludovico,
vielen Dank für diesen so persönlichen wie informativen Pilgerwegbericht. Ich bin dir gerne auf deinen Wegen gefolgt. Da hast du ja gewaltige Fußmärsche hinter dich gebracht. Mir fehlen ein wenig die Worte, doch hast du so schön geschrieben dass es auch keiner weiteren Worte bedarf.
Eine gute Nacht wünscht
Tizia
 
Lieber Ludovico,

Gedankensuebertragung, ich habe Dich und Forum sehr vermisst, und komme jetzt online, habe das wunderbaren Kapitel Siebenkirchenwallfahrt, Teil 1 gelesen.:thumbup:
vielen Dank fuer sharing! Der Bericht hat mir wieder Mut und Kraft gegeben.
ich melde mich an Wochenende, habe diese Woche viel zutun.

Danke!
Qing
 
Lange Reihen von Soldaten und Soldatinnen zogen in Reih und Glied im Gleichschritt vorbei,​


zu entsprechender Musik,​





Danke für den Bericht über die Parade zum 2. Juni!
Man muss es den Italienern lassen, dass sie in ihrem - bei uns in Österreich manchmal belächelten - Nationalstolz und ihren - bei uns ebenfalls oft belächelten - bunten und farbenprächtigen Uniformen wirklich eine schöne Parade zustande bringen. Es ist sicher interessant, das einmal live zu sehen.

Und DANKE vor allem für den Bericht über deine Siebenkirchenwallfahrt! Seit ich bei padre davon gelesen habe, reift in mir der Wunsch, sie ebenfalls einmal zu gehen.
Zwar wird das noch einige Zeit dauern, aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Die bisher von dir besuchten und beschriebenen Kirchen kenne ich bereits. Deine Eindrücke haben schöne Erinnerungen geweckt. Ich freue mich auf die Fortsetzung des Pilgerweges.
 
Hallo Ludovico,
ich schließe mich meinen Vorschreiberinnen gerne an. Deine Sieben-Kirchen-Pilgerwanderung rührt mich an und ich freue mich, dass sie immer noch möglich ist. Ich persönlich habe sie noch nicht gemacht, kenne aber liebe Menschen, die sich ihrer immer noch gerne erinnern, obwohl sie Jahrzehnte zurück liegt. Ich werde Deinen Bericht sicher noch einmal intensiv lesen. Vielen Dank für Deine Beschreibung.
Grüße
Pasquetta
 
Lieber Ludovico,
eben habe ich den ersten Teil Deines Pilgerberichtes gelesen, der bei mir viele, schöne Erinnerungen weckt. Als mein Mit-Pilger Umberto und ich die erste Station "St. Peter" besuchten, ist es uns ganz genauso ergangen:

Ludovico ROB schrieb:
Die meisten Menschen sammelten sich vor dem Altar mit dem Sarg von Johannes Paul II. Ich begab mit zu einer Gruppe von etwa 25 Personen vor dem ruhenden Johannes XXIII, meinem Lieblingspapst. Die Messe war in Italienisch. Durch den einheitlichen Ritus konnte ich gut folgen, auch wenn ich bei weitem nicht alles verstand. Störend für die Andacht fand ich den lauten Gesang von der großen Gruppe. Der Petersdom ist zwar groß, doch im wesentlichen gebaut für große Papstmessen. Für mehrere Gruppen sollten eigentlich stille Messen vorgeschrieben werden.

War der Priester ein älterer, grauhaariger Herr mit Seitenscheitel, der nach der Messe noch freundlich zu den Gottesdienstbesuchern sprach?

Bisher habe ich Sankt Paul vor den Mauern immer unbestuhlt erlebt. Mit der Bestuhlung wirk der Raum ja total anders!

San Sebastiano ist eine schöne Kirche, die ich bisher nur einmal besucht habe. Schön, dass Du in den bisher beschriebenen Kirchen auf wenige Besucher gestoßen bist, dies war sicherlich für Dein Vorhaben förderlich!

Ich freue mich, dass Du die Siebenkirchenwallfahrt in die Tat umsetzen konntest (und so konsequent zu Fuß und nur mit den Nötigsten ausgestattet).

In Vorfreude auf Deinen weiteren Weg

Dein
Padre
 
Danke für Eure Rückmeldungen und das rege Interesse. Nun ist ja streckenmäßig die Mittellinie schon überschritten. St. Peter war auf meinem Weg wirklich die größte Herausforderung. Selbst San Giovanni ist dagegen wie ein Kurort.

Lieber Padre, ja, es war ein älterer Priester, wie Du ihn beschrieben hast, der unsere Messe zelebriert hat. Er ist allerdings am Ende der Messe direkt mit dem Messdiener zur Sakristei gegangen.
 
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