Im Rom des Gian Lorenzo Bernini

Bei meinem allerersten Rombesuch im Oktober 1996 durfte man auch noch in den Chorbereich.

Gerne habe ich wieder mit Dir Bekanntes überdacht. Und es ist immer wieder erstaunlich - und ich werde dabei manchmal leicht nostalgisch ;) - wie sich die Möglichkeiten etwas zu besichtigen, im Laufe der Zeit verändert haben :(, in Rom allgemein und in St. Peter ganz besonders...
 
Mir erschien der Petersdom schon beim Erstbesuch 1974 mehr Museum als Kirche zu sein. Das hat sich in den Folgejahren ständig weiter in diese Richtung verändert. Kein Wunder, dass der Vatikan immer stärkere Restriktionen einführen muss. Ich möchte mal wissen, was die laufenden Kontrollen und die Aufsicht kosten. Diesem Aufwand stehen keine direkten Einnahmen gegenüber, wie sie ein Museum verzeichnen kann.
 
Ich möchte mal wissen, was die laufenden Kontrollen und die Aufsicht kosten. Diesem Aufwand stehen keine direkten Einnahmen gegenüber, wie sie ein Museum verzeichnen kann.

Oh ja :nod:, das kann man laut sagen. Wenn ich allein an die täglichen Reinigungsarbeiten denke 8O(wenn man früh morgens in St. Peter ist, dann kann man das ja noch teilweise beobachten), bei den vielen Füßen, die tagein tagaus, über den Marmorboden schlürfen... x(
 
So, nach langer Pause geht es endlich weiter:

Berninis (und Borrominis) Baldachin im Peterdom

Über die Baugeschichte des Petersdoms hatte ich ja bereits geschrieben. Heute enthält der Dom 44 Altäre, 395 Statuen, 778 Säulen und 135 Mosaike. Aber als Bernini begann, im Petersdom zu arbeiten, war dieser fast leer und bot damit den Künstlern des Barock genügend Raum, ihr Können zu verewigen. Auch die Auftraggeber sollten und wollten ruhmreich in Erinnerung bleiben. Es heißt, Urban VIII. hätte Bernini bereits am Tag nach seiner Wahl (am 6. August 1623) zu sich gerufen und mit diesen Worten begrüßt: "Es ist ein großes Glück von Euch, Cavaliere Bernini, Maffeo Barberini als Papst zu sehen. Aber noch größer ist unser Glück, dass während unseres Pontifikats der der Cavaliere Bernini lebt." Urbans Ziel war es, das Zentrum des Peterdomes zu gestalten und sich dadurch unsterblich zu machen. Es gab bereits Vorgänger des jetzigen Baldachins, jedoch kleiner und aus vergänglicherem Material. Nun war ein Entwurf gesucht, der zwar monumental war, dennoch aber freie Sicht zum Chor gewährte.

Das Bild ist leider etwas zu dunkel geworden - dafür war der Dom aber menschenleer.

Borromini - der große Rivale
Geboren 1599 als Francesco Castelli im Tessin und damit nur 1 Jahr jünger als Bernini, war dieser sein künstlerisches Schicksal. Borromini war bereits mit 9 Jahren Steinmetz-Lehrling am Mailänder Dom.
Wann immer Bernini ihn provozieren wollte, dann nannte er Borrominis Stil daher gotisch - im Rom des Barock ein Schimpfwort. Nach Abschluß seiner Ausbildung ging er nach Rom und nahm dort seinen neuen Namen an - aus Verehrung dem heiligen Karl Borromäus aus Mailand gegenüber? In Rom angekommen fand er Unterschlupf bei einem Verwandten und durch diesen dann Kontakt zum
Dombaumeister Carlo Maderno. Sehr bald schon wurden dem jungen Mann Planungen übergeben, bei denener sein Können und seine Kreativität unter Beweis stellen konnte. Auf der Dom-Baustelle traf der introvertierte Borromini dann auf den selbstbewußten Bernini, der 1629 nach dem Tode Madernos dessen Amt übernahm.

Zusammenarbeit von Bernni und Borromini


Von 1624 bis 1633 arbeiteten - zunächst harmonisch - diese beiden besten Architekten des Barock in Rom gemeinsam. Ihr Hauptwerk war der Bronzebaldachin im Petersdom - 29 Meter hoch und 63
Tonnen schwer - der aber fälschlicherweise meist als alleinige Arbeit Berninis gilt. Die Kosten des Werks betrugen schließlich 200 00 Scudi - ein zehntel der jährlichen Einnahmenen des Vatikan zu diesen
Zeiten. Es erübrigt sich wohl, zu erwähnen, dass Borromini nur einen Bruchteil des Honorars Berninis bekam. Allerdings war bei der feierlichen Enthüllung am 29. Juni 1633, des Namenstages der Apostel Petrus und Paulus, die Begeisterung auch riesig.

Herstellung
Die Arbeit am Baldachin dauerte 11 Jahre, von 1624 bis 1635; bis 1633 wurde er von Borromini unterstützt, der die Probleme der Statik und der Gußtechnik löste. Bernini ließ sich bei dem Werk von
einem Prozessionsbaldachin inspirieren. Für den Baldachin benötigte man Unmengen von Bronze, die teilweise vom Pantheon genommen wurden was für einen Spottvers der Römer sorgte: „Quod non
fecerunt Barbari, fecerunt Barberini“ – „Was die Barbaren nicht schafften, schafften die Barberini“. Wegen der Monumentalität des Säulen wurden sie in fünf Teilen gegossen: Säulenfuß, drei
Säulenelemente und schließlich das Kapitell zur Aunahme der Bekrönung. Die Gießerei lag im Südwesten des Doms und bestand aus einem mehrere Meter hohen Ofen mit Blasebalgen um die Hitze
erhöhen zu können und der Gußform. Diese Formen bestanden aus einem Tonkern mit Wachsummantelung und den Verzierungen (auch richtige Blätter - sogar Eidechse und Rosenkranz - wurden
verwendet, die beim Guß ja ausbrannten). Alleine diese Gußarbeiten dauerten circa 2 Jahre. Die Bronzeteile wurden von Ochsengepannen in den Dom gebracht, von Holzkränen in Position gebracht und von innen miteinander vernietet. Diese Nähte wurden dann noch von außen verschweißt und mit kunstvollen Ringen bedeckt. War dies alles erledigt, so goß man die Säulen noch mit Mörtel aus. Auf die
Kapitelle wurden noch 1,5 Meter hohe Konsolen gesetzt, um die Bekrönung besser wirken zu lassen. Auf die 4 Ecken des Baldachinhimmels setze Bernini Engel, die - anscheinend - leichte Bänder halten, die zur Weltkugel nach oben führen. Die Idee, anstelle der Kugel eine Christusfigur zu setzen, mußte Bernini aus statischen Grunden aufgeben. Die Bekrönung besteht aus einem mit Kupfer überzogenem Holzkern, der mit vielen Putten bestückt ist.


Aufstellungsort
Problematisch war der Aufstellungsort des Baldachin, denn das Petrusgrab lag nicht mittig unter der Kuppel, sondern 7 Meter weiter westlich. Dieses Problem löste Maderno 1616, indem er die Confessio
anlegte und diese so weit in das Kirchenschiff hineinzog, das das Ensemble mit Altar und Baldachin wirkt, als sei es mittig unter der Kuppel.


Die massiven Fundamentierungsarbeiten bis in den Bereich
des antiken Friedhofs riefen laute Proteste hervor, die aber Urban VIII. unberührt ließen.

Darstellung



Die 4 Säulen stehen auf 2,5 Meter hohen Postamenten

deren Außenseiten das Barberini-Wappen schmücken. Die Säulen selbst sind von Lorbeeranken und Bienen umgeben. Immer wieder tauchen auch Sonnen auf - die Gnadensonne als persönliche Imprese des Papstes. Die Windung der Säulen sollte die Verbindung zum Salomonischen Tempel in Jerusalem herstellen. Bereits in Alt-St. Peter gab es gewundene Säulen, die bei der Vierung wiederverwendet werden sollten - dazu aber später mehr.
 
Liebe dentaria,
ich sitze gerade im Zug nach Westerland und habe ebnen Deinen neusten Abschnitt als Reiselektüre genossen. Ich bin immer wieder über die Details erstaunt, die Du uns hier präsentierst. Da ich im Augenblick alle paar Minuten aus dem Internet geworfen werde, möchte ich es erst einmal hiermit belassen. Herzlichen Dank für diese informative Fortsetzung!

Lieben Gruß
Padre
 

Ganz herzlichen Dank für Dein Lob!

Einen schönen Aufenthalt auf Sylt wünscht Dir

dentaria​
 
Liebe Dentaria,
ich freue mich sehr, dass dein Bericht weiter geht. Ich lese ihn mit großer Begeisterung und ich bin sehr beeindruckt was du alles weisst und recherchierst.

Am liebsten würde ich mir deinen ganzen Bericht ausdrucken und mit nach Rom nehmen :nod: ;).

Aber ich versuche mir mal das Wichtigste zu merken, im April wird dann abgefragt :lol:
 
Vielen Dank für die interessante und detailreiche Fortsetzung, dentaria! :thumbup:


Am liebsten würde ich mir deinen ganzen Bericht ausdrucken und mit nach Rom nehmen :nod: ;).

Also das hab ich bereits so gemacht ;), pecorella. Und mich mehrfach im Geist vor dentaria verneigt, weil es eine so wunderbare Bereichergun meiner Streifzüge auf Berninis Spuren war :thumbup: :nod: :thumbup:
 
Am vergangenen Samstag konnte ich gemeinsam mit Ludovico die neu restaurierte Hofkirche in Würzburg besuchen. Auch dort gibt es 4 gedrehte - also salomonische - Säulen. Sie flankieren Werke von Tiepolo.​

Ich war im Nov. in Würburg, die Kirche war leider noch zu
 
Am liebsten würde ich mir deinen ganzen Bericht ausdrucken und mit nach Rom nehmen :nod: ;).
Habe ich am Weihnachten gemacht, werde auch am Ostern deine Werke mitnehmen.
vielen Dank für die Fortsetzung:thumbup:
Wenn Anna eines Tages Kunst studieren sollte, schicke ich sie gleich zu Dir!

schönen Tag!
LG von
Qing
 
Liebe Dentaria,
ich freue mich sehr, dass dein Bericht weiter geht. Ich lese ihn mit großer Begeisterung und ich bin sehr beeindruckt was du alles weisst und recherchierst.

Am liebsten würde ich mir deinen ganzen Bericht ausdrucken und mit nach Rom nehmen :nod: ;).

Vielen Dank für die interessante und detailreiche Fortsetzung, dentaria! :thumbup:


Am liebsten würde ich mir deinen ganzen Bericht ausdrucken und mit nach Rom nehmen :nod: ;).

Also das hab ich bereits so gemacht ;), pecorella. Und mich mehrfach im Geist vor dentaria verneigt, weil es eine so wunderbare Bereichergung meiner Streifzüge auf Berninis Spuren war :thumbup: :nod: :thumbup:

Am liebsten würde ich mir deinen ganzen Bericht ausdrucken und mit nach Rom nehmen :nod: ;).
Habe ich am Weihnachten gemacht, werde auch am Ostern deine Werke mitnehmen.
vielen Dank für die Fortsetzung:thumbup:
Wenn Anna eines Tages Kunst studieren sollte, schicke ich sie gleich zu Dir!

schönen Tag!
LG von
Qing

Ganz herzlichen Dank für Euer Lob - es läßt mich erröten! :blush:

Ich freue mich schon sehr darauf, Anna kennen zu lernen. :nod:​
 
Die Vierung

Bereits vor der Weihe des Baldachins bekam Bernini 1629 den nächsten Auftrag im Vatikan - die Neugestaltung der Vierung. Papst Urban VIII. drängte auf eine rasche Fertigstellung, da er das Ensemble noch erleben wollte, was auch gelang. Daher wurden, um früher fertig zu sein, 4 Künstler für die 4 monumentalen Heiligen-Figuren in den Vierungs-Pfeilern bestimmt, die Oberaufsicht sollte aber Bernini ausüben. Es war der Wunsch des Papstes, die zum Baldachin gewandten Vierungspfeilerflächen durch Nischen zu verschönern und darüber Platz für die dazugehörigen Reliquien zu schaffen . Dies war nicht unproblematisch, weil die Pfeiler auch innen ausgehöhlt sind, um Platz für die Wendeltreppen zu den Reliquien zu haben. Es kam tatsächlich zu einem Riss in der Kuppel. Festgelegt wurde außerdem, dass die 4 Reliquien hinter den Balkonen - oberhalb der Monumentalfiguren - auf großen Reliefs dargestellt werden sollten und die Heiligen Duplikate in Händen halten. Diese selbst wurden 5 Meter hoch, dazu kamen noch 3 Meter hohe Postamente, auf denen sie stehen. Die Heiligen wurden aus Carrara-Marmor gefertigt, allerdings nicht aus einem großen Block, sondern der Einfachheit halber aus mehreren kleinen - der Longinus besteht aus 4 Blöcken. Die Figuren wurden zunächst größengleich aus Stuck gefertigt. Bernini schuf davor sogar noch kleine bozzetti aus Ton für seinen Longinus. Die Vierungspfeiler besitzen einen Umfang von 71 Meter, Berninis Nischen sind 10 Meter hoch. In den Loggien sind jeweils 2 gewundene Säulen - also salomonische - aus dem alten Petersdom eingearbeitet, der Legende nach stammen sie gar aus dem Tempel des Salomon.​


Der heilige Longinus von Bernini
Diese Figur wurde bewußt nicht auf Hochglanz poliert, damit das Licht besser reflektiert werden kann. Der dargestellte Moment ist der dramaische Moment der Bekehrung, nach dem Lanzenstoß, daher
hält er die Lanze noch in Händen. In seinen Augen ist noch ein Rest seiner Blindheit zu sehen. Als Attribut liegt sein Helm unter ihm. Oberhalb der Skulptur befindet sich daher eine Lanzenspitze. Diese
war lange Zeit in den Händen der Türken, wurde jedoch dann an Papst Innozenz VIII. - gegen eine Gefälligkeit - verschenkt.​



Die heilige Helena von Andrea Bolgi
Die Heilige trägt das Kreuz Jesu, das sie der Legende nach in Jerusalem fand. Ein Kreuzsplitter befindet sich daher über ihr. Durch diesen Fund wird sie als Heilige verehrt. Sie fand 3 Kreuze und
identifizierte das richtige an dem Titulus: Jesus von Nazaret, König der Juden. Dieser befindet sich ebenfalls in Rom, in der Kirche Santa Croce in Gerusalemme.​


Der heilige Andreas von Francesco Duquesnoy
Hier ist die Relique der Schädel des Andreas
der allerdings bereits 1964 an Patras in Griechenland zurückgegeben wurde. Zur Identifizierung tägt er das X-förmige Kreuz, das nach ihm benannt wurde.​


Die heilige Veronika von Fracesco Mochi
Die dazugehörige Relique ist das Schweißtuch, das Veronika Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung gab, auf dem nun der Legende nach seine Gesichtszüge zu sehen sind. Die Legende stammt allerdings erst aus dem Mittelalter und es gibt auch keinen Bericht in der Bibel darüber. Die Kleidung und das Tuch sind hervorragend geschaffen, sie wirken durchscheinend.​


Konkurrenzverhalten
Bernini erkannte natürlich die Begabung von Mochi und Duquesnoy (Bolgi war von Bernini abhängig und eher minder begabt) und da er keine sehr guten Bildhauer in seiner Umgebung ertrug legte er
ihnen mehrfach Steine in den Weg. So ging die Stuck-Ausführung des heiligen Andreas kaputt, den Gerüchten nach von Bernini inszeniert. Auch bekamen die Beiden ihren Marmor deutlich später. Als Mochi schließlich doch mit seiner heiligen Veronika fertig war, kam auch Bernini zur Enthüllung. Dieser fragte nach ausführlicher Besichtigung, wo denn der Wind herkäme, der das Kleid der Skulptur so bewegte. Mochi antwortete schlagfertig, der Wind käme aus den Rissen in der Kuppel, die Bernini zu verantworten hätte. Bernini bekam für seinen Longinus ein Gehalt von 5000 Scudi, die anderen Künstler erhielten nur 3000 Scudi.​
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe dentaria,
herzlichen Dank für Deine Fortsetzung! Kurz bevor ich im Januar nach Rom fuhr, habe ich gelesen, dass der Longinus in der Vierung von St. Peter von Bernini stammt. Ich mag die vier Figuren sehr, muss aber gestehen, dass ich mich nie näher mit ihnen beschäftigt habe. Nun weiß ich mehr und danke Dir für Deine Recherchen!

Liebe Grüße
Padre
 
Lieber Padre,​

ganz herzlichen Dank für Deine Rückmeldung.​
Ich muss mir mal die die Reliefs "im ersten Stock" genauer ansehen.

Liebe Grüße
dentaria
 
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