Im Rom des Gian Lorenzo Bernini

dentaria schrieb:
Der Text auf der Ostseite könnte die Bedeutung der Löwen bestärken:
ECCE CRVX DOMINI/ FVGITE/ PARTES ADVERSAE/ VICIT LEO/ DE TRIBV JUDA
Siehe das Kreuz des Herren, fliehet ihr Feinde, es siegt der Löwe aus dem Stamm Juda.

Dieses Bild vom "Löwen aus Juda" entstammt der Offenbarung des Johannes und ist ein Bild des auferstandenen Christus, welches Papst Sixtus V. sicher auch geschickt für sich genutzt hat.

Lieber Padre, vielen Dank, für diese schlüssige Ergänzung! :thumbup:
In Bibelkunde bin ich leider nicht fit. :blush:

Liebe Grüße
dentaria
 
Vielen Dank für die Fortsetzung und vor allem die Info über Obelisken! :thumbup:

Es gibt in deinen Berichten immer so viele interessante Hintergründe, dentaria, das ist wunderbar! DANKE für diese "Fundgrube"! :thumbup: :nod: :thumbup:
 
Sehr gerne! :nod:​

Vorsicht, zu Bernini kommt noch seeehr viel! ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das wohl bekannteste Werk Berninis ist der
Petersplatz


Vor Bernini
Der Platz bestand aus einer kleineren freien Fläche, dem nicht zentral stehenden Obelisken und einer unregelmäßigen Bebauung mit kleineren mittelalterlichen Häusern im Süden und Osten. Diese
mussten aber erst aufgekauft und dann abgerissen werden. Ein weiteres Problem stellte auch die Fassade dar (fertiggestellt 1614), die zu niedrig war für ihre Breite und die die Päpste Urban VIIII. und
Innozent X. zu gerne abgerissen hätten. Zusätzlich war eigentlich kein Geld für die Erneuerung vorhanden - der Vatikan war fast pleite. Das war umso problematischer, als durch den Platz ja keine
Einnahmen zu erwarten waren. Denn im 14. und 15. Jahrhundert wurde vor der alter Peterskirche noch Markt abgehalten und die Standgebühren füllten die Kassen des Vatikan. Selbst Stierkampf und
Karneval wurde vor der Kirche abgehalten. In der Bauzeit des neuen Domes wurde auf dem Platz Material gelagert, Vorarbeiten ausgeführt und die nötigen Tiere untergebracht. Papst Innozenz VIII. ließ 1613 den nördlichen Brunnen von Carlo Maderno gestalten, der auch erste Pläne für eine Gestaltung des Platzes fertigte.​


In den Jahren 1461 und 1462 wurden die Statuen von Petrus und Paulus - gefertigt von Paolo Romano - aufgestellt.​


Bereits 1586 wurde ja der Obelisk exzentrisch aufgestellt.​



Berninis Planungen
Papst Alexander VII. beauftragte Bernini 1656, den Platz vor dem Petersdom neu zu gestalten.​


Bernini begann ein Jahr später mit den Bauarbeiten, änderte aber fortlaufend seine Planungen.
Eigentlich sollten die Kolonnaden aus Doppelsäulen und einem zusätzlichen "terzo braccio" , einem dritten Arm auf der Ostseite bestehen. Diese Planungen mussten aber wegen der Kosten gestrichen werden. Der dritte Arm sollte dazu führen, dass die Pilger durch das Häusergewimmel und die beiden schmalen Durchlässe der Kolonnaden unvermittelt vor dem gigantischen Petersdom stehen sollten. Ein Problem stellte auch die Höhendifferenz zwischen den Portalen und dem tiefsten Punkt des Platzes dar.​

Bernini löste dieses Problem, indem er zwei Plätze schuf: Den trapezförmigen Platz (Piazza Retta) vor dem Dom als Empfangshalle und den elliptischen Platz (Piazza Obliqua) der mit seinen Kolonnaden den Pilger umarmt, beide durch eine große Freitreppe verbunden.​


Dieser ovale Platz ist 240 x 190m groß und
wird von 284 (16 Meter hohen) Travertinsäulen umrahmt, die 150 Heiligenfiguren - gefertigt von 10 Bildhauern - tragen, für die Bernini zumeist Zeichnungen und sogar 22 Wachsmodelle fertigte. Man sieht aber an diesen Fotos, dass die Skulpturen auf der Rückseite nur grob bearbeitet sind, ebenso wie die Engel der Brücke.​


Der Anfang der Kolonnaden wirkt jeweils wie eine Tempelfront und nimmt damit auch den mittleren Teil der Domfassade wieder auf.​


Die Säulen sind den antiken Säulengängen entlehnt, mit denen die Römer ihre Tempelanlagen umrahmten. Die äußeren Säulen sind dabei dicker als die inneren.
Jeweils in der Mitte des Platzes sind breitere Durchgänge geschaffen -
natürlich bekrönt vom Wappen Alexanders VII.​


Auch am Beginn der Korridore sieht man das Wappen des Auftraggebers.​


Der obere - trapezförmige - Platz ist 110 Meter tief, die Länge beträgt zwischen 120 und 100 Meter. Eingerahmt wird er nicht von Säulen, sondern von Doppelpilastern. Die Zunahme der Länge läßt die Fassade schmaler erscheinen, da der Platz aus der Ferne rechteckig oder gar quadratisch wirkt. Es war ebenfalls beabsichtigt, dass der Petersdom die Hauptrolle spielte und der Blick auf den Apostolischen Palast zwar in die 2. Reihe rücken mußte, aber dennoch für die Gläuigen nahe blieb.​

Beendet war Berninis Werk 1666.​

Der Petersplatz heute
Bereits 1677 wurde der Platz durch den zweiten Brunnen - wohl nach den Vorstellungen Berninis - von Carlo Fontana ergänzt. Die beiden Brunnen sind jeweils 14 Meter hoch und die beiden Becken
haben je einen Umfang von 16 bzw. 12 Meter.​


Seit Mussolini eine Schneise für die Via della Conciliazione durch den Borgo hat schlagen lassen, ist der - von Bernini geplante - Überraschungseffekt beim Weg zum Peterdom verschwunden. Dem Straßenbau musste auch das ehemalige Wohnhaus Raffaels weichen, dessen Überreste aber in die Front des Palazzo dei Convertendi eingebaut wurden.​


Beeindruckend der Platz am Abend!​

 
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Beeindruckend ist der Platz nicht nur am Abend. Wenn, ja wenn da nicht diese hässlichen grauen Stühle und die Absperrung wären. Der Platz wurde ja extra für Massenveranstaltungen geschaffen. Sind wir heute so degeneriert, dass wir nur noch sitzen können? Bernini würde sich ganz sicher im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, wie sein Platz heute meist aussieht. Der Vatikan ist aber auch auf diesem Ohr taub.
 
Wenn, ja wenn da nicht diese hässlichen grauen Stühle und die Absperrung wären. Der Platz wurde ja extra für Massenveranstaltungen geschaffen. Sind wir heute so degeneriert, dass wir nur noch sitzen können? Bernini würde sich ganz sicher im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, wie sein Platz heute meist aussieht. Der Vatikan ist aber auch auf diesem Ohr taub.

Stimmt, da hast Du Recht!

Allerdins sind für mich die vielen Absperrungen im Petersdom mindestens genauso störend!​
 
Liebe Ute,

vielen Dank für diesen schönen und interessanten Beitrag zur Piazza San Pietro! Da hast Du viele schöne Details herausgearbeitet. :thumbup:

Liebe Grüße

Angela
 
Dankeschön, liebe Angela!​

Ich habe festgestellt, dass ich dem Platz in den letzten Jahren viel zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt habe - das werde ich wieder ändern. :nod:

LG Ute​
 
Beeindruckend ist der Platz nicht nur am Abend. Wenn, ja wenn da nicht diese hässlichen grauen Stühle und die Absperrung wären. Der Platz wurde ja extra für Massenveranstaltungen geschaffen. Sind wir heute so degeneriert, dass wir nur noch sitzen können? Bernini würde sich ganz sicher im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, wie sein Platz heute meist aussieht. Der Vatikan ist aber auch auf diesem Ohr taub.

Sehe ich ganz genauso. Ich finde aber die Leinwände noch lästiger, die trüben das klassische Bild für mich viel mehr. Man sieht´s ja schon in Dentarias Bild.



 
dentaria schrieb:
Eigentlich sollten die Kolonnaden aus Doppelsäulen und einem zusätzlichen "terzo braccio" , einem dritten Arm auf der Ostseite bestehen. Diese Planungen mussten aber wegen der Kosten gestrichen werden. Der dritte Arm sollte dazu führen, dass die Pilger durch das Häusergewimmel und die beiden schmalen Durchlässe der Kolonnaden unvermittelt vor dem gigantischen Petersdom stehen sollten.

Hier eine kleine Ergänzung:

 
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Hier eine kleine Ergänzung:

100170-b5bd107176a7f06cc7c69875ec9efe04.jpg

Lieber Padre,

ganz herzlichen Dank für dieses Bild - ich konnte keines mit dem "terzo braccio" finden!
 
dentaria schrieb:
... ganz herzlichen Dank für dieses Bild - ...

Da hat es doch gelohnt, die Bilder im Flur meiner letzten Unterkunft abzulichten, auch wenn ich mir dabei etwas komisch vorkam. ;) Ich habe das Photo mit einer Zoom-Funktion ausgestattet, dann macht es sicher ein wenig mehr Freude. :nod:
 
Das ist ja vielleicht ein exzellenter Thread! :nod: :thumbup:

Zuletzt mit zahlreichen Details zu Piazza Navona und Petersplatz, für mich zwei der ansprechendsten und magischsten Plätze meiner persönlichen Hitliste. Alleine dafür schon lohnt sich ein Rombesuch (aber es gibt schon noch ein paar andere gute Gründe ;) )

Danke dentaria für reichhaltige Texte und tolle Fotos. Danke auch Padre für die passenden Ergänzungen. :)
 
Lieber halmsen,

ganz herzlichen Dank für Dein Lob! Schön, dass Dir mein Bericht gefällt. Morgen geht es weiter zur Scala Regia!

Liebe Grüße
dentaria
 
dentaria schrieb:
Wunderbar, jetzt sieht man auch die frühere Bebauung und den Pasetto sehr gut!

Mit dem kopieren von eigenen Bildern in einen anderen Thread habe ich noch Schwierigkeiten - aber ich werde daran arbeiten, auch wenn es manchmal umständlich ist.

halmsen schrieb:
Danke auch Padre für die passenden Ergänzungen.

Das habe ich sehr gerne getan, denn dentaria hat mein Interesse für Bernini enorm geweckt!
 
dentaria schrieb:
Eigentlich sollten die Kolonnaden aus Doppelsäulen und einem zusätzlichen "terzo braccio" , einem dritten Arm auf der Ostseite bestehen. Diese Planungen mussten aber wegen der Kosten gestrichen werden. Der dritte Arm sollte dazu führen, dass die Pilger durch das Häusergewimmel und die beiden schmalen Durchlässe der Kolonnaden unvermittelt vor dem gigantischen Petersdom stehen sollten.

Hier eine kleine Ergänzung:




Allerdings hat es des dritten Armes nicht bedurft, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Auf dem Foto kann man gut erkennen, dass die engen Gassen des Borgo bis kurz vor die Säulen reichten. Meine Schwiegermutter hat mir häufig erzählt, wie enttäuscht sie war, als sie erstmals über die Via della Conciliazione auf den Petersdom zuschritt und der großartige Wow-Effekt weg war. Nein, ich bin überzeugt, dass der Grund für den dritten Arm ein anderer war. Es war sicher der Wunsch nach Ästhetik. Wenn man vom Dom weg auf die Colonnaden zulief, passten die Borgo-Häuser und Gassen sicher nicht zu den eleganten Säulengängen.
 
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Ludovico ROB schrieb:
Allerdings hat es des dritten Armes nicht bedurft, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Auf dem Foto kann man gut erkennen, dass die engen Gassen des Borgo bis kurz vor die Säulen reichten. Meine Schwiegermutter hat mir häufig erzählt, wie enttäuscht sie war, als sie erstmals über die Via della Conciliazione auf den Petersdom zuschritt und der großartige Wow-Effekt weg war. Nein, ich bin überzeugt, dass der Grund für den dritten Arm ein anderer war. Es war sicher der Wunsch nach Ästhetik.

Ich habe mich heute nun intensiv mit "meinem Bild" beschäftigt und habe mich gefragt, was für ein Nutzen der "Dritte Arm" für herankommende Pilger gehabt hätte? Da er vor einer Häuserfront gestanden hätte. Ludovicos Vermutung leuchtet mir durchaus ein.
 
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