Unsere 5. Romreise: Kommt Zeit, kommt immer Rom!

Leider sind wir beide nicht wirklich des Italienischen mächtig, soweit wir verstanden haben, wurde dieser Stein der Legende nach vom Teufel auf den Hl. Domenikus geschleudert.

Na, immerhin wissen wir jetzt ein bisschen mehr als zuvor. Danke für die Links. Vielleicht kommen ja noch ein paar Antworten.

moin-moin

Paganus und Gefährtin


PS: Ich bin jetzt mit meiner Frage abgebogen!
 
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31.3.2010 (der Mittwoch der Karwoche): eine alte Hafenstadt, ein Beinahe-Zusammenbruch des öffentlichen Verkehrssystems, zwei nackte Engel in St.Peter und ein gelungenes Happy End im EST EST EST

Wir besteigen den Zug Richtung Ostia Antica und sind überrascht, dass es kaum mehr Sitzplätze gibt. Den wahren Grund erkennen wir beim Aussteigen: Mit uns verlassen wahre Hundertschaften von Schülerinnen und Schülern unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Nationalität die Zugsgarnitur. Wir beeilen uns, vor ihnen am Kartenschalter bei den Ausgrabungen zu sein, was uns auch gelingt. Schülerhaufen bewegen sich erfahrungsgemäß schleppend vorwärts, Leute unseren Alters sind da, wenn notwendig, zielgerichteter.

Auf dem Parkplatz vor dem Eingangsbereich parken an die zehn Busse. Ihr Inhalt (wiederum Schülerinnen und Schüler verschiedenen Alters aus verschiedener Herren Länder) verteilt sich bereits vor und nach den Kassen malerisch in der Landschaft. Sie sind sogar recht manierlich und folgen ihren Begleitpersonen, aber sie sind eindeutig zu viele! Sonst ist an ihnen ja nichts auszusetzen, sodass wir auf die Weitläufigkeit des Geländes vertrauen. Wenn die alte Hafenstadt früher einmal an die 100 000 Bewohner gehabt haben soll, so wird sie es auch mit den zahlreichen Schülergruppen aufnehmen können. Und wir haben uns in diesem Punkt auch nicht getäuscht! Alle verteilen sich gleichmäßig, nur selten bilden sich Knäuel. Am frühen Nachmittag sind wir dann ja ohnedies fast nur noch „unter uns“.

Gleich bei den ersten Gräberreihen will die Gefährtin meiner guten und schlechten Erdentage zum Fotoapparat greifen. Ihre Nervosität steigt, sie durchwühlt ihren Rucksack, stülpt das Unterste nach oben, allein: die Kamera will nicht zum Vorschein kommen! Vermutlich macht sie sich auf unserem Zimmer eine schöne Zeit. Nix ist mit dem Fotografieren! Die Stimmung meiner Gefährtin wird immer düsterer. Zum Glück habe ich meine Filmkamera dabei, sodass unsere „wertvollen“ Reiseerfahrungen der Nachwelt erhalten bleiben können (die Ostia Antica-Fotos in diesem Beitrag sind daher Snapshots aus dem Urlaubsfilm).

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Die alte Hafenstadt nimmt uns in Beschlag. Riesig ist ihr Ausmaß, schön ist es, in ihr herumzustreifen. Die Bäume geben, wenn notwendig, Schatten, die Wiesen strotzen vor Frühlingskraft, die Sonne wärmt zusehends, leider weht ein kühles Lüftchen. Wir aber sind gefangen in einer Welt, die einmal war und so nicht wieder sein wird. Hier lässt sich tatsächlich etwas von dem spüren und erfahren, was das Leben der Menschen zur Glanzzeit der Metropole ausgemacht hat. Wohnhäuser, das Theater, das Forum, eine christliche und etliche heidnische Gebetsstätten, die Kneipe mit der gut erhaltenen, gemalten Speisekarte ...

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... eine Fischertaverne, die verschiedenen Thermen und: ja, auch die öffentlichen antiken Latrinen, sie alle sprechen von dem Leben, das einmal war.

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„Pecunia non olet!“ Das soll der (weise?) Spruch Kaiser Vespasians gewesen sein, auf die Frage nach dem WC-Obolus. Auch heute noch werden angeblich die öffentlichen Münztoiletten Roms im Volksmund „Vespasiani“ genannt.

Wir kehren in die Stadt zurück, essen diesmal rasch am Termini und gönnen uns zur Erholung ein Stündchen Nachmittagsschlaf auf unserem Zimmer. Dort finden wir natürlich unseren Fotoapparat gut ausgeruht und fröhlich gestimmt vor. Der Schlingel hat es sich lieber auf der Ablage vor dem Zimmerspiegel bequem gemacht, als beim Ausflug am Vormittag seiner Arbeit nachzukommen. Wir verzeihen ihm großzügig, was hätten wir schon tun sollen?

Agare und ihren Begleiter haben wir nicht zu Gesicht bekommen. Vielleicht später am Tag?

Wir lassen uns von der Rolltreppe in den Bauch der Metrostation Vittorio Emanuele hinunterbefördern, da laufen ein Polizist und hinter ihm zwei Feuerwehrmänner an uns vorbei die Treppen hinab. Mich beschleicht eine böse Vorahnung. Wir dürfen noch in die wartende Garnitur einsteigen, dann aber, nach einiger Zeit, erfolgt die befürchtete Durchsage: Wegen technischer Gebrechen ist jetzt keine Weiterfahrt möglich. Die Menschenmassen stürmen aus den Waggons, die Treppen hoch, hinaus auf die Straße. Wir gehen zu Fuß zur Stazione Termini, aber auch dort das gleiche Bild: Hunderte, so scheint es, Menschen werden aus den Eingeweiden der Stadt an die freie Luft gespien! Wir drücken uns noch schnell in einen 40er Bus Richtung Vatikan und Petersdom hinein, dann geht es auch schon los. An jeder Haltestelle warten Dutzende Beförderungswillige. Ist es schon zu normalen Zeiten oft ein Wagnis, „zwischendurch“ Aufnahme in den 40er zu erheischen, so ist es jetzt ganz und gar unmöglich. Nichts geht mehr. Wir aber sind ja immerhin im Inneren des Busses, eingequetscht zwar und in zu engem Kontakt mit unseren Mitbürgern, aber wir fahren! Zahllose neidische Augenpaare folgen uns.

Beim Eingang zu den Trajansmärkten, an dem wir ja vorbeikommen, halte ich wieder nach einem roten Rucksack samt Stativ mit sportlichem Begleiter Ausschau, leider vergeblich!

Am Petersdom haben wir diesmal aber Glück! Kaum zehn, zwölf Besuchswillige stehen vor den Schranken, wir sind im Nu durch. Eine Kuriosität am Rande: Werde ich doch glatt von dem hinter mir Anstehenden (auf Englisch) gefragt, ob das vor uns der Petersdom sei! Gutmütig bejahe ich die Anfrage. Kann man so wenig vorbereitet Rom bereisen? Ich erkläre ihm noch, dass er heute wirklich Glück habe, denn normalerweise müsse er mit einer langen Schlange und langen Wartezeiten rechnen. Er schnappt sein Gepäckstück und entschwindet unseren Blicken rasch Richtung Haupteingang. Viel Glück, Mr.Happy, auf Ihren weiteren Romwegen, und möge Ihnen Ihre Naivität erhalten bleiben: Denn die Einfachen im Geiste sind Gottes bevorzugte Kinder, nicht die Klugen und Oberklugen, so liest man.


Diesmal gelingt es uns doch tatsächlich, im Petersdom still und ungestört zu beten! Letztes Jahr war uns dieses Ansinnen ja in der Karwoche verwehrt worden (3. Romreise). Auch diesmal sind nur wenige vorgegebene Korridore begehbar, wir dürfen aber in den abgesperrten Bezirk zu Johannes dem XXIII. schlüpfen, als wir glaubhaft versichern, ehrliche und aufrichtige Beter zu sein. So erweisen wir dem guten Papst Johannes unsere Reverenz. Dankbaren Herzens blicken wir auf das Gesicht mit der markanten Hakennase. Diesem kleinen, dicken Herren verdanken wir viel. Paganus preist die Güte und Weitsicht des Herrn. Wir müssen an den Geist, der der Gemeinde Jesu Christi versprochen ist, glauben. Auch in rauen Zeiten.

Dann finden wir noch zwei wunderschöne nackte Engel, einen männlichen und einen weiblichen, von Antonio Canova 1819 uns und allen Betrachtern zur Freude aus dem kalten Stein ins Leben gerufen. Sie trauern an der Grabstele der letzten Stuarts gesenkten Hauptes. BEATI MORTUI QUI IN DOMINO MORIUNTUR. Dem ist allerdings nicht viel hinzuzufügen. Paganus bevorzugte den rechten der beiden Engel als Wegbegleiter(in) in das Jenseits, seine Gefährtin ist dem linken eher zugetan. Stendhal war von beiden zutiefst beeindruckt, so lesen wir.


Einige wenige Minuten darf Paganus dann noch Michelangelos Pieta nahe sein, dann wird der heilige Raum unerbittlich geschlossen. An die frische Luft gesetzt, bestaunen wir zunächst einen der tapferen Schweizer, dann die Olivenbäumchen, die diesmal zu Ostern den Petersplatz schmücken. Auch die Tafeln der Malteser sind noch vollzählig vorhanden. Sie warten geduldig auf ihren österlichen Einsatz.


Auch in der Peterskirche und auf dem Petersplatz kein roter Rucksack, keine fleißige Fotografin, kein sportlicher Begleiter! Langsam beginne ich an meiner Mission zu zweifeln, wenngleich: Schon zu Hause hatte ich irgendwie das Gefühl gehabt, es werde mit unserem Zusammentreffen sicher klappen …

Wir wollen mit dem 40er zurückfahren, allein, es kommt keiner. Die Menschentraube vis a vis der Engelsburg wird immer größer. Die Sonne erwärmt noch einmal intensiv die trutzige Festung der Päpste.


20 Minuten warten wir jetzt schon. Der Verkehr staut sich vor uns. Ein Unfall blockiert zusätzlich eine der Spuren. So beschließen wir, der höllischen Kakophonie auszuweichen und über die Engelsbrücke Richtung Zentrum zu Fuß zu gehen. Wir können uns überglücklich am Corso Vittorio Emanule II in einen 64er-Bus retten. Das öffentliche Verkehrssystem ist am Erliegen. Einzelnen Beförderungswilligen gelingt es noch, unsere „Sardinenbüchse“ zu entern, immer mehr aber bleiben auch draußen und lassen all ihre Hoffnung fahren, so sie je eine hatten, heute noch vorwärts zu kommen. Zuletzt presst ein junger Römer sich und seine Freundin zu uns herein, dann lassen sich die Türen nicht mehr öffnen. Unser junger Freund nützt die Situation zu einer engen Umarmung mit seiner Geliebten. Wenigstens diese beiden haben – so scheint es – Freude am unumgänglichen Körperkontakt. Ständige Kussversuche seinerseits werden von ihr nur flüchtig und lachend abgewehrt, von Zeit zu Zeit gibt sie spielerisch nach. Nicht weit von meinem linken Ohr führt ein Afrikaner ein angeregtes Handy-Gespräch, wie er das schafft, in dieser Enge, bleibt mir rätselhaft. Am Eingang zu den Trajansmärkten wieder ein suchender, aber vergeblicher Blick nach einem roten Rucksack mit Stativ und sportlichem Begleiter. Schließlich reißen wir die Bustüren in der Nähe des EST EST EST beinahe gewaltsam auf und purzeln auf die Straße. Einige der mitreisenden Sardinen werden mitgerissen und purzeln mit. Endlich Luft! Gute römische Luft!

Im EST EST EST ist Platz für uns (es ist etwa 19.30), und so bestellen wir eine herrliche Auswahl an Speisen. Alles lassen wir zugleich kommen, dazu einen Liter vom „Wein des Hauses“.


Die Anspannung fällt von uns ab, die Welt ist wieder in Ordnung!

Unsere Speisenfolge im EST EST EST:
1 Liter Tischwein (weiß)
Mineralwasser
2x baccalà (gebacken)
grüne Oliven
1x Caprese
1x gegrillte, in Öl eingelegt Zucchini und Melanzani
Pane
2x Dessert (pannacotta mit Waldbeeren)


Aber auch im EST EST EST ist nichts von Agare und ihrem Begleiter zu sehen …


Auf dem Nachhauseweg finden wir diesen liebenswerten Zeitgenossen in einer der Gassen vor, traumversunken liegt er am Straßenrand. Wir sind zwar noch auf der Suche nach dem Gott des Traumes, sind aber zuversichtlich, Morpheus demnächst ebenfalls in die Arme zu fallen.


So, liebe Foristi! Ein Tag bleibt dem Genius Roms noch, Agare und Paganus zusammenzuführen. Wird es ihm gelingen? Das Gauklersche Wettbüro ist noch geöffnet! Tipps können noch abgegeben werden!

Ein Tag ist für einen Genius doch eine recht lange Zeit, da lassen sich manche Wunder vollbringen, aber: Wer weiß?

(Fortsetzung folgt wie immer, der Zeitpunkt ist diesmal nicht ungewiss, er orientiert sich an der Schließung des Wettbüros)

zum 4.Tag

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Moin - Moin Paganus!


VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für die Fortsetzung - ich habe Euch wieder gerne begleitet ...


Gruß - Asterixinchen :)
 
Deiner stimmungsvollen Fortsetzung bin ich genussvoll gefolgt. Die lebhaften Schilderungen haben viele Erinnerungen an ähnliche Situationen wachgerufen.
Eine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen. Die Engel(chen) an den Weihwasserbecken im Petersdom bevorzuge ich immer noch.

Danke Paganus sagt
Ludovico
 
@ Ludovico: Hast du von deinen Engelchen auch Fotos? Ich würde sie wirklich gerne sehen, falls du welche hast, vor allem, weil mir diese netten Gesellen bis jetzt irgendwie entgangen sind und ich deine Fotos sehr schätze!

@ Gauki: Das Wettbüro ist das Wettbüro ist das Wettbüro ist das Wettbüro :~ ...

Paganus


PS: Ludovico, ich habe die Engelchen (du meinst sicher diese da) auf einer Salzburger Webseite (mit übrigens vielen anderen schönen Rom-Fotos) gefunden!
 
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Und die Waagschale neigt sich immer mehr auf die Seite der Ungläubigen :| ... die sich zudem, anders als die Optimisten, zumeist (= bis auf 4) anonym bedeckt halten. :twisted:
 
Moin Paganus,

begnadeter Reiseschriftsteller! Dein Bericht liest sich wieder so herrlich leicht und locker, dass es einfach nur Spaß macht, sich so auf die eigene Romreise einzustimmen:thumbup:.

Als bekennendes Mitglied der Optimistenfraktion im Wettbüro harre ich der Fortsetzung voller Ungeduld:D.

Grüße nach Pannonien
von gengarde
 
Danke, gengarde, für deinen Optimismus und dein Lob! Beides feut mich!

lg

Paganus

PS: Und viel Freude mit deiner nächsten, bald anstehenden Romreise!
 
Auch ich möchte mich für diesen noch unfertigen Bericht bedanken, aber viel mehr noch für die Mühe, mit der du in diesen ersten Tagen ja vergeblich nach mir Ausschau gehalten hast!

Über meine Aufenthaltsorte werde ich bald Stellung beziehen.

LG Agare
 
Ach so, ich vergas:

Somit suchte ich nach einer jungen, fleißigen Fotografin mit rotem Rucksack (samt Stativ) und sportlichem Begleiter
Calirus fühlt sich sehr geschmeichelt, denn nachdem er von den Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul in Untermarchtal zurück kam, wo er seine Akademie des Cusanuswerkes besucht hatte, setzt er das erste Mal im Leben einen kleinen Bauch an :p Dieser wurde heute aber direkt mit Joggen bekämpft.
 
Mein Bauch (eher Marke "Brummbär") ist - fürchte ich - nicht mehr nur mit Joggen zu bekämpfen. Du hattest ja aber auch nach einem etwas "fülligen" Altbären mit grauem Bart samt dunklerer Kinnpartie gesucht ...
 
Da muss ich dich enttäuschen, denn wir haben uns intern darauf geeinigt, dass wir es gleicheitig in unseren Reiseberichten veröffentlichen, aber da ich noch nicht ganz so weit bin, müsst ihr euch noch etwas gedulden...
 
Da muss ich dich enttäuschen, denn wir haben uns intern darauf geeinigt, dass wir es gleicheitig in unseren Reiseberichten veröffentlichen, aber da ich noch nicht ganz so weit bin, müsst ihr euch noch etwas gedulden...

Ihr wollt doch nur, dass die Spannung steigt ...
Viele Grüße
Claude
 
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